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Die Waffen nieder!

BRICS-Gipfel: Brasilien, Rußland, Indien, China und Südafrika fordern Feuerpause in Libyen. NATO diskutiert weitere Kriegsführung. UNO verweigert EU-Truppen "Hilferuf"

Von Knut Mellenthin *

Während sich die NATO auf den Einsatz von Bodentruppen in Libyen vorbereitet, haben sich die UN-Vetomächte Rußland und China dafür ausgesprochen, die Anwendung von militärischer Gewalt zu vermeiden. Alle Beteiligten sollten ihre Differenzen mit friedlichen Mitteln, durch Verhandlungen und Dialog lösen. Unterdessen rief UN-Generalsekretär Ban Ki Moon auf einer internationalen Konferenz in Kairo dazu auf, den Konflikt in einem »politischen Prozeß« zu lösen, »damit das libysche Volk seine Erwartungen erreichen kann«. Vordringlich sei jetzt eine sofortige Waffenruhe. An dem Treffen in Ägypten nahmen unter anderem die Arabische Liga und die Afrikanische Union teil, die den libyschen Bürgerkriegsgegnern in den vergangenen Tagen einen Friedensplan vorgestellt hatte. Während die Regierung in Tripolis diesem zustimmte, wurde er von den vom Westen unterstützten »Rebellen« ohne Einschränkung zurückgewiesen.

Die Staats- und Regierungschefs Rußlands, Chinas und der drei anderen zur sogenannten BRICS-Gruppe gehörenden Staaten Indien, Brasilien und Südafrika hatten sich am Donnerstag in Sanya auf der südchinesischen Insel Hainan getroffen. Die Gruppe repräsentiert insgesamt rund drei Milliarden Menschen. Alle fünf BRICS-Länder sind derzeit im UN-Sicherheitsrat vertreten. Bei der Abstimmung über die Libyen-Resolution 1973 hatte am 17. März nur Südafrika zugestimmt, während sich die anderen vier enthalten hatten. Inzwischen hat aber auch der südafrikanische Präsident Jacob Zuma am Wochenende bei einem Besuch in der libyschen Hauptstadt die NATO aufgefordert, ihre Luftangriffe einzustellen. In der Abschlußerklärung des gestrigen Treffens wurde ausdrücklich die von der NATO und den libyschen »Rebellen« abgelehnte Friedensinitiative der Afrikanischen Union begrüßt und unterstützt.

Noch deutlichere Worte fand der russische Präsident Dmitri Medwedew nach dem Gipfeltreffen in Sanya. »Wir gehen davon aus, daß die Resolutionen des UN-Sicherheitsrats in Übereinstimmung mit ihren Worten und ihrem Geist umgesetzt werden müssen, aber nicht aufgrund willkürlicher Interpretationen, die von einigen Staaten vorgenommen wurden.« Die Intention der Libyen-Resolution sei gewesen, eine weitere Eskalation des Konflikts zu verhindern. Statt dessen habe man eine internationale Militäroperation der NATO bekommen, von der aber nichts in der Entschließung des Sicherheitsrats stehe.

Gleichzeitig setzte die NATO auf einer Außenministerkonferenz in Berlin ihre Vorbereitungen für eine Kriegsausweitung auf libyschen Boden fort. Das einzige, was dem westlichen Militärbündnis für einen als »humanitäre Hilfe« deklarierten Truppeneinmarsch in das nordafrikanische Land noch fehlt, ist eine förmliche Aufforderung durch die UNO. Genauer gesagt: durch deren Büro für die Koordination humanitärer Angelegenheiten, OCHA. Aber dieser »Hilferuf« scheint nicht zu kommen. Die Chefaußenpolitikerin der EU, Catherine Ashton, hatte deshalb mit einem Brief an Ban Ki Moon Druck zu machen versucht. Mittlerweile traf bei Ashton eine klar abschlägige Antwort der zuständigen UN-Vertreterin Valerie Amos ein: Die Weltorganisation sei an dieser Sorte »Hilfe« nicht interessiert. »Wir dürfen unsere Fähigkeit, allen bedürftigen Menschen Hilfe zukommen zu lassen, nicht dadurch beeinträchtigen, daß wir mit laufenden militärischen Operationen in Verbindung gebracht werden.«

* Aus: junge Welt, 15. April 2011


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