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Flugverbot erschwert humanitäre Hilfe

Friedensbewegung und Linkspartei kritisieren Beschluss des UN-Sicherheitsrates

Von Aert van Riel *

Mit seiner Entscheidung zur Flugverbotszone über Libyen ermöglicht der UN-Sicherheitsrat Luftangriffe gegen die Truppen von Staatschef Muammar el-Gaddafi. Friedensbewegung und LINKE befürchten, dass sich durch den nun drohenden Militäreinsatz der Bürgerkrieg weiter verschlimmern wird.

In der Nacht zum Freitag wurde vom UN-Sicherheitsrat eine Flugverbotszone über Libyen verhängt. Deutschland, Indien, Brasilien sowie die Veto-Mächte Russland und China hatten sich enthalten, zehn Staaten stimmten dafür. Damit ist der Weg frei für vor allem von den USA, Großbritannien und Frankreich geforderte Militärschläge aus der Luft gegen die Armee des Staatschefs Muammar el-Gaddafi. Die Aufständischen sollen durch die Intervention unterstützt und die Zivilbevölkerung geschützt werden.

Die interventionsbereiten Staaten sehen sich in ihrem Vorgehen aufgrund des UN-Beschlusses völkerrechtlich legitimiert. Doch ob für diesen Beschluss überhaupt eine völkerrechtliche Basis besteht, ist zweifelhaft. »Solche Beschlüsse sind laut UN-Charta nur in den Fällen erlaubt, in denen es darum geht, den Frieden in der Welt zu sichern«, sagte etwa Jan van Aken, stellvertretender Vorsitzender der Linksfraktion im Bundestag, gegenüber ND. Zwar sympathisiere er mit den libyschen Aufständischen, aber »die militärischen Interventionen in Afghanistan und Irak haben gezeigt, dass dadurch die Bürgerkriege nur noch blutiger geführt werden«, so van Aken.

Die deutsche Sektion der »Internationalen Ärzte für die Verhütung des Atomkrieges« (IPPNW) bewertete die Entscheidung des Sicherheitsrates als »Fortsetzung der alten Einflussnahme und Stellvertreterpolitik des Westens gegenüber diesen Ländern«. Es gebe »keinen Bruch des Verhältnisses zu den nordafrikanischen Despotien«. Zudem äußerte die Organisation Bedenken, ob durch die Maßnahmen tatsächlich der Zivilbevölkerung geholfen werden könne. Denn die Flugverbotszone werde laut IPPNW alle humanitären Bemühungen, Hilfskorridore für die libyschen Bürger und die sich im Land befindenden Migranten einzurichten, erschweren oder sogar unmöglich machen.

Auch Peter Strutinsky vom Bundesausschuss Friedensratschlag kritisierte den UN-Beschluss. »Der Arabischen Liga wird in der Entscheidung eine ›wichtige Rolle bei der Aufrechterhaltung des Friedens und der internationalen Sicherheit in der Region‹ zugeschrieben. Obwohl deren Mitglieder zwei Tage zuvor in Bahrain militärisch gegen friedliche Demonstranten vorgegangen waren«, erklärte Strutinsky. Die Arabische Liga, der 22 Staaten angehören, hatte sich trotz skeptischer Positionen von Syrien, Algerien und Sudan mit 9:2 Stimmen für eine Flugverbotszone ausgesprochen. Zudem befürchtete Strutinsky, es könne bei der Durchsetzung der Flugverbotszone zu Einsätzen von Bodentruppen kommen. Der Sicherheitsrat hatte die Mitgliedstaaten autorisiert, »alle nötigen Maßnahmen zu ergreifen, um Zivilisten in Libyen zu schützen, denen ein Angriff droht«, aber eine ausländische Besatzung ausgeschlossen.

Die Vereinten Nationen, Europäische Union und einzelne Staaten hatten bisher wirtschaftliche Sanktionen gegen die libysche Führung verhängt, um Gaddafi unter Druck zu setzen. Laut UN-Resolution sollen Waffenlieferungen an Libyen verhindert und das Vermögen von Regierungsmitgliedern und Militärs eingefroren werden. Aus Sicht der Linkspartei hätten diese und weitere friedliche Mittel ausgeschöpft werden müssen, um den Bürgerkrieg zu beenden. »Wenn kein Staat mehr libysches Erdöl kaufen würde, dann könnte Gaddafi diesen Krieg auch nicht weiter finanzieren«, meinte van Aken. Dass das nordafrikanische Land derzeit so hoch gerüstet ist, hat auch die Bundesrepublik zu verantworten. Im Jahr 2009 wurden aus Deutschland für 53,2 Millionen Euro Waffen an Libyen geliefert, dessen Regierung damals noch als Garant zur Flüchtlingsabwehr in der östlichen Mittelmeerregion und verlässlicher Wirtschaftspartner galt.

Eine selten zu beobachtende Übereinstimmung herrscht beim Umgang mit dem innerlibyschen Konflikt zwischen Außenminister Guido Westerwelle (FDP) und der Linkspartei. Auch Westerwelle lehnt die Beteiligung deutscher Soldaten an einer militärischen Intervention kategorisch ab. Van Aken kritisierte aber, die Bundesrepublik habe sich nicht eindeutig im UN-Sicherheitsrat gegen die Flugverbotszone positioniert. »Besser wäre es gewesen, wenn Deutschland mit Nein gestimmt hätte, aber die jetzige Enthaltung sehe ich als großen Fortschritt gegenüber dem Verhalten der rot-grünen Bundesregierung, die 2001 der Intervention in Afghanistan zugestimmt hatte«, erklärte van Aken.

UN-Resolution

Der UN-Sicherheitsrat hat der Einrichtung einer Flugverbotszone über Libyen zugestimmt und Luftangriffe gegen die Regierungstruppen autorisiert. Die Resolution beruft sich auf Kapitel VII der UN-Charta, das zu Strafmaßnahmen ermächtigt. Die wichtigsten Punkte des Resolutionsentwurfs:

Der Sicherheitsrat

– autorisiert die Mitgliedsstaaten, alle nötigen Maßnahmen zu ergreifen, um Zivilisten und von Zivilisten bewohnte Gebiete in Libyen zu schützen, denen ein Angriff droht – inklusive Bengasi. Eine ausländische Besatzungsmacht auf libyschem Territorium wird in jeglicher Form ausgeschlossen.

– beschließt, ein Verbot aller Flüge im Luftraum Libyens zu verhängen, um zum Schutz von Zivilisten beizutragen.

– ruft alle Mitgliedsstaaten auf, Hilfe zur Umsetzung des Flugverbots zu leisten, einschließlich der Erteilung von Überflugsrechten.

– beschließt, dass alle Staaten jedem in Libyen registrierten Flugzeug (...) den Start, die Landung oder die Rechte des Überflugs über ihr Territorium verweigern.

– verlangt einen sofortigen Waffenstillstand, ein vollständiges Ende des Gewalt und aller Angriffe auf Zivilisten.

– appelliert an alle Mitgliedsstaaten, besonders jene in der Region, auf ihrem Territorium und in ihren Gewässern Flugzeuge und Schiffe aus Libyen oder mit Ziel Libyen zu inspizieren.

– verlangt von den libyschen Behörden, dass sie den Verpflichtungen unter dem Völkerrecht (...) nachkommen und alle Maßnahmen ergreifen, um Zivilisten zu schützen und deren Grundbedürnisse zu befriedigen.

– bedauert den anhaltenden Zustrom von Söldnern nach Libyen und ruft die Mitgliedsstaaten auf, (...) den Zustrom bewaffneter Söldner zu unterbinden.



* Aus: Neues Deutschland, 19. März 2011

Hier geht es zur ganzen Resolution:

Resolution 1973 (2011) im Wortlaut (deutsch)


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