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Mobilmachung vor Libyen

USA bringen Truppen vor Nordafrika in Stellung. Außenministerin Clinton sieht Bedarf für »humanitäre Interventionen«. Rußland und China gegen militärische Schritte.

Von Rüdiger Göbel *

Die USA verlegen Kriegsschiffe und Kampfflugzeuge näher an Libyen heran. Nach der Verhängung von Sanktionen und der Sperrung libyscher Konten im Ausland soll damit offiziellen Verlautbarungen zufolge die »Drohkulisse« gegen Staatschef Muammar Al-Ghaddafi weiter aufgebaut werden. Das Pentagon bringt nach eigenen Angaben Marine- und Luftwaffeneinheiten in der Region in Position. Die Planer des US-Verteidigungsministeriums arbeiteten an »verschiedenen Notfallplänen«, wie am Montag (28. Feb.) vor Journalisten in Washington bekannt gegeben wurde. Dazu gehörten Truppenverlegungen, um im Fall einer Entscheidung »flexibel« zu sein. In der Golf-Region und dem Arabischen Meer südöstlich von Libyen hat die Fünfte Flotte zwei Flugzeugträger im Einsatz.

US-Außenministerin Hillary Clinton erklärte zwar in Genf, die US-Regierung plane keine Marineeinsätze gegen das nordafrikanische Land. Mit Blick auf Zehntausende Flüchtlinge gehe sie vielmehr davon aus, daß es Bedarf an Unterstützung für »humanitäre Interventionen« geben werde. In der Amtszeit ihres Ehemanns, Präsident William Clinton (1993–2001), war das allerdings das Codewort für militärische Angriffe. Parallel dazu wurden in westlichen Medien Gerüchte über Chemiewaffenfunde in Libyen gestreut und Mutmaßungen darüber angestellt, ob Ghadaffi vielleicht irgendwann Giftgas gegen seine Bevölkerung einsetzt.

Rußland und China, ständige Mitglieder im UN-Sicherheitsrat, erteilten unterdessen Überlegungen der EU und der USA über die Einrichtung von sogenannten Flugverbotszonen über Libyen eine Absage. Eine solche Idee sei »überflüssig«, sagte der russische Außenminister Sergej Lawrow am Dienstag. Wichtiger sei »die vollständige Umsetzung der Sanktionen« gegen das Land, die der UN-Sicherheitsrat am Samstag beschlossen hatte. Auch das Außenamt in Peking sprach sich klar gegen militärische Schritte zur Absetzung Ghaddafis aus. Entsprechende Überlegungen im Westen verfolge man mit Sorge, sagte eine Sprecherin des chinesischen Außenministeriums. »Wir hoffen, daß das Land so bald wie möglich zu Stabilität zurückkehrt und seine Probleme durch einen Dialog friedlich gelöst werden können.«

Aus der von Aufständischen kontrollierten Stadt Sawija, 50 Kilometer westlich von Tripolis gelegen, wurden am Dienstag mehrstündige Gefechte mit Regierungstruppen gemeldet. Auch in Misrata und anderen Städten im Osten Libyens soll es Kämpfe gegeben haben. An der Grenze zu Tunesien sollen regierungstreue Truppen die Kontrolle über die Grenzübergänge zurückgewonnen haben.

* Aus: junge Welt, 2. März 2011


Schützen mit Gewalt?

Von Roland Etzel **

Dürfen fremde Mächte mögliche Gewalt gegen unschuldige Zivilisten in einem Land verhindern? Ja, sie dürfen, sie sind sogar moralisch dazu verpflichtet. Die Statuten der UNO und regionaler Staatenbünde fordern vor allem die Mitglieder des Sicherheitsrates auf, diese ihre Verantwortung wahrzunehmen – anders als beispielsweise in Ruanda 1994, wo sie sträflich tatenlos blieben, als Hunderttausende Angehörige einer Ethnie barbarisch massakriert wurden.

Das soll sich nicht wiederholen. Nie wieder soll ein humanitärer Einsatz daran scheitern, dass dazu aufgeforderte Länder ihn aus mangelndem Eigeninteresse unterlassen – wie eben bei Ruanda. Beim ölreichen Libyen ist dieser Fall nicht zu befürchten. Im Gegenteil. Noch wird ein militärisches Eingreifen abgelehnt, aber damit auch bereits diskutiert.

Jene US-Politiker, die sich selbst zu mäßiger Kritik an Mubarak bis zum Schluss nicht verstehen konnten, sind gegen Erzfeind Gaddafi weit vorneweg. Das diesem nun als erste Zwangsmaßnahme angedrohte Flugverbot für libysche Maschinen ist allerdings äußerst missbrauchsanfällig. Die Regie läge vermutlich allein in den Händen der US-Militärs, die sich noch nie von anderen Gremien kontrollieren ließen und deren »Maßnahmen« zur Einhaltung des Flugverbots in den 90er Jahren in Irak Tausende zivile Opfer am Boden forderten. Selbst libysche Aufständische sind deshalb skeptisch. Sie wollen von außen eine helfende Hand, keine Eisenfaust.

** Aus: Neues Deutschland, 2. März 2011 (Kommentar)


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