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Clinton vor allen Toren

Die US-Außenministerin besucht die Nachbarschaft Rußlands

Von Knut Mellenthin *

Mit einem Besuch in der georgischen Hauptstadt Tbilissi hat US-Außenministerin Hillary Clinton am Montag (5. Juli) eine viertägige Rundreise abgeschlossen. Zuvor hatte sie in der Ukraine und Polen sowie in den Kaukasusrepubliken Aserbaidschan und Armenien Station gemacht.

In Tbilissi traf Clinton mit Präsident Saakaschwili und ausgewählten Oppositionspolitikern zusammen. Schon im Vorfeld hatte sie die Forderung nach einem Abzug des russischen Militärs aus Abchasien und Südossetien bekräftigt. Nach dem von Saakaschwili angeordneten Überfall auf Südossetien im August 2008 hatte Rußland die beiden Republiken diplomatisch anerkannt und militärische Beistandsverträge mit ihnen geschlossen, um einer Wiederholung der Ereignisse vorzubeugen. Mit Unterstützung der USA und der EU weigert sich Georgien seither, Gewaltverzichtsabkommen mit den beiden Republiken abzuschließen.

Aus georgischer Sicht ist die politische Unterstützung des Westens allerdings nur ein schwacher Trost für das weitgehende Ausbleiben der gewünschten Hilfe bei der Wiederaufrüstung. US-Vizepräsident Joseph Biden, der Tbilissi vor einem Jahr besuchte, war mit einer langen Waffenwunschliste empfangen worden, die abschlägig beschieden wurde. Diesmal steht das Thema nicht auf der Tagesordnung der Gespräche mit Clinton.

Zu Beginn ihrer Rundreise hatte die Außenministerin am Freitag (2. Juli) in Kiew der durch den Präsidentenwechsel im Februar entstandenen neuen Lage Rechnung getragen. Unter Präsident Viktor Janukowitsch hat sich die Ukraine von der Frontstellung gegen Rußland gelöst, die die Außenpolitik des Landes seit der »orangen Revolution« vom November 2004 geprägt hatte. Teil des neuen Kurses ist die Verlängerung des Nutzungsabkommens für den Flottenstützpunkt Sewastopol auf der Krim um 25 Jahre. Die Ukraine hat sich seit dem Führungswechsel auch klar von früheren Wünschen nach einem Beitritt zur NATO distanziert. Clinton versuchte Schadensbegrenzung, indem sie die Ukraine zu einer »gleichgewichtigen« Politik gegenüber Rußland und den USA aufforderte, gleichzeitig aber betonte, die Tür zu einem NATO-Beitritt bleibe weiterhin offen.

In Krakow nahm Clinton am Sonnabend (3. Juli) an der Unterzeichnung eines Abkommens über die Stationierung eines Raketenabwehrsystems in Polen teil. Im vorigen Jahr hatte US-Präsident Barack Obama pathetisch entsprechende frühere Pläne seines Vorgängers George W. Bush verworfen und dies als Zeichen seines guten Willens gegenüber Rußland feiern lassen. Inzwischen ist klar, daß Obamas Konzept schneller einsatzbereit und sehr viel effektiver ist als das von Bush. Clinton wiederholte in Krakow das Märchen, es handele sich um einen »Schutz gegen die iranische Bedrohung«, obwohl Iran keine Raketen besitzt, die Polen erreichen könnten, und mit dem Land keinerlei Konflikte hat.

Im Zentrum der Gespräche, die Clinton am Sonntag (4. Juli) in Aserbaidschan und Armenien führte, stand das Nagorny-Karabach-Problem. Die auf dem Gebiet Aserbaidschans gelegene, aber überwiegend von Armeniern bewohnte Enklave hatte 1991 ihre Unabhängigkeit erklärt und in einem mehrjährigen Krieg behauptet. Außerdem gewannen die Armenier dabei einen Landkorridor, der das Gebiet mit dem »Mutterland« verbindet. Die Positionen beider Länder stehen völlig unversöhnlich gegeneinander. Sowohl in Baku als auch in Eriwan wünscht man sich Unterstützung der USA für die eigene Haltung. Die wollte Clinton indessen keiner Seite zusagen, sondern begnügte sich mit der Beteuerung, das Thema habe für ihre Regierung »höchste Priorität«.

* Aus: junge Welt, 6. Juli 2010


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