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Korea: Chronik wichtiger Ereignisse
Juni 2003
1. bis 15. Juni
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Nach einem halben Jahrhundert werden die US-Bodentruppen aus der demilitarisierten Zone zwischen Nord- und Südkorea abrücken und auf Militärstützpunkten weiter im Süden zusammengezogen. Die Truppenverschiebung, die mit einer gemeinsamen Erklärung der USA und Südkoreas am Abend des 5. Juni bekannt gegeben wurde, ist Teil einer weltweiten Neuordnung der US-Streitkräfte. Dazu gehört voraussichtlich die Reduzierung von US-Truppen in Deutschland sowie der Aufbau neuer Stützpunkte in Osteuropa. Die Verlegung der Soldaten aus der demilitarisierten Zone in zwei Stützpunkte 120 Kilometer südlich des Grenzgebietes soll in zwei Phasen erfolgen, heißt es in der Erklärung. Ein konkreter Zeitplan wurde noch nicht genannt. Dahinter stecken die Sorgen der südkoreanischen Regierung vor einem Angriff des kommunistischen Nachbarn. Laut US-Verteidigungsminister Donald Rumsfeld schwächt die Truppenverlegung die Verteidigungsstärke nicht. Der südkoreanische Ministerpräsident Roh Moo Hyun will jedoch den Abzug der US-Soldaten als Pfand einsetzten, um den Norden seinerseits zur Reduzierung des massiven Truppenaufgebots an der Grenzeregion zu bewegen.
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Die USA sind entschlossen, den Besitz und die Verbreitung von Massenvernichtungswaffen weltweit notfalls auch mit Gewalt zu unterbinden. "Unser Ziel ist nicht nur, die Verbreitung von Massenvernichtungswaffen zu verhindern, sondern auch, solche Waffen zu vernichten oder zurückzudrängen, die bereits im Besitz von Schurkenstaaten oder Terrorgruppen sind", sagte der Staatssekretär im US-Außenministerium, John Bolton am 5. Juni. Um diese Ziel durchzusetzen, würden die USA zu Wirtschaftssanktionen, Beschlagnahmungen und "wenn nötig Präventivschlägen" greifen.
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Der Berater von US-Verteidigungsminister Donald Rumsfeld, Richard Perle, hat einen Präventivangriff der USA gegen Nordkorea nicht ausgeschlossen. Wenn damit die Weitergabe nordkoreanischer Atomwaffen verhindert werden könne, sei ein Angriff gerechtfertigt, sagte Perle am 6. Juni in einem Interview mit dem Nachrichtensender N24. Ein Präventivangriff dürfe nicht ausgeschlossen werden, denn sonst "würden wir den Nordkoreanern sagen, ihr könnt tun, was ihr wollt, wir werden auf keinen Fall Gewalt anwenden", sagte Perle. "Das würde doch unsere Diplomatie untergraben." Eine Weitergabe nordkoreanischer Atomwaffen könne nicht ausgeschlossen werde, fügt Perle hinzu. "Die Frage ist doch, ob wir eingreifen, bevor es zu einer solchen verhängnisvollen Übergabe käme." Zur Begründung erinnerte Perle an die Terroranschläge vom 11. September 2001. "Hätten wir El Kaida vor dem 11. September angegriffen, wären heute 3000 Menschen noch am Leben." Auf die Hilfe der UNO könnten die USA nicht vertrauen, fügte der Berater von Pentagon-Chef Rumsfeld hinzu. "Die Vereinten Nationen sind heute weitgehend irrelevant." Erst müsse die Satzung der UNO die Unterstützung von Terroristen ahnden, "dann könnten die Vereinten Nationen wieder eine nützliche Rolle spielen".
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Der südkoreanische Präsident Roh Moo Hyun ist am 6. Juni zu Gesprächen über die Beilegung des Streits um das nordkoreanische Atomprogramm in Japan eingetroffen. Eine internationale Zusammenarbeit sei der Schlüssel zu einer friedlichen Lösung der Frage, sagte Roh vor seiner Abreise aus Seoul. Er wollte am Samstag mit dem japanischen Ministerpräsidenten Junichiro Koizumi zusammentreffen. Dabei wollten sich beide um eine gemeinsame Position im Atomstreit bemühen, sagte Koizumis Sprecher Yu Kameoka.
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Lockheed Martin Corp, einer der größten amerikanischen Rüstungskonzerne, gab am 6. Juni den Erhalt eines Auftrags aus Südkorea bekannt. Die südkoreanische Marine hat demnach Waffensysteme, Software und technischen Support bei Lockheed im Wert von 267,5 Mio. Dollar bestellt. Mit dem Aegis Waffen-System sollen drei zu Verteidigungszwecken eingesetzte Kreuzer ausgestattet werden um Angriffe von Land, Luft oder Wasser abwehren zu können. Wann die Lieferung erfolgt, wurde nicht bekannt.
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Im Atomstreit mit den USA setzt Nordkorea erstmals ausdrücklich auf nukleare Abschreckung. Wenn Washington seine "feindliche Politik" nicht aufgebe, "haben wir keine andere Wahl, als eine nukleare Abschreckung zu besitzen", hieß es in einer am 9. Juni von der amtlichen Nachrichtenagentur KCNA verbreiteten Erklärung. Sollten die USA ihren harten Kurs aufgeben, wäre Pjöngjang bereit, den amerikanischen Sorgen über das nordkoreanische Atomprogramm Rechnung zu tragen, hieß es weiter. "Unser Ziel, über eine atomare Abschreckung zu verfügen, dient nicht der Erpressung", betonte Pjöngjang. Vielmehr sollten so die konventionellen Waffen verringert und die Ressourcen für wirtschaftliche und soziale Ziele frei werden. Die KCNA-Erklärung wurde von der südkoreanischen Nachrichtenagentur Yonhap übermittelt.
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Die USA wollen nach den Worten ihres Außenministers Colin Powell den Atomstreit mit Nordkorea weiterhin friedlich beilegen. Washington sei trotz der jüngsten Verlautbarungen aus Pjöngjang "nicht auf dem Kriegspfad", sagte Powell am 9. Juni bei einem Treffen der Organisation Amerikanischer Staaten (OAS) in Santiago de Chile. Dass Nordkorea zuvor erstmals öffentlich zugegeben hatte, Atomwaffen entwickeln zu wollen, ändere nichts an der "Strategie" der US-Regierung, betonte der US-Chefdiplomat. US-Präsident George W. Bush halte weiterhin eine "diplomatische Lösung" für möglich.
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Iranische Atomexperten sind einem Pressebericht zufolge mehrfach heimlich nach Nordkorea gereist, um sich dort Methoden des Verbergens von Atomprogrammen erklären zu lassen. Die iranischen Wissenschaftler hätten für das Erlernen von Tricks bezahlt, mit denen internationale Inspektorenteams getäuscht werden könnten, berichtete am 11. Juni die japanische Zeitung "Sankei", die für ihre guten Geheimdienstquellen über Nordkorea bekannt ist. Vermutlich sei es auch um eine "Zusammenarbeit bei der atomaren Entwicklung" gegangen. Zwei Iraner seien im März zu mehrtägigen Gesprächen in das kommunistische Land gereist. Ein Experte sei im April dort gewesen, zwei weitere hätten sich im Mai zehn Tage in Nordkorea aufgehalten.
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Im Streit um das nordkoreanische Atomprogramm sind die USA zu einer neuen Gesprächsrunde bereit. Ein Datum für neue Verhandlungen mit Pjöngjang und anderen betroffenen Staaten müsse aber noch festgelegt werden, sagte der US-Botschafter in Südkorea, Thomas Hubbard, am 11. Juni in Seoul. Washington wolle die Gespräche "so bald wie möglich" wieder aufnehmen. Um die Verhandlungen zu einem Erfolg zu führen, müssten neben den USA und Nordkorea "mindestens" auch Japan, Südkorea und China daran teilnehmen.
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Südkorea, USA und Japan trafen sich am Wochenende 14./15. Juni in Hawaii zu einem Dreiergipfel. Sie bekräftigten ihre Forderung nach Beendigung des nordkoreanischen Atomprogramms. Derweil forderte am 15. Juni Nordkorea Seoul auf seine "Kooperation mit Außenseitern einzustellen", die einen Krieg gegen Pjöngjang vom Zaun brechen wollen.
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Zum dritten Jahrestag des historischen Korea-Gipfels sind am 15. Juni die Eisenbahnnetze der beiden koreanischen Staaten erstmals seit 50 Jahren wieder miteinander verbunden worden. Die Bahnlinie soll letztlich die beiden Hauptstädte Pjöngjang und Seoul miteinander verbinden. Die Bahnstrecke kann aber erst in ein paar Monaten befahren werden.
16. bis 30. Juni- 
Der US-Regierungsberater Richard Perle hat indirekt mit der Bombardierung des nordkoreanischen Atomreaktors Yomgbyon gedroht. "Was die Israelis 1981 getan haben, könnten wir mit Blick auf Yongbyon 2003 tun", sagte Perle am 17. Juni bei einer Veranstaltung in Berlin. 1981 bombardierten die Israelis den irakischen Atomreaktor Osirak. 
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US-Außenminister Powell hat bei den südostasiatischen Staaten (ASEAN) um Rückendeckung im Atomstreit mit Nordkorea geworben. Das Nuklearprogramm Nordkoreas sei für alle Länder der Region Besorgnis erregend, sagte Powell am 18. Juni beim Asiatisch-pazifischen Regionalforum der ASEAN-Staaten in Phnom Penh. "Dies ist keine bilaterale Sache zwischen den USA und Nordkorea", sagte Powell.
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Die US-Regierung hat Japan laut einem Pressebericht inoffiziell darüber unterrichtet, dass Nordkorea mehrere kleinere Atomsprengköpfe besitzt. Die Sprengköpfe für ballistische Raketen könnten den US-Informationen zufolge Japan erreichen, berichtete die japanische Tageszeitung "Sankei Shimbun" am 20. Juni unter Berufung auf Regierungsquellen in Tokio und Washington. Washington habe Tokio bereits im März gewarnt, dass Nordkorea "nicht nur ein oder zwei" Atomsprengköpfe besitze.
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Mit scharfen Worten hat Nordkorea den Weltsicherheitsrat vor einer Einmischung in die Atompolitik des kommunistischen Landes gewarnt. Sollten die USA ihren Wunsch nach einer Verurteilung des umstrittenen nordkoreanischen Atomprogramms durchsetzen, so werde Nordkorea mit "einer starken Notfallmaßnahme" reagieren, hieß es in einem am 20. Juni veröffentlichten Kommentar der staatlichen Zeitung "Rodong Simun". Südkorea forderte die USA auf, mit einem entsprechenden Antrag an den Weltsicherheitsrat zu warten. Washington solle Nordkorea mehr Zeit geben, auf die US-Forderung nach multilateralen Verhandlungen über das Atomprogramm einzugehen, sagte der südkoreanische Außenminister Yoon Young Kwan Medienberichten zufolge. Die USA hatten am 118. und 19. Juni in Gesprächen mit den übrigen ständigen Sicherheitsratsmitgliedern die Chancen für eine Verurteilung Nordkoreas ausgelotet. Negroponte hatte mit seinen Kollegen über einen amerikanischen Resolutionsentwurf diskutiert, der den sofortigen Abbau des nordkoreanischen Atomwaffenprogramms "in einer verifizierbaren und unumkehrbaren Art und Weise" verlangen soll. China hatte erkennen lassen, dass es das Thema außerhalb des Sicherheitsrats behandelt sehen möchte. Noch am 9. April hatte das Gremium wegen chinesischer und russischer Bedenken einen US-Antrag abgelehnt, Nordkorea für die Kündigung des Atomwaffensperrvertrags zu verurteilen. Der US-Entwurf für eine Resolution gegen Pjöngjang "verurteilt das nordkoreanische Atomwaffenprogramm und die Maßnahmen, die das Regime seit Oktober ergriffen hat, als es einräumte, ein Programm zur Anreicherung von Uran zu betreiben". Nordkorea unterlaufe den Atomwaffensperrvertrag, der die Weiterverbreitung von Atomwaffen verhindern soll, und erhöhe "das Risiko der Proliferation an terroristische Organisationen und gesetzlose Staaten, und es stellt eine schwere Gefährdung der regionalen und internationalen Sicherheit und Stabilität dar", heißt es in dem Entwurf.
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In Südkorea haben am 21. Juni etwa 40.000 Menschen gegen den kommunistischen Norden protestiert. Sie verbrannten in der Hauptstadt Seoul nordkoreanische Flaggen und forderten Pjöngjang auf, sein mutmaßliches Atomprogramm aufzugeben. "Lasst uns (den nordkoreanischen Staatschef) Kim Jong Il vertreiben", riefen einige Demonstranten. "Stärkt die Allianz mit den Vereinigten Staaten". Die meisten Teilnehmer der Protestaktion waren Kriegsveteranen, ältere Menschen und Mitglieder christlicher Gruppen. Auf Plakaten verurteilten sie Nordkorea und unterstützten die amerikanischen Truppen im Süden. 
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Die Regierung des ehemaligen südkoreanischen Präsidenten Kim Dae Jung hat auf verdeckten Wegen 100 Millionen Dollar (86,5 Millionen Dollar) an Nordkorea gezahlt, um Pjöngjang zu dem historischen Gipfeltreffen im Juni 2000 zu bewegen. Das teilte der südkoreanische Sonderermittler Song Doo Hwan am 25. Juni bei Vorlage seines Abschlussberichts in Seoul mit. Das Gipfeltreffen hatte den Versöhnungsprozess in Gang gesetzt und die Grundlage gelegt für die Auszeichnung Kims mit dem Friedensnobelpreis. Kurz vor dem Gipfeltreffen flossen laut Song insgesamt 500 Millionen Dollar über Tochtergesellschaften des Hyundai-Konzerns nach Nordkorea. Davon seien 400 Millionen Dollar geschäftliche Investitionen gewesen. Bei den übrigen 100 Millionen Dollar habe es sich um "eine politisch motivierte Regierungshilfe für den Norden" gehandelt, sagte Song auf einer landesweit im Fernsehen übertragenen Pressekonferenz.
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Mehr als 10.000 Polizisten haben in der südkoreanischen Hauptstadt Seoul und anderen Städten Streiks von Eisenbahnern gewaltsam aufgelöst. Dabei wurden am 28. Juni mehr als 1.500 Demonstranten abgeführt, von denen die meisten später wieder freigelassen wurden. Die Regierung in Seoul räumte den Streikenden am 29. Juni eine letzte Frist für die Wiederaufnahme der Arbeit ein.
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Süd- und Nordkorea haben am 30. Juni den Grundstein für einen gemeinsamen Industriepark im Norden der Halbinsel gelegt. Der Bau des Industriegebiets in Kaesong nahe der entmilitarisierten Zone zwischen beiden Ländern soll im nächsten Jahr beginnen.
<1. bis 13. Juli
China und Südkorea bemühen sich im Streit um das nordkoreanische Atomprogramm um eine Wiederaufnahme der Gespräche. Beide Sieten seien sich einig, dass es wichtig sei, "den Frieden und die Stabilität auf der koreanischen Halbinsel zu bewahren und die Situation friedlich zu lösen", sagten Chinas Präsident Hu Jintao und sein sürkoreanischer Kollege Roh Moo Hyan nach einem Treffen in Peking am 7. Juli. Es ist der erste Aufenthalts des Südkoreaners in Peking seit seinem Amtsantritt im Februar.
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Nordkorea hat nach südkoreanischen Angaben im Rahmen seines Atomwaffenprogramms rund siebzig Tests vorgenommen. Die Versuche mit hoch explosivem Sprengstoff seien im Bezirk Yongdok im Nordwesten des Landes erfolgt, sagte der Leiter des südkoreanischen Geheimdienstes, Ko Young Koo, nach Angaben der Nachrichtenagentur Yonhap am 9. Juli. Yongdok liegt 40 Kilometer vom umstrittenen nordkoreanischen Atomkraftwerk Yongbyon entfernt.
 Eine hochrangige nordkoreanische Regierungsdelegation ist am 9. Juli zu neuen Versöhnungsgesprächen in Südkorea eingetroffen. Überschattet ist das elfte Ministertreffen zwischen beiden Ländern erneut von Spannungen wegen des Konfliktes um das nordkoreanische Atomprogramm. Südkorea will das viertägige Treffen nach Angaben von Regierungsbeamten auch dazu nutzen, die Regierung in Pjöngjang zur Annahme multilateraler Gespräche über eine Lösung der Nuklearfrage zu bewegen.
 
 
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