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Patrouille vor libanesischer Küste

Deutsches militärisches Engagement im Libanon geht über UNIFIL-Einsatz hinaus

Von Karin Leukefeld *

Der Bundeswehr-Einsatz vor der Küste des Libanon soll nach dem Willen der Bundesregierung bis zum 15. Dezember 2009 verlängert werden. Gegenwärtig kontrollieren im Rahmen der UN-Mission UNIFIL im Südlibanon nach offiziellen Angaben 230 deutsche Marinesoldaten auf rund 5 000 Quadrat­seemeilen den Seeverkehr vor der libanesischen Küste auf mögliche Waffenlieferungen. Drei deutsche Boote sind dabei im Flottenverband EUROMARFOR gemäß der UN-Resolution 1701 im Einsatz. Weit über 10000 Schiffe wurden seit Beginn der Mission Ende 2006 kontrolliert, außer Schmuggelware wurde nichts gefunden.

Das deutsche militärische Engagement im Libanon geht über den UNIFIL-Einsatz allerdings hinaus, wie einem Gespräch des deutschen Marineoffiziers Clemens Jorek mit der libanesischen Tageszeitung The Daily Star am vergangenen Montag zu entnehmen war. Seit Ende 2006 gebe es eine enge deutsch-libanesische Zusammenarbeit, im Rahmen derer die logistischen Möglichkeiten der libanesischen Marine gestärkt würden, sagte Jorek. Dafür schickte die Bundesregierung drei weitere Patrouillenboote in den Libanon, die früher als Bremen 2, Bremen 9 und Bergen in der Ostsee deutsche Grenzen kontrollierten. Heute unternehmen sie unter den Namen Amchit, Naqoura und Tabarja Kontrollfahrten entlang der libanesischen Küste, unbewaffnet natürlich. Denn Deutschland liefere keine Waffen in Krisengebiete, sagte der Marineoffizier Jorek dem libanesischen Reporter. Darüber hinaus werden libanesische Marineoffiziere und andere Soldaten in Deutschland ausgebildet, um die Boote und die dazugehörige Ausrüstung auch richtig bedienen zu können, so Jorek. Auch Notfallübungen stünden auf dem Ausbildungsplan, für den Fall, daß ein Schiff beschädigt werde. Das Programm werde fortgesetzt, erklärte Jorek weiter, »das libanesische Armeekommando hat uns darum gebeten«. Die materielle Hilfe aus Deutschland beträgt seit dem Ende des Krieges 2006 insgesamt 4,9 Millionen US-Dollar. Mit dem Geld beglich Deutschland unter anderem den Totalschaden, den die israelische Luftwaffe während des Krieges 2006 an sechs Küstenradarstationen der libanesischen Armee zwischen Tyros und Tripoli verursacht hatte. Mit deutscher Hilfe wurden die Radarstationen wieder aufgebaut, seien allerdings nur zu rein zivilen Zwecken einsetzbar, wie Jorek erläuterte. Sie funktionierten wie der Tower eines Flughafens.

So konnten die Radarstationen denn am vergangenen Wochenende auch erfassen, daß sechs israelische Kampfjets unter Mißachtung der UN-Resolution 1701 in den südlibanesischen Luftraum eindrangen. Zu Abwehrmaßnahmen ist das Radarwarnsystem der libanesischen Armee allerdings nicht in der Lage und die Bewohner von Tyros und dem Umland mußten zusehen, wie die israelischen Kampfjets in niedriger Höhe eine Stunde lang über libanesischem Territorium kreisten, zweimal die Schallmauer durchbrachen und sowohl der libanesischen Armee als auch den UNIFIL-Truppen deren Machtlosigkeit demonstrierten. Ziel des Überflugs, der kein Einzelfall ist, dürfte die Hisbollah gewesen sein. Die verfügt vermutlich über entsprechende Abwehrraketen, ließ sich aber durch den Überflug nicht provozieren.

* Aus: junge Welt, 10. August 2008


UN-Truppen in Libanon hilflos

Israelische Provokationen müssen hingenommen werden

Von Karin Leukefeld **


Wozu sind deutsche Marine-Einheiten vor der Küste Libanons im Einsatz? Anlässlich der Verlängerung ihres Mandats um weitere 15 Monate ist die Frage besonders aktuell.

Als vor einer Woche sechs israelische Kampfjets eine Stunde lang Südlibanon überflogen, sahen die Soldaten der UNIFIL-Einsatztruppen ebenso hilflos zu wie die libanesische Armee. Während die UNIFIL-Truppen Waffen nur zum eigenen Schutz einsetzen dürfen, bleibt die libanesische Armee gegenüber dem waffenstarrenden Israel ein zahnloser Tiger. Vermutlich hätte nur die Hisbollah die technischen Möglichkeiten gehabt, die Maschinen abzuwehren, doch gerade das soll durch den Mittelmeereinsatz der deutschen Marine, der gestern von der Bundesregierung um weitere 15 Monate verlängert wurde, verhindert werden.

Dabei geht es laut offizieller Darstellung um die Verhinderung illegalen Waffenschmuggels an die Hisbollah. Allerdings wurden bei der Kontrolle von mehr als 10 000 Schiffen und Booten vor der libanesischen Küste bisher nur geschmuggelte Zigaretten, aber keine Waffen gefunden. Neben dem Marineeinsatz im Rahmen der UNIFIL wurde die militärische Zusammenarbeit zwischen Deutschland und Libanon seit Ende 2006 ausgebaut. Etwa 4,9 Millionen US-Dollar steckte die Bundesregierung in die Ausbildung libanesischer Offiziere, die Ausrüstung und den Wiederaufbau militärischer Infrastruktur. Da berichtete am Montag die libanesischen Zeitung »The Daily Star«. »Die Zusammenarbeit ist sehr eng«, erklärte der deutsche Marineoffizier Clemens Jorek der Zeitung. Man diskutiere, was Libanon brauche und »wie wir am besten helfen können. Es ist aber nicht unsere Aufgabe, den Libanesen zu sagen, was am besten für sie ist.«

Drei ausgemusterte Patrouillenschiffe hat die Bundesregierung Libanon geschenkt. Sie kreuzen heute vor der libanesischen Küste. Die libanesische Besatzung sei in Deutschland ausgebildet worden, berichtete Jorek. Die Boote verfügten über die notwendige technische Ausrüstung, Waffen seien allerdings nicht an Bord, denn die deutsche Außenpolitik verbiete Waffenlieferungen in Kriegsund Krisengebiete.

Mit deutschem Geld und technischer Hilfe wurden auch sechs Radarstationen zwischen Tyros und Tripolis wieder aufgebaut, die von der israelischen Luftwaffe im Krieg 2006 zerstört worden waren. Sie könnten nun wieder Bewegungen auf See registrieren und funktionierten wie »der Tower auf einem Flughafen«, erläuterte Jorek.

Die sechs israelischen Kampfjets dürften von der neuen Radarstation in Tyros auch registriert worden sein, doch fehlt es der libanesischen Armee an Möglichkeiten, sich gegen einen feindlichen Übergriff zu wehren. Mehrmals seien die Jets im Tiefflug über der südlibanesischen Stadt Tyros gekreist, erklärten Augenzeugen gegenüber der Nachrichtenagentur AFP. Zweimal hätten sie die Schallmauer durchbrochen. In Erinnerung an die israelischen Luftangriffe während des Krieges 2006 seien die Menschen in panischer Angst vom Markt in der Innenstadt geflohen.

Seit die Hisbollah der Regierung der Nationalen Einheit in Beirut angehört, haben die Kriegsdrohungen aus Israel derart an Schärfe zugenommen, dass Hisbollahführer Hassan Nasrallah kürzlich drohte, man werde »Israel zerstören«, sollte es Libanon angreifen. Der provokative Überflug israelischer Kampfjets ist kein Einzelfall. Nach UNIFIL-Angaben werden täglich bis zu 30 Überflüge durch Jets und Drohnen registriert, das sei eine klare Verletzung der Resolution 1701 des UN-Sicherheitsrates. Zudem würden die Überflüge die Glaubwürdigkeit der UNFriedenstruppen in Südlibanon untergraben und alle Bemühungen unterlaufen, die Region zu stabilisieren.

** Aus: Neues Deutschland, 10. September 2008


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