Keine Entspannung
Außenministertreffen kann Konflikt zwischen Bogotá und Caracas nicht lösen. Südamerika wartet auf Abtritt von Kolumbiens Staatschef Uribe
Von André Scheer *
Auch nach dem Außenministertreffen der Union Südamerikanischer Nationen
(UNASUR) am Donnerstag (Ortszeit) in Quito zeichnet sich keine Lösung
der Krise zwischen Kolumbien und Venezuela ab. »Der Außenminister
Kolumbiens verabschiedet sich als Lügner von der UNASUR«, sagte der Chef
der venezolanischen Diplomatie, Nicolás Maduro. Jaime Bermúdez habe
»dieselbe groteske Show« geboten wie bereits sein Botschafter Luis
Alfonso Hoyos bei der Sondersitzung der Organisation Amerikanischer
Staaten (OAS) am 22. Juli in Washington. Kolumbiens scheidender
Staatschef Álvaro Uribe seinerseits wetterte gegen Brasiliens
Präsidenten Luiz Inácio Lula da Silva. Dieser habe den Konflikt zwischen
Kolumbien und Venezuela so dargestellt, »als gehe es um persönliche
Angelegenheiten« und dadurch »die Bedrohung Kolumbiens und des
Kontinents« durch die »Präsenz der FARC-Terroristen in Venezuela«
ignoriert. Lula hatte zuvor erklärt, er könne keinen wirklichen Konflikt
zwischen beiden Ländern erkennen: »Was ich gesehen habe, ist ein
verbaler Streit, wie wir ihn oft in Lateinamerika erleben.« Man müsse
Geduld haben und auf die Amtsübernahme durch Uribes Nachfolger Juan
Manuel Santos am 7. August warten.
Zuvor war das Außenministertreffen der UNASUR nach vier Stunden
ergebnislos abgebrochen worden. Selbst der ansonsten einen
diplomatischen Diskurs pflegende ecuadorianische Außenminister Ricardo
Patiño sprach anschließend von einem »heftigen« Zusammentreffen der
Vertreter von Kolumbien und Venezuela. Es sei nicht gelungen, die
Situation zu bereinigen. Deshalb hätten sich die versammelten Minister
entschlossen, Ecuador, das derzeit den Vorsitz der 2008 gegründeten
Staatengemeinschaft ausübt, um die Einberufung eines Gipfeltreffens der
Staatschefs zu bitten. Ein Datum dafür ließ Patiño offen, es ist aber
unwahrscheinlich, daß dies noch vor dem kommenden Sonnabend stattfinden
wird. Dann aber übergibt Uribe das höchste Staatsamt Kolumbiens an
seinen früheren Verteidigungsminister Juan Manuel Santos. Obwohl auch
dieser als Kriegstreiber gilt, richten sich die Hoffnungen in Südamerika
derzeit darauf, mit ihm an der Spitze eine Entspannung zu erreichen.
Maduro kündigte bereits an, daß Venezuela bei dem Gipfeltreffen noch
einmal seinen Friedensplan für das Nachbarland einbringen werde.
Der venezolanische Außenminister war in den Tagen vor dem UNASUR-Treffen
durch sieben Länder der Region gereist und hatte dort die Vorschläge
seiner Regierung vorgestellt. Diese sehen die Einrichtung eines
südamerikanischen »runden Tisches« vor, bei dem über eine Beendigung des
seit Jahrzehnten anhaltenden Bürgerkriegs in Kolumbien beraten werden
soll. Das sei keine Einmischung in die inneren Angelegenheiten des
Nachbarlandes, betonte Maduro, denn der dortige Konflikt beeinträchtige
auch die Sicherheit der anderen Staaten. Außerdem seien die
»Kriegstreiber« daran interessiert, den Konflikt zu
internationalisieren. Er rief »alle Völker, Regierungen und sozialen
Organisationen des Kontinents« dazu auf, Venezuelas Vorschläge zu
unterstützen und so endlich zu einem Ende des Krieges zu gelangen, der
das kolumbianische Volk zerstöre.
In Bogotá informierte unterdessen der Alternative Demokratische Pol
(PDA) darüber, daß am Dienstag abend (Ortszeit) der mehrmalige
Bürgermeisterkandidat des Linksbündnisses in Manaure, Luis Socarrás, von
einem unbekannten Täter ermordet worden ist. Der Aktivist für die Rechte
der Wayúu-Indígenas, der am Mittwoch bei einer Anhörung Beweise für
Mißstände im Gesundheitswesen in der Provinz La Guajira vorlegen wollte,
ist bereits der achte PDA-Aktivist, der in den vergangenen drei Monaten
umgebracht wurde.
* Aus: junge Welt, 31. Juli 2010
UNASUR muss weiter vermitteln
Keine Schlichtung zwischen Chávez und Uribe **
Die Staatschefs des südamerikanischen Staatenbundes UNASUR werden die
Suche nach einer Lösung aufnehmen, um die Krise zwischen Kolumbien und
Venezuela beizulegen.
Am Donnerstag (29. Juli) war der Gipfel der Außenminister des UNASUR in
der ecuadorianischen Hauptstadt Quito ohne Verständigung beendet worden.
»Es war unmöglich, sich auf ein Dokument zu einigen«, sagte der
ecuadorianische Außenminister Ricardo Patiño nach den fünfstündigen
Beratungen der Vertreter von elf UNASUR-Mitgliedern. Das Treffen sei
dennoch wichtig gewesen, weil es die Außenminister Kolumbiens und
Venezuelas, Jaime Bermúdez und Nicolás Maduro, an einen Tisch gebracht
habe, fügte der Gastgeber hinzu.
Bei den Ausführungen der Außenminister Venezuelas, Nicolás Maduro, und
Kolumbiens, Jaime Bermúdez, war es zu harten Debatten gekommen. Maduro
präsentierte im Namen seines Landes einen Vorschlag, der im August beim
Treffen der Staatschefs besprochen werden soll: einen Friedenstisch, um
den Bürgerkrieg in Kolumbien zu beenden. Dieser sollte sich
hauptsächlich mit den Schäden auseinandersetzten, den der seit sechs
Jahrzehnten anhaltende Bürgerkrieg in der »Friedenszone« anrichtet, als
die die UNASUR den Subkontinent betrachtet. Dieser Krieg würde das
kolumbianische Volk verwüsten.
Venezuela rief alle Regierungen, sozialen Bewegungen und Politiker des
Kontinents dazu auf, diesen Vorschlag zu unterstützen und annullierte
auf diese Weise die kriegerischen Vorschläge der am 7. August aus dem
Amt scheidenden Regierung von Álvaro Uribe, der Caracas vorwarf, den
kolumbianischen Konflikt internationalisieren zu wollen. Im Namen der
amtierenden Präsidentschaft erneuerte Ecuadors Außenminister Ricardo
Patiño die Bereitschaft der UNASUR, an Bedingungen zu arbeiten, damit
Frieden und Kooperation in der Region siegen.
Kommende Woche will sich der UNASUR-Generalsekretär und frühere
argentinische Präsident Néstor Kirchner zunächst mit Chávez in Caracas
und anschließend am 6. und 7. August - am Rande der Feierlichkeiten zur
Amtsübernahme von Juan Manuel Santos - mit der Regierung in Bogotá treffen.
** Aus: Neues Deutschland, 31. Juli 2010
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