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Kubas Flagge weht wieder in Washington ...

... die Blockade bleibt *

Nach mehr als 50 Jahren Blockade durch den Westen hat Kuba wieder volle diplomatische Beziehungen mit den USA aufgenommen. Die Interessenvertretungen der beiden Staaten im jeweils anderen Land bekamen am Montag wieder offiziell den Status von Botschaften. Die kubanische Flagge wurde bereits an dem Gebäude gehisst, in dem seit 1977 die Interessenvertretung des Landes untergebracht war (Foto). Zur Wiedereröffnung der Botschaft reiste Kubas Außenminister Bruno Rodríguez nach Washington – es ist der erste offizielle Besuch eines kubanischen Außenministers in den USA seit der Revolution 1959. Die US-Vertretung in Havanna steht seit Montag ebenfalls wieder im Rang einer Botschaft, eine Zeremonie gab es dort allerdings nicht. Auch die Fahne der Vereinigten Staaten weht zunächst nicht an dem Gebäude. Sie soll erst bei einem Besuch von US-Außenminister John Kerry in der kubanischen Hauptstadt in einigen Wochen aufgezogen werden. Kubas Präsident Raúl Castro und der US-amerikanische Staatschef Barack Obama hatten im Dezember eine Annäherung zwischen den beiden Ländern eingeleitet. Kuba dringt auf eine Aufhebung der dem Land 1962 aufgezwungenen Blockade. Das Ende des einseitigen Wirtschaftskriegs verhindern jedoch die Republikaner im US-Kongress, die dort die Mehrheit haben.

* Aus: junge Welt, Dienstag, 21. Juli 2015


»Die USA verfolgen immer noch die gleichen Ziele«

Kuba kämpft im Medienbereich um Hegemonie. Das Internet spielt dabei eine wichtige Rolle **

Iroel Eri Sánchez Espinosa ist Journalist und Leiter des kubanischen Verlags »Abril« . Er beschäftigt sich schwerpunktmäßig mit der Nutzung des Internets und neuer Medien in Kuba und verfügt über einen eigenen Blog, »La pupila insomne«.

Wie wird sich der US-amerikanische Einfluss auf die kubanische Medienlandschaft angesichts der Normalisierung der Beziehungen entwickeln?

Das wird weiterhin eine scharfe Auseinandersetzung sein. In den 90er Jahren haben die Vereinigten Staaten versucht, das Modell aus Osteuropa auf Kuba zu übertragen, um subversiv tätig zu werden. Das hat in den gesamten 25 Jahren nicht funktioniert. Jetzt haben sie das Modell geändert, verfolgen aber die gleichen Ziele. Die weltweiten Mainstreammedien haben mit Bezug auf Kuba die gleiche Agenda: Es soll sich dem Kapitalismus und der bürgerlichen Demokratie zuwenden. Angesichts dieser Hegemonie ist es logisch, dass Washington denkt, unser Land durch die Medien verändern zu können – vor allem über das Internet. Das stellt eine Herausforderung für die kubanische Presse dar.

Wie kann diese den neuen Schwierigkeiten begegnen?

Wir sind bereits wichtige Schritte gegangen, dennoch haben wir noch keine Hegemonie erreicht. Das Land braucht eine entsprechende Kommunikationspolitik und eine größere Anerkennung professioneller Journalisten. Die Medien müssen sich stärker an junge Menschen richten, auch was die Inhalte betrifft. Bedürfnisse nach Information, die nicht von kubanischer Seite erfüllt werden, werden von den Vereinigten Staaten aufgegriffen. Das Programm muss also auf die Interessen der Bevölkerung abgestimmt sein. Das trifft auch auf das Internet zu, auf die sozialen Netzwerke.

Welche Rolle spielen digitale Medien in Kuba?

Es hat eine Entwicklung der digitalen Kommunikationsräume gegeben. Lange wurde das Internet vorwiegend von der Regierung der Vereinigten Staaten zur Einflussnahme genutzt. Das passiert immer noch, die USA haben dafür ein nicht gerade geringes Budget festgelegt. Die kubanischen Medien haben aber inzwischen ihre Onlinepräsenz verbessert. Es gibt einige Leitmedien wie Cubadebate. Vermehrt richten sich auch Journalisten und Intellektuelle eigene Blogs ein. Traditionelle Formen mit weniger Internetpräsenz, etwa das Fernsehen, nehmen dennoch viel Raum ein.

Wie relevant sind die Blogs für die politischen Debatten im Land?

Sie schließen eine Lücke, die die traditionellen Medien nicht ausfüllen. Viele sehen sich die Blogs zwar nicht direkt an, kennen aber dennoch die Inhalte, beispielsweise über Mailwechsel. Die Diskussionen sind dadurch belebt worden, es wurden wichtige Themen in der kubanischen Gesellschaft angesprochen und verschiedene Sichtweisen auf Probleme vermittelt. Angesichts des eingeschränkten Internetzugangs haben sie dennoch nicht die größten Bedeutung.

Soll dieser weiter ausgebaut werden?

Das ist ausdrücklicher Wunsch der kubanischen Regierung. Grund für die bisherigen Einschränkungen ist die Blockade. Die USA haben uns bisher etwa die Nutzung ihrer Unterseekabel untersagt. Der Zugang war deshalb stark auf Universitäten und Wissenschaftszentren konzentriert. Kürzlich wurden aber landesweit 35 WLAN-Spots eingerichtet und die Preise gesenkt. Diese sind im Verhältnis zum Durchschnittseinkommen immer noch hoch, zukünftig soll die Internetnutzung aber so günstig werden, dass jeder darauf zugreifen kann. Es gibt auch einen Plan zur Digitalisierung der Schulen. Alle Bildungseinrichtungen sollen in den kommenden drei Jahren Internetzugang bekommen.

Und was ist mit den Blockaderichtlinien der USA?

Die USA haben ihre Strategie geändert. In den Blockaderegelungen, die Obama im Januar festgelegt hat, ist die Telekommunikation das einzige, was nicht eingeschränkt ist. Schließlich ist sie ein Mittel, um für den von ihnen angestrebten Wandel zu werben. Es ist allerdings schwer nachvollziehbar, wie sich diese Regel konkret umsetzen lassen soll, denn alles andere bleibt eben weiter eingeschränkt. Kuba darf in diesem Sektor beispielsweise keine US-amerikanischen Güter in deutschen Microsoft-Filialen kaufen, in den Vereinigten Staaten selbst aber angeblich schon. Allerdings wird der kubanischen Regierung dort untersagt, einen Kredit für den Import aufzunehmen oder in Dollar zu handeln. Das macht das Ganze etwas absurd.

Interview: Lena Kreymann

** Aus: junge Welt, Dienstag, 21. Juli 2015


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