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Südamerika hat reichlich Grund zur Sorge

Von Garry Leech *

Dokument der US-Armee beweist: Militärabkommen mit Kolumbien stellt ernsthafte Bedrohung für die Region dar. Militäroperationen gegen jedwedes Ziel in der Region gestattet.



Im Folgenden dokumentieren wir einen Text (deutsch und englisch), der die Hintergründe der Spannungen zwischen Kolumbien und Venezuela und der konfliktverschärfenden Präsenz von US-Militär in der Region beleuchtet.

Mehrere Staatschefs in Südamerika haben öffentlich ihre Befürchtungen über das kürzlich unterschiebene Abkommen zwischen den USA und Kolumbien ausgedrückt. Das Dokument stelle eine Bedrohung für die linksgerichteten Länder Südamerikas dar, erklärten diverse Staatschefs, insbesondere der venezolanische Präsident Hugo Chávez, aber auch Brasiliens Luiz Inácio "Lula" da Silva oder Evo Morales aus Bolivien. Es verschafft den USA einen langfristigen Zugang zu sieben Militärbasen auf dem Territorium seines engsten Verbündeten in Lateinamerika.

Der kürzlich veröffentlichte Text des Militärabkommens und ein damit zusammenhängendes Dokument des Pentagon beweisen, dass die Befürchtungen von Chávez und anderer südamerikanischer Staatschefs keinesfalls Paranoia sind. Die Ziele des US-Militärs gehen über die Grenzen Kolumbiens hinaus - das machen die Dokumente deutlich: dort heißt es, "die Luftwaffenbasis Palanquero bietet die Möglichkeit, umfangreiche Operationen in Südamerika durchzuführen".

Laut dem Abkommen ist eine verstärkte Zusammenarbeit zwischen den USA und Kolumbien essentiell "um die gemeinsamen Bedrohungen des Friedens, der Stabilität, der Freiheit und der Demokratie anzugehen". Die Obama-Regierung hat die Befürchtungen der südamerikanischen Staatschefs wiederholt zurückgewiesen und behauptet, das für 10 Jahre geltende Abkommen zwischen den beiden Ländern erlaube nur US-Militäroperationen innerhalb Kolumbiens zur Erreichung der oben genannten Ziele, und stelle keine Bedrohung für angrenzende Staaten dar.

"Es geht hier um die bilaterale Zusammenarbeit zwischen den USA und Kolumbien im Hinblick auf Sicherheitsfragen innerhalb Kolumbiens", erklärte US-Außenministerin Hillary Clinton. Der kolumbianische Außenminister Jaime Bermúdez verkündete: "Einige Drittstaaten haben ihre Bedenken bezüglich des Abkommens geäußert. Wir haben immer gesagt, dass dieses Abkommen ausschließlich für Kolumbien gilt." Doch an keiner Stelle in dem Abkommen ist vermerkt, dass sich die Operationen des US-Militärs ausgehend von den kolumbianischen Basen auf Kolumbien beschränken müssen.

Diese feine Auslassung wird dann entscheidend, wenn man sie in Verbindung zu einem Dokument des Pentagons stellt. In dem Haushaltsvorschlag für den Militäretat im Haushaltsjahr 2010, das dem Kongress im Mai 2009 vorgelegt wurde, beantragte die US-Luftwaffe 46 Millionen US-Dollar zur Finanzierung der Nachrüstung der Palanquero Luftwaffenbasis - die größte überlassene Basis innerhalb des Abkommens.

Wie das Dokument verdeutlicht, gehen die Absichten des US-Militärs zur Nutzung der kolumbianischen Basen weit über die Grenzen Kolumbiens hinaus, bis hin zu denjenigen Ländern Südamerikas, die als Bedrohung der US-Interessen gelten. Laut der US-Luftwaffe bietet die Luftwaffenbasis Palanquero "eine einmalige Gelegenheit, umfassende Operationen in einer kritischen Teilregion unserer Hemisphäre durchzuführen, in der Sicherheit und Stabilität ständig durch Rauschgift-finanzierte Aufstände, Anti-US-Regierungen, vorherrschende Armut und wiederkehrende Naturkatastrophen bedroht sind."

Wie das Dokument verdeutlicht, bedeutet der Ausdruck "umfassende Operationen" (full spectrum operations), dass der kolumbianische Stützpunkt nicht nur als Ausgangsbasis für Drogen- und Terrorbekämpfungsoperationen, sondern für jedwede Form militärischer Operationen in ganz Südamerika genutzt werden kann. Das Dokument betont die Wichtigkeit von Palanquero für regionale US-Interessen, die Basis sei "essentiell, um die US-Mission in Kolumbien und überall im Aufgabengebiet des US-Südkommandos (USSOUTHCOM) zu unterstützen", welches ganz Lateinamerika umfasst.

Weiter legt es fest: "Der Zweck besteht darin, die bestehende Infrastruktur bestmöglich zu unterstützen, die Möglichkeit der USA auf eine schnelle Krisen-Reaktion zu verbessern, sowie mit minimalen Kosten regionalen Zugang und Präsenz zu sichern." Abschließend beschreibt die US-Luftwaffe, dass die Bedeutung der Palanquero Basis über die Durchführung von Drogenbekämpfungsoperationen hinausgeht und warnt den Kongress, dass ein Versäumnis in der Finanzierung der notwendigen Nachrüstungen " die Möglichkeiten des USSOUTHCOM, die Strategie der Globalen Verteidigungshaltung (Global Defense Posture, GDP) zu unterstützen, massiv einschränken wird". USSOUTHCOM hätte nur vier andere Cooperative Security Locations (kleinste Stufe eines US-Militärstützpunktes im Ausland, d.Red.) zur Verfügung, die auf Luftoperationen zur Drogenbekämpfung beschränkt sind und zwei weitere, die - obwohl ohne Einschränkung des Wirkungsgebietes - zu weit weg sind, um Anforderungen in dem Verantwortungsgebiet Rechnung zu tragen.

In Übereinstimmung mit den von der US-Luftwaffe dargestellten Zielen in der Region, bestätigt der Text des Militärabkommens klar, dass US-Militäroperationen nicht darauf beschränkt sein werden, Drogenbekämpfungsoperationen zu unterstützen, wie im Fall des abgelaufenen Abkommens mit Ecuador über die Nutzung des Manta-Luftwaffenstützpunktes und aktuellen Abkommen mit mittelamerikanischen und karibischen Staaten. Das Ziel des Militärabkommens sei "die vertiefte Zusammenarbeit in Drogen- und Terrorbekämpfung, neben anderen Aufgaben", heißt es in diesem. Ferner werde Palanquero "die Möglichkeit zur gemeinschaftlichen Nutzung durch die US-Armee, Luftwaffe, Marine, und Ressortübergreifenden Nutzung von Flugzeugen und Personal bieten", so die US-Luftwaffe.

Folglich beschränkt das Militärabkommen die Aktivitäten des US-Militärs weder auf das Territorium Kolumbiens, noch auf Drogen- und Terror-Bekämpfungsoperationen. Mit anderen Worten: das US-Militär kann die kolumbianischen Stützpunkte dafür nutzen, jedwede Art von Militäroperation gegen jedes Ziel in Südamerika zu starten. In seiner Kongressvorlage machte die US-Luftwaffe die Bedeutung Kolumbiens größter Luftwaffenbasis deutlich. Mit dieser könnten die Ziele des US-Militärs überall in Südamerika erreichen werden, einschließlich "die Bedrohung durch Anti-US-Regierungen" zu bewältigen.

Offensichtlich haben die Länder Südamerikas, insbesondere Venezuela und Bolivien, reichlich Grund zur Sorge.

Garry Leech ist US-amerikanischer Journalist und Kolumbien-Experte. Er betreibt das Informationsportal Colombiajournal.org und ist Autor des Buches "Beyond Bogotá - Diary of a Drug War Journalist in Colombia".

(Übersetzung: Regina)

Original: Colombia Journal (06.11.2009), amerika21.de

* Aus: Internet-Portal Amerika21.de, 10. November 2009; www.amerika21.de



U.S. Military Documents Show Colombia Base Agreement Poses Threat to Region

by Garry Leech **

Leaders in South America have publicly expressed their concerns regarding the recently-signed agreement between the U.S. and Colombian governments that provides the U.S. military with long-term access to seven bases in the territory of its closest Latin American ally. Some leaders, Venezuela's President Hugo Chávez in particular, have claimed that the agreement poses a threat to left-leaning South American nations. The recently released text of the base agreement and a related U.S. military document confirm that the fears of Chávez and other South American leaders are not mere paranoia. The documents make evident that U.S. military objectives extend beyond Colombia's borders, stating that the Palenquero Air Base "provides an opportunity for conducting full spectrum operations throughout South America."

According to the agreement, increased cooperation between the United States and Colombia is crucial "in order to address common threats to peace, stability, freedom, and democracy." The Obama administration has repeatedly rejected the concerns of South American leaders by claiming that the ten-year cooperation agreement between the two countries only permits U.S. military operations to be conducted in Colombia in order to achieve these objectives and that it poses no threat to neighboring nations. "This is about the bilateral co-operation between the United States and Colombia regarding security matters within Colombia," explained U.S. Secretary of State Hillary Clinton. Meanwhile, Colombia's Foreign Minister Jaime Bermudez declared, "Some third countries have expressed some concern regarding the agreement. We have always said that this agreement applies exclusively to Colombia." But nowhere in the agreement does it actually state that U.S. military operations launched from the Colombian bases are to be restricted to Colombia.

This subtle omission in the text of the agreement is crucial when taken in conjunction with another U.S. military document. In its Fiscal Year 2010 Military Construction Program budget estimate, submitted to Congress in May 2009, the U.S. Air Force requested $46 million in funding to upgrade Colombia's Palenquero Air Base, the largest base covered under the cooperation agreement. This document makes clear that U.S. military objectives related to the use of the Colombian bases extend far beyond Colombia's borders to those South American countries viewed as posing threats to U.S. interests.

According to the U.S. Air Force, the Palenquero base "provides a unique opportunity for full spectrum operations in a critical sub region of our hemisphere where security and stability is under constant threat from narcotics funded insurgencies, anti-US governments, endemic poverty and recurring natural disasters." The term "full spectrum operations," as the document makes clear, means that the Colombian base can be used as a launching pad not only for counter-narcotics and counter-terrorism operations, but for any form of military operation anywhere in South America.

The document reiterates the importance of Palenquero to U.S. regional interests by stating that the air base "is essential for supporting the U.S. mission in Columbia [sic] and throughout the United States Southern Command (USSOUTHCOM) Area of Responsibility (AOR)," which constitutes all of Latin America. It goes on to state: "The intent is to leverage existing infrastructure to the maximum extent possible, improve the U.S. ability to respond rapidly to crisis, and assure regional access and presence at minimum cost."

The U.S. Air Force concludes by making clear that the importance of the Palenquero base goes beyond being able to conduct counter-narcotics operations and warns Congress that a failure to fund the required upgrades to the existing facilities "will severely limit the ability of USSOUTHCOM to support the U.S. Global Defense Posture (GDP) Strategy" and limit "USSOUTHCOM to four other CSLs [Cooperative Security Locations] which are restricted to supporting aerial counter narcotics missions only and two other locations that, while not mission restricted, are too distant to accommodate mission requirements in the AOR."

In accordance with the U.S. Air Force's stated objectives in the region, the text of the U.S.-Colombia base agreement clearly affirms that U.S. military operations will not be restricted to supporting counter-narcotics missions, as was the case with the expired agreement with Ecuador for the use of the Manta Air Base and current accords with several Central American and Caribbean nations. According to the U.S.-Colombia base agreement, its objective is "the deepened cooperation in counter-narcotics and counter-terrorism, among other things." Furthermore, according to the U.S. Air Force, "Palenquero will provide joint use capability to the U.S. Army, Air Force, Marines, and U.S. Interagency aircraft and personnel."

In conclusion, the U.S.-Colombia base agreement does not restrict U.S. military activities to the territory of Colombia nor does it limit them to counter-narcotics and counter-terrorism operations. In other words, the U.S. military can use the Colombian bases to launch any type of military operation it wants against any target anywhere in South America. And in its report to Congress, the U.S. Air Force made evident the importance of Colombia's largest air base to achieving U.S. military objectives throughout South America, including managing the threat posed by "anti-US governments." Clearly, South American nations, particularly Venezuela and Bolivia, have ample reason to be concerned.

Friday, 06 November 2009

** Source: Colombia Journal; http://upsidedownworld.org


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