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Die Privatisierung des Krieges

Kolumbien als Labor und der Irak als Anwendung im großen Maßstab

Von Dario Azzellini *

Die Privatisierung von Militärdienstleistungen ist ein weltweites Geschäft mit einem Gesamtvolumen von etwa 200 Milliarden US-Dollar. Private Militärunternehmen (PMC) bieten eine breite »Produktpalette«, die von Logistikdienstleistungen (wie etwa dem Bau und Betrieb von Militäranlagen und Gefängnissen) über strategische Elemente (wie z.B. Radarkontrolle und Überwachungsleistungen) bis hin zu offenen Kampfeinsätzen oder geheimen Militärmissionen reicht. PMC-Niederlassungen finden sich weltweit, und die Unternehmen rekrutieren ihr »Personal« zunehmend in der südlichen Hemisphäre.

Dabei geraten die PMC immer häufiger in die Schlagzeilen. So z. B. als am 16.September Blackwater-Mitarbeiter, die in Bagdad einen Konvoi eskortierten, das Feuer eröffneten und mindestens 28 Iraker, darunter auch zahlreiche Frauen und Kinder, töteten.

Zu fürchten hat Blackwater wegen der Ermordung irakischer Zivilisten – ebenso wie die insgesamt 180000 Mitarbeiter weiterer PMC – nichts. Bereits 2003 verabschiedete der damalige US-Statthalter in Bagdad, Paul Bremer, die »Order 17«, die besagt, daß US-Militärangehörige ebenso wie das gesamte zivile Personal der Besatzer im Irak nicht juristisch belangt werden können. Als Zivilisten fallen sie auch nicht unter die Militärgerichtsbarkeit.

Unter dem Druck der Ereignisse verabschiedete das US-Repräsentantenhaus am 5. Oktober mit überwältigender Mehrheit ein Gesetz, das es ermöglicht, Mitarbeiter von Militärfirmen, die von der US-Regierung in Kriegsgebieten eingesetzt werden, auch in den USA vor Gericht zu stellen. Doch selbst wenn das Gesetz in Kraft treten sollte, gilt es nicht rückwirkend. Zudem besteht die Möglichkeit einer Zivilklage vor US-Gerichten auch jetzt schon. Doch wie viele irakische Opfer haben die Möglichkeit, in den USA gegen meist unbekannte Täter zu klagen?

Das US-Außenministerium und die US Army hatten im übrigen von den zahlreichen Gesetzesbrüchen privater »Sicherheitsfirmen« durchaus Kenntnis. Doch sie unternahmen nicht nur nichts dagegen, sondern unterstützten Blackwater sogar dabei, zahlreiche Verbrechen zu vertuschen.

Aus verschiedenen Gründen ist der Einsatz von PMC für Regierungen sehr vorteilhaft. Als Privatunternehmen können sie sich einer öffentlichen Kontrolle weitgehend entziehen. Viele der abgeschlossenen Verträge müssen, im Gegensatz zu Militäraktionen der Army, nicht vom US-Kongreß genehmigt werden. Zudem hat der Tod von PMC-Angestellten, im Gegensatz zum Tod von Soldaten, kaum Einfluß auf die öffentliche Meinung. Tote PMC-Angestellte finden – da formal Zivilisten – nicht einmal Eingang in die Gefallenenstatistiken.

Im Irak stellen PMC mittlerweile das größte Militärkontingent. Anfang Juli berichtete die Los Angeles Times, auf der Grundlage von Angaben der US-Armee, daß im Irak rund 180000 Angestellte von PMC tätig sind. 118 000 davon sind Iraker, 21000 US-Amerikaner und weitere 43000 sonstige Ausländer. Dabei wurden nach Armeeangaben nicht alle PMC-Angestellten gezählt. Die Zahl liegt also wahrscheinlich noch höher. Die US-Armee hat im Vergleich dazu insgesamt 160000 Soldaten im Einsatz.

Die Weltkarte [1] der privatisierten Kriegführung zeigt die Verbindungen zwischen Staaten (vornehmlich den USA) und PMC sowie ihre Aktivitäten in Kolumbien und den USA. Diese beiden Länder stehen exemplarisch für den Einsatz privatisierter Kriegführung im Rahmen der »neuen Weltordnung«.

Auf der linken Seite befindet sich eine Reihe Symbole, die angeben, welche von Armeen und Polizei outgesourcten Aufgaben in welchen Sektoren die PMC übernehmen. So steht z. B. das bekannte Bild des Gefangenen von Abu Ghraib mit Kapuze über dem Kopf für »Verhöre«, da diese häufig der Legitimierung, wenn nicht gar Legalisierung von Folter dienen. In der Liste unten rechts stehen unter der jeweils der Karte entsprechenden Nummer die Namen der PMC und der transnationalen Konzerne, die in das Kriegsgeschäft verwickelt sind. Folgt man den Linien, die von den Symbolen für PMC bzw. transnationale Konzerne ausgehen, führen diese zu den Symbolen für die Militäraufgaben, die die Firmen in dem Land übernehmen, auf die der Pfeil zeigt.

Die meisten PMC stammen aus den USA. Die Nummer 1 (Northrop Grumman) z. B. leistet technische und logistische Unterstützung (das Zahnradsymbol) für Militäroperationen in Kolumbien. Die Linie vom Symbol 44 (CACI) hingegen führt uns zu den Symbolen für Gefängnisse und Verhöre im Pfeil, der auf den Irak zeigt, wo diese Firma in diesem Bereich tätig ist. Von CACI stammte auch ein Teil des Personals in Abu Ghraib. Wahre Megakonzerne aus dem Sektor, wie etwa Dyncorp mit über 30000 Angestellten, sind sowohl im Irak als auch in Kolumbien aktiv.

Weitere wichtige Herkunftsländer sind vor allem Großbritannien, Israel und Rußland, aber auch in anderen Ländern sind PMC zu finden. Dienstleistungen für die US Army im Irak bietet etwa die Expreß- und Logistiktochter der Deutschen Post DHL an. Das Unternehmen führt täglich vierzehn Flüge mit jeweils 250 bis 300 Tonnen Ladekapazität in den Irak durch und transportiert verschiedenste Güter, die vom US-Militär und unter Vertrag stehenden Unternehmen gebraucht werden. So ist der DHL Country Manager im Irak Südafrikaner und Exmilitär, und eine Gruppe ehemaliger britischer Soldaten paßt, von einem »Sicherheitsmanager« koordiniert, auf das Geschäft der Posttochter auf. Die Karte zeigt auch, wie viele Länder des Südens der Welt als Rekrutierungsfelder für PMC-Mitarbeiter dienen, etwa Chile, El Salvador, Kolumbien oder die Fidschi-Inseln.

[1] Die Karte entstand aus einer Zusammenarbeit von Dario Azzellini mit der New Yorker Künstlerin Lize Mogel für die Biennale in Gwangju (Südkorea) 2006. Sie erschien bisher im Brooklyn Rail (New York) und Liberazione (Italien). Für junge Welt wurde sie aktualisiert, erweitert und ins Deutsche übersetzt.
Aus technischen Gründen können wir sie hier nicht zeigen. Wer sie sehen möchte (und sie ist sehenswert!), sei auf die junge Welt verwiesen: Ausgabe vom 27. Oktober 2007 bestellen: jW, Torstraße 6, 10119 Berlin, Fax 030 / 53 63 55-44; e-mail: redaktion@jungewelt.de
Vielleicht wird die Zeitung - wenn genügend Nachfrage besteht - diese Karte (eine Doppelseite) als Sonderdruck vertreiben.

* Aus: junge Welt, 26. Oktober 2007


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