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Der koreanische Akzent des APEC-Gipfels in Pusan

Indirekt ging es beim APEC-Gipfel in Pusan auch um das nordkoreanische Nuklearproblem

Von Dmitri Kossyrew, RIA Nowosti*

PUSAN, 21. November. Die Hafenstadt Pusan war der Ort, wo während des Korea-Krieges der 50er Jahre von der ganzen Halbinsel, vom Norden wie vom Süden, Flüchtlinge hinströmten. Diese Stadt ist ein Symbol der Liebe der Koreaner zueinander. Mit diesen Worten begann der südkoreanische Präsident Roh Moo-hyun, Gastgeber des jüngsten APEC-Forums in dieser Stadt, den letzten Absatz seiner Rede beim Geschäftsgipfel der Asiatisch-Pazifischen Kooperationsvereinigung - einem überaus wichtigen Termin des Forums, zu dem sich führende Unternehmer der Region versammelten.

Diese Worte waren eine Improvisation und standen nicht in dem anschließend in der Druckform verteilten offiziellen Wortlaut der Rede. Die Rede war logischerweise Wirtschaftsfragen gewidmet. Gerade der wirtschaftliche Aspekt der "koreanischen Nuklearkrise" gibt Aufschluss für die Perspektiven ihrer Regelung. Ganz davon zu schweigen, dass ein Forum, das auf koreanischem Boden stattfindet, einen "koreanischen Akzent" haben muss.

Bereits seit mehreren Jahren ist das "koreanische Nuklearproblem" ein wichtiges Thema bei den APEC-Foren, unter anderem bei den Verhandlungen, die die Wirtschaftskapitäne aus dem Asiatisch-Pazifischen Raum am Rande der offiziellen Veranstaltungen führen. Und es ist auch verständlich: Von der Lösung dieser Frage hängen die Wirtschaftsperspektiven nicht nur Südkoreas, sondern auch praktisch aller 21 APEC-Länder ab.

Begonnen hat das wohl beim Forum 2002 im mexikanischen Los Cabos. Damals bemühten sich die USA und Japan, das Forum zur Annahme einer ausgesprochen harten Resolution gegen Nordkorea zu bewegen. Gerade zu jener Zeit wurde auch begonnen, dieses Land zu beschuldigen, es arbeite an militärischen Nuklearprogrammen. Andere APEC-Teilnehmer, u. a. Russland, China und Südkorea, vereitelten allerdings diese Initiative. Dieser Vorfall in Los Cabos bestimmte auch im Voraus die spätere Kräftekonstellation bei den sechsseitigen Verhandlungen, die bald danach in Peking begannen und an denen all die erwähnten Länder teilnehmen.

Die in der jüngsten Verhandlungsrunde eingelegte Pause (voraussichtlich bis Januar) wurde von den Teilnehmern gerade damit begründet, dass dazwischen das APEC-Forum stattfinden müsse. Mit diesem wurden Hoffnungen auf neue diplomatische Ideen bezüglich des koreanischen Nuklearproblems verbunden.

Ideen gab es nicht wenig - wenn nicht direkt beim Forum selbst, dann zumindest angesichts der Tatsache, dass einige der Staatschefs, die nach Südkorea kamen, auch eigene Verhandlungen mit Präsident Roh Moo-hyun im Rahmen ihrer offiziellen Südkorea-Besuche geführt haben. Dies waren u. a. George Bush, Hu Jintao und Wladimir Putin. Außerdem traf der südkoreanische Präsident mit Japans Premier Junihiro Koizumi zusammen. Bis auf Nordkorea, das nicht zu APEC gehört, konnten also Vertreter aller Teilnehmerländer der sechsseitigen Verhandlungen dieses Thema diskutieren.

Hier gibt es Positionen, die von allen Teilnehmern vertreten werden. So betonten alle in dieser oder jener Form, dass Kernwaffen in Nordkorea für sie unannehmbar wären. Alle plädierten auch in dieser oder jener Form für die Fortsetzung der sechsseitigen Verhandlungen.

Beim Treffen zwischen Roh Moo-hyun und George Bush entstand eine neue Idee: Andere Verhandlungen mit Pjöngjang aufzunehmen, nämlich über einen Friedensvertrag. Dieser bleibt bekanntlich aus, weil der Krieg, an dem neben den beiden Teilen Koreas auch die USA, faktisch aber auch China und die UdSSR teilgenommen hatten, 1953 lediglich mit einem Waffenstillstand zu Ende ging. Man muss allerdings erst schauen, wie ernst Pjöngjang diese Idee aufnehmen wird und wieviel Monate oder Jahre diese neue "Route" der Regelung in Korea in Anspruch nehmen würde.

Es gibt aber auch eine dritte "Route", und gerade diese konnten all diejenigen, die in Pusan anwesend waren, deutlich sehen. Gerade in dieser Zeit gab der südkoreanische "Unification Minister" Chung Dong-Young mehrere Interviews und veröffentlichte auch einen größeren Beitrag im "Korea Herald". Darin wird darauf hingewiesen, dass der Handel zwischen beiden koreanischen Staaten 2000 auf eine Milliarde Dollar gestiegen ist. Die Zahl der Reisenden nach Nordkorea und zurück wird bald 100 000 Personen betragen, einschließlich 10 000 Treffen von Mitgliedern getrennter Familien. Die Eisenbahnlinien der beiden Teile der Halbinsel sind bereits zusammengeschlossen, bald wird auch der Luftverkehr zwischen beiden Teilen aufgenommen.

Auch Russlands Präsident Wladimir Putin erwähnte in seinem Artikel, der im Vorfeld seiner Ankunft in Pusan in örtlichen Medien veröffentlicht wurde, die transkoreanische Eisenbahn als ein Beispiel der künftigen geschäftlichen Möglichkeiten für die gesamte Region.

Im nächsten Jahr, stellte Minister Chung Dong-young fest, werden rund 300 Unternehmen aus Südkorea ihre Arbeit im Industriegebiet im Raum der Stadt Keson, zwölf Kilometer nördlich der koreanisch-koreanischen Grenze, aufnehmen. Die Regierung ist bemüht, Frieden und gemeinsames Wohlergehen auf dem Wege des Wiederaufbaus der nordkoreanischen Wirtschaft und einer gegenseitig vorteilhaften Kooperation zu erreichen, betonte der Minister.

Insofern scheinen dieser und andere Südkoreaner nicht die Gefahr eines "totalen Embargos" gegen Pjöngjang zu berücksichtigen, wofür besonders radikale amerikanische Experten auf diesem Gebiet plädieren. Wahrscheinlich deshalb, weil Seoul keine Embargos und sonstigen Gewaltmaßnahmen gegen den Norden zulassen wird.

Damit bekräftigte Südkorea in Pusan seine führende Rolle bei der Regelung des "Korea-Problems". Sein Rezept: Parallel zu den sechsseitigen Verhandlungen eine neue Realität der Beziehungen zwischen beiden koreanischen Staaten herzustellen, die wahrscheinlich die Verhandlungen selbst mehr beeinflussen werden als die Worte der Diplomaten.

Moskau und Peking, zwei der insgesamt drei unmittelbaren Nachbarn Nordkoreas, sind mit diesem Kurs Seouls durchaus zufrieden.

* Quelle: RIA Nowosti, http://de.rian.ru


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