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Attentäter von Lockerbie begnadigt

Mohammed al-Megrahi flog nach Libyen *

London/Washington (Agenturen/ ND). Gnade für den Lockerbie-Attentäter: Der todkranke Libyer Abdel Bassit Ali Mohammed al-Megrahi hat nach nur acht Jahren Haft das Gefängnis verlassen und kann in seiner Heimat sterben. Trotz Protesten aus den USA begnadigte Schottlands Justizminister Kenny MacAskill am Donnerstag den 57 Jahre alten verurteilten Massenmörder, weil er an Prostatakrebs im Endstadium leidet. Der Libyer war 2001 wegen des Terroranschlags auf eine Maschine der US-Fluglinie PanAm über dem schottischen Lockerbie zu einer lebenslangen Haftstrafe verurteilt worden. Bei dem Anschlag im Dezember 1988 starben 270 Menschen, vor allem US-Amerikaner.

Angehörige US-amerikanischer Opfer des Lockerbie-Anschlags äußerten sich verbittert über die Entscheidung. Auch von der US-Regierung, die sich wiederholt gegen eine Freilassung ausgesprochen hatte, kam Kritik. Ärzte hatten Megrahi, der seine Schuld stets bestritten hatte, nur noch drei Monate zu leben gegeben.

Nach der Begnadigung verließ ein Konvoi mit dem Libyer das Greenock-Gefängnis bei Glasgow. Vom Flughafen Glasgow flog er in seine Heimat. Bei der Ankunft in Libyen, kurz vor Beginn des islamischen Fastenmonats Ramadan, sollte Megrahi von Revolutionsführer Muammar al-Gaddafi empfangen werden.

* Aus: Neues Deutschland, 21. August 2009


Heimkehrer

Der als Attentäter von Lockerbie verurteilte Libyer ist frei **

Er gilt als das Gesicht der Attentäter von Lockerbie, jenes schottischen Dorfes, über dem am 21 Dezember 1988 nach einer Sprengstoffexplosion alle 270 Insassen einer PanAm-Maschine starben. Abdel Bassit Ali Mohammed al-Megrahi war libyscher Geheimagent, wurde von der CIA beschuldigt, in Malta den tödlichen Koffer an Bord der Unglücksmaschine gebracht zu haben, und von einem britischen Gericht 2001 zu lebenslanger Haft verurteilt.

2008 stellte Megrahi ein Gnadengesuch und musste zehn Monate warten, ehe gestern der Tag der Freiheit kam. Vielleicht ist er jetzt schon auf dem Weg in die Heimat - pünktlich zum Beginn des Fastenmonats Ramadan. Das war sein Wunsch. Nach den Regeln des Korans müsste Megrahi den Vorschriften des Ramadan nicht unbedingt folgen, denn so steht es geschrieben: »Allah will es euch leicht machen, nicht schwer ... und wenn einer krank ist oder sich auf einer Reise befindet«, könne er den Ramadan nachholen. Der 57-jährige Megrahi wird letzteres kaum können. Er ist auf (Heim)- Reise, möglicherweise seiner letzten, weil seine Krebserkrankung als unheilbar gilt. Deshalb lassen die Briten Milde walten - gegen wütende Proteste aus den USA.

Für Megrahis zumindest vorläufige Freilassung hätte es aber auch im Falle seiner Gesundheit akzeptable Gründe gegeben. Seine Verurteilung beruhte lediglich auf Indizien. Er selbst hat eine Schuld stets bestritten. Und deshalb eröffnete ein britisches Gericht im April ein neues Verfahren in der Angelegenheit, weil es Anzeichen für einen Justizirrtum sieht.

Der libysche Revolutionsführer Muammar al-Ghaddafi könnte die Sache wohl aufklären. Ghaddafi räumte nach jahrelangem Leugnen und unter dem Druck eines internationalen Boykotts gegen Libyen die Urheberschaft für das Attentat ein und entschädigte die Hinterbliebenen der Opfer mit 10 Milliarden Euro. Aber selbst an diesem Schuldeingeständnis zweifeln Experten und vermuten, dass Ghaddafi dem Westen lediglich eine goldene Brücke zur Wiederaufnahme der Beziehungen bauen wollte - was geklappt hat. Es spricht also einiges dafür, dass Megrahi auf dem politischen Schachbrett Ghaddafis erst zum Bauernopfer und jetzt »wieder eingelöst« wurde. Roland Etzel

** Aus: Neues Deutschland, 21. August 2009


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