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Bruder Oberst und die Deutschen

Das libysche Regime erhielt heimliche und unheimliche Unterstützung

Von René Heilig *

Die Geschäfte mit dem ölreichen Libyen liefen wie geschmiert. Wen störte das bisher? Die EU jedenfalls nicht, und auch in Deutschland gab es nur vereinzelt Kritik an den Beziehungen mit Gaddafis Regime.

In den Sicherheitsbehörden vieler Länder galt beim Thema Libyen die höchste Sorgfaltspflicht. Unberechenbar sei er, der »Bruder Oberst«. Am besten, man reize ihn nicht, sondern akzeptiere seine Schrullen. Dann lasse sich gut mit ihm auskommen – und verdienen. Das erfuhren jüngst auch Münchner Kriminalpolizisten. Über Monate hatten sie den angeblichen TU-Studenten Saif al-Arab al-Gaddafi beim Waffenschmuggel beobachtet. Sogar Zeugenaussagen gab es. Die Staatsanwaltschaft hätte glücklich sein können – doch sie erteilte die Weisung: Hände weg vom Herrschersohn! Mit einigem Erstaunen beobachteten die Fahnder, wie Münchens Polizeipräsident »die Sache« mit libyschen Diplomaten beilegte. Beim Essen im Bayerischen Hof.

Weniger diplomatisch handelten Schweizer Ermittler einige Monate zuvor, als sie dem Größenwahn von Gaddafi-Sohn Hannibal Grenzen setzten. Der Vater in Tripolis reagierte brutal. Zwei völlig unbeteiligte Schweizer Geschäftsleute mussten den »Übergriff« mit einem Jahr Geiselhaft büßen. Doch das erklärt keinesfalls die Beflissenheit, mit der deutsche Sicherheitsbehörden und Firmen seit Jahrzehnten um Gaddafis Gunst buhlten. Daran hinderten sie auch nicht diverse Restriktionen und Embargos, die die USA, die UNO und die EU gegen den »Schurkenstaat« Libyen erlassen hatten.

1994 lag auf dem Tisch des damaligen Präsidenten des Bundesnachrichtendienstes (BND), Konrad Portzner, ein 194-seitiger interner Bericht über illegale deutsche Rüstungsexporte in die arabische Welt. Der Chef, so sagen »Ehemalige«, sei erstaunt gewesen, wie stur sein Dienst weggeschaut hatte. Libyen stand oben auf geheimen Lieferlisten. Über Tarnfirmen wurde alles in die Wüste geschickt, was man dort beispielsweise zur Produktion von Kampfstoffen brauchte. Codewort »Pharma 150«. Das Kölner Zollkriminalamt ließ 1989 die sogenannte »Rabta-Affäre« auffliegen. Es heißt, der israelische Partnerdienst habe den BND mit dem Hinweis auf Auschwitz unter Druck gesetzt, er solle endlich dem Export der Giftgas-Fabrik durch die Firma Imhausen-Chemie im badischen Lahr Einhalt gebieten.

Ähnlich lief es mit dem Lieferstopp für deutsche Baumaschinen. Die brauchte Libyen, um 65 Kilometer südlich der libyschen Hauptstadt bei Tarhuna eine unterirdische Fabrikationsanlage zu graben. 2003 sorgte die CIA dafür, dass deutsche Gaszentrifugen für die Urananreicherung nicht ankamen. An wen Libyen die weiterreichen wollte, ist unklar, denn selbst konnte das Land keine Nuklearbombe bauen. Gegen die Lieferung »ziviler« Lkw und Motoren konnte man kaum etwas vorbringen, auch wenn die schließlich bei Gaddafis Armee eingesetzt wurden.

Als 2008 offenbar wurde, dass Angehörige der Bundeswehr, der GSG 9 sowie von Länderpolizeien im »Urlaub« und per Kontrakt mit einer »Privatfirma« jahrelang libysche Sicherheitstruppen drillten, wusste der BND abermals gar nichts. Damals wollte ein FDP-Mann namens Rainer Brüderle, heute Bundeswirtschaftsminister, noch einen parlamentarischen Untersuchungsausschuss einsetzen. Klar, dass daraus nichts wurde. Schließlich hatte man ja die besten Beziehungen zu dem inzwischen international fast rehabilitierten Regime. Es hielt für ein kleines 50 Millionen-EU-Handgeld pro Jahr afrikanische Flüchtlinge vom Übersetzen nach Europa ab. Die Debatte über »Auffanglager«, die vom Justizkommissar Rocco Buttiglione aus Italien auch schon »Konzentrationslager« genannt wurden, hatte der damalige deutsche Innenminister Otto Schily (SPD) begonnen. »Bruder Oberst« half umgehend.

Mit ihm hatte auch Schilys damaliger Chef, Bundeskanzler Gerhard Schröder (SPD), 2004 die Ausbildungskooperation vereinbart. Der BND soll seinerzeit darauf bestanden haben, im Hintergrund zu bleiben. Logisch, noch erinnerte man sich an den Skandal von 1995. Damals war bekannt geworden, dass der Geheimdienst Ende der 70er Jahre illegal an der Ausbildung von libyschen Offizieren in der Bab-el-Azizia-Kaserne beteiligt war.

So lange es zwei deutsche Staaten gab, suchte auch die DDR – wie zu Ägypten – die Nähe zum antiimperialistischen Libyen und seinem obersten Revolutionär. So bildete man in Kamenz libysche Luftwaffenpiloten aus, und als »jemand« den Hubschrauber von Gaddafi-Gast und SED-Politbüromitglied Werner Lamberz sowie seiner Begleitung über der libyschen Wüste explodieren ließ, gab man sich mit den »ungeklärten Umständen« zufrieden.

* Aus: Neues Deutschland, 23. Februar 2011


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