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Magere Resultate

Bislang verhinderte die Bundesrepublik bessere Beziehungen zwischen EU und Kuba. Auch nach dem Besuch des deutschen Außenministers in Havanna ist offen, ob sich das ändert

Von Volker Hermsdorf *

Kuba/USA:Erste Phase beendet

Havanna und Washington unterhalten wieder diplomatischen Beziehungen. Seit 00.01 Uhr (Ortszeit) am heutigen Montag haben die »ständigen Interessenvertretungen« der beiden Länder erneut den Status offizieller Botschaften. Als erster kubanischer Außenminister seit 1959 ist Bruno Rodríguez an der Spitze einer 28köpfigen Delegation in die Hauptstadt der USA gereist, um die kubanische Fahne in einer feierlichen Zeremonie nach 54 Jahren wieder vor dem traditionellen Botschaftssitz in der 16. Straße zu hissen. Rodríguez wird von Politikern, Diplomaten, Künstlern sowie Vertretern gesellschaftlicher Einrichtungen, Organisationen und Gruppen begleitet. Nach einem Festakt mit 500 geladenen Gästen im Gebäude der Botschaft wird der Chefdiplomat aus Havanna von seinem Amtskollegen John Kerry im US-Außenministerium zu einem Gespräch empfangen. Nach dem einseitigen Abbruch der Beziehungen durch die USA im Jahr 1961 hatte zwischen beiden Regierungen zunächst 16 Jahre lang absolute Funkstille geherrscht. Erst 1977 vereinbarten US-Präsident Jimmy Carter und Fidel Castro die Einrichtung »ständiger Interessenvertretungen«.

In Havanna wird die US-Botschaft am Malecón zeitgleich, aber zunächst ohne offiziellen Festakt eingeweiht. Er soll nach Auskunft eines Beamten des Washingtoner State Department gegenüber Journalisten »demnächst« in Anwesenheit von Kerry stattfinden. Das berichtete Prensa Latina am Sonntag.

Mit der Eröffnung von Botschaften, sagte Präsident Raúl Castro in der vergangenen Woche vor dem kubanischen Parlament, werde die erste Phase des Normalisierungsprozesses beendet. Zugleich beginne damit eine neue, lange und schwierige Etappe. Das größte Hindernis dabei sei die von den USA noch immer gegenüber Kuba aufrechterhaltene Wirtschafts-, Handels- und Finanzblockade. Solange sie nicht beendet werde, könne es keine normalen Beziehungen geben. Weitere Knackpunkte sind Kubas Forderungen nach Rückgabe des von den USA besetzten Gebietes in der Bucht von Guantánamo, einer Einstellung der von der US-Regierung finanzierten illegalen Radio- und Fernsehübertragungen, nach Beseitigung der Programme zur Förderung der Subversion und Destabilisierung und Wiedergutmachung für die Schäden, die durch die US-Politik verursacht wurden.



Nach seiner 30stündigen Kuba-Visite, die schon vorab inflationär mit dem Begriff »historisch« aufgewertet worden war, ist Bundesaußenminister Frank-Walter Steinmeier (SPD) am Sonnabend wieder in Berlin gelandet. Obwohl die Ergebnisse den hochgesteckten Erwartungen nicht gerecht wurden, ist die Reise doch ein Signal. Offenbar sucht der deutsche Chefdiplomat nicht nur bessere Kontakte zu Havanna, sondern ist auch bereit, die Bremserrolle der Bundesrepublik bei den Verhandlungen über eine Normalisierung der Beziehungen zwischen der EU und Kuba aufzugeben. Ob Steinmeier sich damit durchsetzen oder vom Koalitionspartner CDU/CSU ausgebremst werden wird, ist derzeit allerdings noch offen.

Außer gutem Willen und aus informativen Gesprächen gewonnenen Erkenntnissen hat der Außenminister nicht gerade viel von der sozialistischen Karibikinsel mitgebracht. Immerhin haben die Vertreter der beiden Länder am Donnerstag zwei Rahmenabkommen unterzeichnet, die einen Auf- und Ausbau der politischen, kulturellen und wirtschaftlichen Zusammenarbeit ermöglichen sollen. Kulturschaffende hoffen, dass auf deren Basis endlich der Abschluss eines bereits seit Jahren angestrebten Kulturabkommens erfolgen kann. Auch von der Eröffnung eines Goethe-Instituts in Havanna ist die Rede, und bundesdeutsche Unternehmer machen sich für ein Kontaktbüro in Kuba stark, das Handel und Investitionen erleichtern soll. In einem knapp zweistündigen Gespräch mit Steinmeier, das im Gebäude des Zentralkomitees der Kommunistischen Partei stattfand, unterstrich Präsident Raúl Castro Kubas Interesse an besseren Beziehungen zur Bundesrepublik. Deutsches Know-how sei auf der Insel auch als Gegengewicht zu den erwarteten Avancen aus den USA hochwillkommen. Gefragt sind besonders die Erfahrungen bei der Erneuerung der Infrastruktur, in der Medizintechnik und der Energiegewinnung, aber auch Kooperationen im Bergbau und der Nahrungsmittelindustrie.

Auch an einem offenen Dialog über Menschenrechte, sofern er auf Augenhöhe und unter Respektierung der Souveränität beider Beteiligter stattfindet, ist Kuba durchaus interessiert. Nicht akzeptiert werden jedoch die Einmischung in innere Angelegenheiten, die Unterstützung von militanten Verfassungsfeinden oder einseitige Belehrungen durch Vertreter eines Landes, dem Menschenrechtsorganisationen Diskriminierung von Minderheiten, Rassismus und menschenverachtenden Umgang mit Flüchtlingen attestieren. Die dezent plazierte, aber erkennbare Botschaft Kubas an die deutsche Politik und Wirtschaft lautet: Wer bessere politische, kulturelle und wirtschaftliche Beziehungen und eine gleichberechtigte Partnerschaft anstrebt, wird mit offenen Armen willkommen geheißen. Wer aber weiterhin vor allem einen Systemwechsel forcieren will, beißt auf Granit und wird scheitern.

Doch genau dies scheinen einige kalte Krieger anzustreben. Obwohl die Vertreter der vier Bundestagsfraktionen wegen einer kurzfristig verhängten Reisesperre nicht mitgenommen worden waren, äußerten sich deren Obmänner im Auswärtigen Ausschuss. Eindeutig positiv positionierte sich nur Wolfgang Gehrcke (Die Linke). »Die Kubaner werden sich nicht ausplündern lassen«, gab er sich optimistisch und meinte in Richtung des ihm persönlich bekannten Fidel Castro: »Danke, dass es die Insel der Freiheit gibt.« Niels Annen (SPD) lobte als Sozialdemokrat artig die Reise seines Parteifreundes, verwies in bezug auf Kuba dann aber pflichtgemäß auf »Differenzen bei Fragen der Menschenrechte«. Auch der Grüne Omid Nouripour betonte vor allem seine Sorge um »die Menschenrechte auf Kuba« und sagte: »Ich hoffe hier auf Wandel durch Annäherung.« Richtigen Gegenwind erhielt Steinmeier vom Vertreter seiner Koalitionspartner. »In Kuba ist gar nichts gut«, stänkerte Roderich Kiesewetter (CDU/CSU) im Deutschlandfunk und offenbarte dann seine Erwartungen an die bundesdeutsche Kuba-Politik: »Kuba ist vor dem Zerfall, und bevor Kuba endgültig dem Chaos anheimfällt, (...) ist es ein sehr gutes Zeichen, doch mitzuhelfen, dass dieses Land eine neue Perspektive bekommt.«

* Aus: junge Welt, Montag, 20. Juli 2015


»Pressekonferenzen unüblich«

Kubanische Tatsachen spielen für deutsche Medien eine geringe Rolle

Von Volker Hermsdorf **


Eine ganze Armada vom Auswärtigen Amt sorgfältig ausgewählter Journalisten durfte Frank-Walter Steinmeier auf seinem Flug nach Havanna begleiten, um sich dort selbst ein Bild zu machen. Trotz dieser Möglichkeit verbreiteten einige bundesdeutsche Leitmedien offenbar gezielt falsche Behauptungen über das Gastgeberland. Stichwortgeber waren dabei auch einschlägig bekannte Gruppen wie die »Internationale Gesellschaft für Menschenrechte« (IGFM) oder »Reporter ohne Grenzen« (RSF).

Die erste Fehlinformation veröffentlichten nahezu alle Agenturen bereits am Tag der Abreise. Sie zitierten Steinmeiers Pressesprecher Martin Schäfer mit der Aussage, ein Treffen mit »den Castros« sei nicht vorgesehen. Tatsächlich hatte Schäfer am Mittwoch in Berlin gesagt, dass sein Chef vermutlich nicht von Revolutionsführer Fidel Castro empfangen werde. Das Gespräch mit Präsident Raúl Castro war für diejenigen, die der Agenturente aufgesessen waren, dann eine Überraschung.

Für die Frankfurter Allgemeine Zeitung (FAZ) berichtete am Donnerstag deren Hauptstadtkorrespondent Majid Sattar unter der Ortsangabe Berlin über den ersten Tag Steinmeiers in Havanna und bedauerte, dass der Gast keine »prominenten Regimekritiker« treffe. Außerdem erfuhren die FAZ-Leser von ihm: »Auch die Möglichkeit, sich an der Seite der Kubaner öffentlich zu äußern, wird es wohantonio rodilesantonio rodileslantonio rodiles nicht geben: Pressekonferenzen gelten auf der sozialistischen Karibikinsel als unüblich.« Jeder, der als Journalist in Havanna tätig war, weiß, dass dort Dutzende kubanische und ausländische Kollegen von einer Pressekonferenz zur nächsten eilen und trotzdem oft nicht alle Termine schaffen. Tatsachen und journalistische Standards hatten im Zusammenhang mit der Kuba-Reise des Bundesaußenministers bei der FAZ ohnehin untergeordneten Stellenwert. So veröffentlichte das Blatt vorab am 7. Juli – ohne Überprüfung der Fakten – ein Telefoninterview mit Systemgegner Antonio Rodiles, der vorgab, von »der kubanischen Staatssicherheit« verprügelt worden zu sein. Die Zeitung verschwieg jedoch, vermutlich aus gutem Grund, die Quelle ihrer Information. Sie besteht allein aus einer am 6. Juli in Frankfurt am Main veröffentlichten Mitteilung der rechtslastigen IGFM. Dort wird unter anderem auch behauptet, dass in Kuba, »vom Parteiorgan abgesehen, (…) alle Tageszeitungen verboten« seien.

Für Springers Bild durfte deren Redakteur Rolf Kleine im Tross des Außenministers mitreisen. Der Autor beschrieb am 16. Juli (laut Bild zu diesem Zeitpunkt noch »unterwegs nach Havanna«) bereits die Probleme der Telekommunikation in Kuba: »Telefon geht – SMS manchmal auch. Und Schluss. Wer mobil im Internet surfen will, der wird sich wundern: Der Aufruf zum Beispiel einer Seite wie der von Bild kostet zwischen 40 und 50 Dollar.« Kuba-Besucher wissen, dass dies gelogen ist. Das Blatt spekuliert darauf, dass die meisten seiner Millionen Leser nicht die Möglichkeit haben, sich auf Kuba selbst zu informieren. Tatsächlich gibt es Schwierigkeiten mit dem Internet auf der Insel. Einen der Gründe dafür benannte US-Präsident Barack Obama in seiner Rede am 17. Dezember 2014 mit den Worten: »Bedauerlicherweise haben unsere Sanktionen dazu geführt, dass wir den Kubanern den Zugang zu Technologien unmöglich machten, von denen sonst alle rund um den Globus profitieren.« Wie die Mehrzahl der bundesdeutschen Medien verschweigt das Boulevardblatt diesen Hintergrund und präsentierte eine – zwar falsche –, aber besser ins antikommunistische Weltbild passende Erklärung. »Generell stößt alles, was funkt, sendet und empfängt auf das Misstrauen der Führung in Havanna – die alten Herren stehen mit dem ›Neuland‹ tatsächlich auf Kriegsfuß«, fabulierte der Autor bereits auf dem Weg nach Havanna. Die Quelle seines Wissens verrät der Bild-Redakteur nicht. Es ist jedoch auffällig, dass die auch von der US-Agentur »National Endowment for Democracy« (NED) und kubanischen Contragruppen finanzierte Organisation »Reporter ohne Grenzen« am gleichen Tag eine Pressemitteilung veröffentlichte, in der es heißt: »Der Zugang zum Internet wird scharf kontrolliert und ist für die meisten Kubaner unerschwinglich.« Exakt die von Bild verbreitete Botschaft.

** Aus: junge Welt, Montag, 20. Juli 2015




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