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Ein Handschlag wieder ohne Folgen?

Die kurze Begegnung Barack Obamas und Raúl Castros in Johannesburg erregte vor allem in den USA die Gemüter

Von Harald Neuber *

In manchen Kommentaren wurde er »historisch« genannt: der Händedruck zwischen Barack Obama und Raúl Castro während der Trauerfeier für Nelson Mandela in Johannesburg.

Die Republikanische Kongressabgeordnete Ileana Ros-Lethinen war außer sich. »Ekelhaft« sei, was sie am Rande der Trauerfeier für Nelson Mandela habe sehen müssen: Einen »Propaganda-Coup« für die Regierung in Havanna!

Was die rechte Exilkubanerin so erboste, war die wenige Sekunden währende Begegnung Obamas mit seinem kubanischen Kollegen Raúl Castro in Johannesburg. Beide gaben sich die Hand und wechselten ein paar Worte, bevor Obama ans Rednerpult trat. Während einer Anhörung mit Außenminister John Kerry warf die Hardlinerin dem Präsidenten vor, die Systemoppositionellen in Kuba zu »entmutigen«. Über Tage trug der konservative Kampfsender Fox News ähnliche Stimmen von Republikanern und Kubakritikern zusammen. Kerry konterte, so gut er konnte: Obama habe die Redner auf der Tribüne nicht ausgesucht. Im Übrigen sei es eine spontane Begegnung gewesen.

In der kubanischen Presse wurde die Episode nur am Rande erwähnt, in den USA dagegen bestimmte sie teilweise die Berichterstattung über die Trauerfeier für Mandela. Diskutiert wurde, ob und wie weit sich Obama vor Castro verbeugt habe – und wie dies zu deuten sei.

Tatsache ist, dass es seit Obamas Amtsantritt 2009 zu keiner substanziellen Verbesserung der Beziehungen zu Kuba gekommen ist. Auch unter dem 44. Präsidenten der USA hält Washington die Blockade gegen Kuba aufrecht. Dass es sich nicht nur um ein begrenztes Embargo handelt, hat sich in den vergangenen Monaten mehrfach gezeigt. Vor wenigen Tagen erst verhängten die US-Behörden 100 Millionen Dollar Strafe gegen die Royal Bank of Scotland, unter anderem wegen Geschäftskontakten zu Kuba. Vergleichbare Summen mussten Schweizer Banken und Unternehmen zahlen. Der Internetbezahldienst Paypal blockiert auch in Europa Transaktionen, die in den Ruch geraten, sie könnten mit Kuba zu tun haben. Die extraterritoriale Anwendung der US-Blockadegesetze ist zwar illegal, wird kraft der politischen und wirtschaftlichen Hegemonie der USA aber zunehmend durchgesetzt.

Verbesserungen im zwischenstaatlichen Verhältnis unter Obama sind nur relativ im Vergleich zur Regierung unter George W. Bush. Der hatte die Möglichkeiten für US-Kubaner, in ihr Herkunftsland zu reisen, weiter eingeschränkt, Geldüberweisungen wurden erschwert. Obama nahm diese auch in der US-kubanischen Gemeinschaft kritisierten Regelungen zurück. Kubareisen sind für Akademiker und Mitglieder religiöser Gruppen mit Ausnahmegenehmigung möglich. Aber das ist alles. Auch wenn Obama mit einem Kurswechsel kokettiert. »Wir müssen kreativ sein«, sagte er vergangenen Monat in Miami, »und wir müssen mit Bedacht handeln. Und wir müssen unsere Politik der Zeit anpassen. Denken Sie nur daran, dass ich gerade erst geboren wurde, als (Fidel) Castro an die Macht kam.«

Auf politischer Ebene fordert die US-Regierung Kuba zur Freilassung von Gefangenen auf, die wegen politischer Delikte inhaftiert sind. Kuba wiederum wirft den USA vor, Systemoppositionelle zu unterstützen, um die sozialistische Regierung zu stürzen. In diesem Kontext steht der Streit um den in Kuba inhaftierten US-Geheimdienstmitarbeiter Alan Gross. Während Washington seine Freilassung fordert, besteht Kuba auf der Haftentlassung der vier Kubaner, die in den USA wegen Spionage verurteilt wurden. Sie hatten gewaltbereite Gruppen des kubanischen Exils überwacht.

Bewegung gab es auf wirtschaftlicher Ebene. Nach Angaben des privaten US-kubanischen Handels- und Wirtschaftsrates haben Unternehmen zwischen 2001 und Februar 2012 Lebensmittel und Agrarprodukte im Wert von 3,5 Milliarden Dollar nach Kuba exportiert. Die Bundesstaaten Nebraska, Oklahoma und Texas haben entsprechende Abkommen unterzeichnet. Dem Interesse an einer Ausweitung der Wirtschaftskontakte stehen jedoch Partikular- und Gruppeninteressen in den USA entgegen. Zu den glühendsten Verfechtern der Blockade gehören etwa der Spirituosenkonzern Bacardí, aber auch die Brüder Pepe und Alfonso Fanjul, die in Florida auf über 70 000 Hektar Zuckeranbau betreiben und über gute Kontakte zu Republikanern und Demokraten verfügen.

Eine Erneuerung der USA-Politik gegenüber Kuba muss vor allem diese wirtschaftlichen Interessen beachten, die Abgeordnete wie Ros-Lethinen oder Senator Ted Cruz mit bisweilen skurrilen Auftritten zu wahren versuchen. Der Handschlag von Johannesburg wird nicht viel ändern – zumal es kein Novum war. Im Jahr 2000 schon hatte Fidel Castro in der New Yorker UNO-Zentrale William Clinton die Hand geschüttelt, ebenso wie 1959 Richard Nixon. Die Hände blieben das einzige, was sich bewegte.

* Aus: neues deutschland, Montag, 16. Dezember 2013


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