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Luftattacken ohne Ende

Krieg gegen Libyen: Die Angreifer melden nahezu 100 Einsätze in 24 Stunden. NATO-Schiffe ziehen vor der Küste auf. Ghaddafi erklärt Bereitschaft zum Kampf

Von Karin Leukefeld *

Der Luftterror gegen Libyen geht mit unverminderter Härte weiter. 97 Einsätze mit Kampfjets flog die »Koalition der Willigen« aus Frankreich, Großbritannien und den USA in nur 24 Stunden. Dabei seien Kommandozentralen der libyschen Armee, Luftabwehrstellungen und Panzer angegriffen worden, sagte ein Sprecher der US-Marine an Bord des Kommandoschiffes «USS Mount Whitney» am Mittwoch. In den Tagen zuvor waren von See aus 162 Tomahawk-Marschflugkörper abgefeuert worden. Unter mehrfachen Beschuß geriet laut Korrespondentenberichten auch wieder die Hauptstadt Tripolis.

Augenzeugen berichteten zudem von schweren Luftattacken auf die umkämpfte Küstenstadt Misrata, wodurch möglicherweise Regierungstruppen gezwungen wurden, sich von dort zurückzuziehen. Die Stadt liegt zwischen Sirte und Tripolis und war Ende Februar von der Opposition eingenommen worden. Die Bomben hätten die Luftfahrtakademie von Misrata sowie ein Gelände neben einem Krankenhaus getroffen. Im Osten des Landes konzentrierten sich auch am Mittwoch die Kämpfe zwischen Regierungstruppen und bewaffneten Kräften der Opposition auf die Stadt Adschabija, die als Tor zum ölreichen Osten des Landes gilt.

Zeitgleich begann eine Blockade vor der Küste des nordafrikanischen Staats. NATO-Marineverbände wurden dort zusammengezogen mit dem vorgeblichen Ziel, das UN-Waffenembargo durchzusetzen. Der kanadische Brigadegeneral Pierre St. Amand sagte in Brüssel, Kriegsschiffe patrouillierten nunmehr festlandnah im Rahmen der Operation »Unified Protector« (Vereinte Schutzmacht). Sie werden vom regionalen NATO-Hauptquartier in Neapel aus befehligt.

Der libysche Revolutionsführer Muammar Al-Ghaddafi hatte sich in der Nacht zu Mittwoch erstmals wieder persönlich an seine Anhänger gewandt. Vom Balkon des Regierungspalastes Bab Al-Azizija aus verurteilte er die Angriffe. Das Gebäude war am Montag von US-Marschflugkörpern schwer beschädigt worden. »Kurzfristig werden wir sie schlagen, langfristig werden wir sie schlagen«, sagte Ghaddafi in seiner 15minütigen Rede, das Land sei »bereit zum Kampf«. Überall in der Welt gebe es Unterstützung, rief Ghaddafi den Leuten zu: »In Asien, in Afrika, in Europa, auch in den USA.« Die Oppositionellen bezeichnete er als »faschistische Bande, die im Mülleimer der Geschichte« enden werde.

Die Aufständischen bildeten unterdessen eine selbsternannte »Übergangsregierung«, an deren Spitze Mahmud Jibril als »Ministerpräsident« steht. Jibril war bereits vor Beginn des Angriffs auf Libyen in Paris mit Präsident Nicolas Sarkozy und US-Außenministerin Hillary Clinton zusammengetroffen. Deren Chef Barack Obama entschloß sich angesichts der Kriegslage, seine Lateinamerikareise vorzeitig zu beenden. Die USA wollen die Führung der Operation »Odyssey Dawn« an die NATO übertragen, während Frankreich die involvierten Staaten damit beauftragen möchte. In Brüssel einigten sich die 27 EU-Mitgliedsstaaten am Mittwoch auf weitere antilibysche Sanktionen – diesmal gegen die staatliche Ölfirma NOC.

Unterdessen verkündete der Kommandeur der am Angriff beteiligten britischen Streitkräfte, daß die libysche Luftwaffe »geschlagen« sei. Sie »existiert als Kampftruppe nicht mehr«, erklärte Vize-Marschall Greg Bagwell laut BBC. Das ändere allerdings nichts daran, daß der »Druck« auf Libyen »unverändert aufrechterhalten« werde.

* Aus: Neues Deutschland, 24. März 2011


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