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Wasser ist wertvoller als Gold

Kolumbien: Erstmals stimmten Bewohner einer Gemeinde über Bergbauaktivitäten ab

Von Jürgen Vogt, Buenos Aires *

Die stark gestiegenen Rohstoffpreise haben in vielen Regionen der Welt in den letzten Jahren einen wahren Förderboom ausgelöst. Eine kleine Andengemeinde sagt jetzt »Nein«.

In Kolumbien schreibt eine kleine Gemeinde Bergbaugeschichte. Zum ersten Mal fand eine Volksbefragung über Minenprojekte und ihre Folgen statt. Mit 2971 Nein-Stimmen bei gerade mal 24 Ja-Stimmen sprachen sich die Einwohner von Piedras in der zen-tralwestlichen Provinz Tolima gegen jegliche Bergbauaktivitäten auf ihrem Territorium aus.

Das Ergebnis ist bindend, da sich mehr als ein Drittel der Stimmberechtigten beteiligte. Die Frage, die zur Abstimmung stand, war ein 110 Worte umfassender Satz, in dem ausführlich nach dem Einverständnis zum Bergbau im großen Stil, zum Einsatz von Zyankali, zum Wasserverbrauch und den Auswirkungen auf die Trinkwasserversorgung gefragt wurde.

Anlass zur Besorgnis bietet die geplante Goldmine La Colosa der Bergbaufirma Anglogold Ashanti. Der südafrikanische Konzern ist nach eigenen Angaben drittgrößter Goldproduzent der Welt. Die Kritik an den Aktivitäten von Anglogold Ashanti ist nicht neu: 2011 erhielt der Konzern nach Berichten über Umweltzerstörungen, Menschenrechtsverletzungen und katastrophale Arbeitsbedingungen beim Goldabbau in Ghana den Schmähpreis »Public Eye Awards«.

Der Tagebau La Colosa soll nahe der Gemeinde Cajamarca in der Provinz Tolima entstehen. 2006 wurden hier umfangreiche Goldvorkommen entdeckt. Die Menge wird auf 12,3 Millionen Unzen geschätzt und ist das weltweit größte Vorkommen, das in den letzten zehn Jahren entdeckt worden ist. Eigentlich sollte die Förderung 2016 beginnen, doch wegen verspäteter Genehmigungen wird dies nicht vor Ende 2019 der Fall sein.

Die Gemeinde Piedras mit ihren knapp 5500 Bewohnern ist zwar 75 Kilometer entfernt, doch Anglogold Ashanti hat die Erlaubnis, im Umkreis von 100 Kilometern die notwendige Infrastruktur aufzubauen. Der Gemeinde droht der Bau einer riesigen Gold- und Gesteinswaschanlage. Seit diese Pläne im vergangenen Jahr bekannt wurden, gab es Proteste. Mehrfach blockierten Anwohner die Zufahrtsstraßen.

In der wasserarmen Andenregion holen vor allem nordamerikanische und chinesische Firmen im Tagebau in gigantischen Minen Erze aus dem Berggestein. Dazu werden ganze Gebirgsteile herausgesprengt, zermahlen und die Metalle unter enormem Verbrauch von Wasser herausgelöst. Beim Goldwaschen wird dem Wasser Zyankali beigemischt. Entlang der Anden wächst der Widerstand gegen die »Mega-Mineria«.

Vor allem die älteren Bewohner von Piedras stimmten am Sonntag gegen das Vorhaben: »Wenn sie uns den Fluss abgraben, wovon soll das Dorf dann leben?«, fragte sich Ruby Cubides beim Urnengang. »Ich werde tun, was die Bevölkerung verlangt,« kommentierte Bürgermeister Arquímedes Ávila Rondón das Ergebnis. Er hatte die Abstimmung anberaumt.

Für Anglogold Ashanti ist Ergebnis angesichts einer solch »tendenziösen Frage« nicht überraschend, so Firmensprecherin Sandra Ocampo. Man werde das Resultat zwar anerkennen, es spiegle jedoch nur die Unwissenheit über die Vorteile des Projektes für die Region wider.

Die Volksbefragung wird den Bau der Goldmine nicht verhindern. Die Regierung hatte erst kürzlich angeordnet, dass Städte und Gemeinden Bergbau auf ihren Territorien nicht verbieten können. Die Bevölkerung von Piedras hat jedoch einen Präzedenzfall geschaffen, mit dem die Gültigkeit der Regierungsentscheidung in Frage gestellt ist.

* Aus: neues deutschland, Mittwoch, 31. Juli 2013


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