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Neue Handschrift des Terrors im Nordkaukasus

Der Nordkaukasus wurde von einem neuen Terroranschlag erschüttert

Von Nikolai Troizki *

Beim Bombenanschlag in Stawropol, Hauptstadt der gleichnamigen Region, kamen am 26. Mai sieben Menschen ums Leben (darunter ein zwölfjähriges Mädchen) und mehr als 30 wurden verletzt. Der Terror breitet sich offenbar weiter aus. An der „Terror-Front" tauchen neue Kämpfer und neue Gruppen auf.

Der Terroranschlag in Stawropol hatte zwei Ziele. Die Bombe explodierte vor dem Kultur- und Sportpalast, wo das tschetschenische Volkstanzensemble „Wainach" ein Konzert geben sollte. Es ist gut möglich, dass die Terroristen dadurch sowohl die Menschen in Stawropol als auch jene Tschetschenen ängstigen wollten, die sich für Frieden statt Krieg entschieden haben. Zudem wollten sie wohl die ohnehin angespannten Beziehungen zwischen den Völkern zuspitzen und die Situation in der Region destabilisieren, die seit Januar zum neuen Föderalbezirk Nordkaukasus gehört.

Die Behörden bezeichneten den Terroranschlag als „eine heftige präzedenzlose Provokation, um das Gleichgewicht zwischen den Völkern in der Region zu brechen". Wer ist der Drahtzieher dieser Provokation? Der Terroranschlag konnte kaum von kleinen Terrorgruppen verübt worden sein, die sich im Gebirge und in den Wäldern Tschetscheniens und Inguschetiens verstecken. Sie handeln anders.

Die nordkaukasischen Separatisten wählen nicht friedliche Bürger, sondern Militärs und Polizisten als Opfer. Zudem lassen sie Bomben in die Luft gehen, die deutlich mehr Schaden anrichten. Beim Anschlag in Stawropol wurde eine Bombe mit der Sprengkraft von 400 Gramm TNT gezündet. Zudem erkennt man die Separatisten an ihrer Taktik, kurz hintereinander zwei Bomben hochgehen zu lassen

Experten zufolge war der Anschlag eher eine dilettantische Bedrohungsaktion, als ein professionell vorbereiteter Terroranschlag gewesen. Das Untersuchungskomitee hat bereits zwei Varianten in Bezug auf die Hintermänner des Bombenanschlags.

Nach Polizeiangaben können die nationalistischen Extremistenorganisationen für den Terroranschlag verantwortlich sein. In diesem Fall liegt der Zusammenhang mit dem Auftritt der tschetschenischen Tanzgruppe auf der Hand. Das Ziel der Terrorgruppen ist, das fragile Gleichgewicht zwischen den Völkern ins Wanken zu bringen. In Stawropol hatte es vor drei Jahren eine Massenschlägerei zwischen Kaukasiern und einheimischen Jugendlichen gegeben. Dabei kam ein Tschetschene ums Leben.

Danach schaffte man es jedoch, die Beziehungen zu entspannen. In Stawropol hörte man lange Zeit nichts von nationalistischen Extremistenorganisationen. Die Tatsache, dass in diesen drei Jahren eine Organisation entstand, die zu blutigen Anschlägen bereit ist, ist ein alarmierendes Zeichen. Man muss diese Organisationen sofort zerschlagen, sonst kann es zu einer Kettenreaktion in ganz Nordkaukasus kommen. Dort ist alles ohnehin fragil und unzuverlässig.

Hinter dem Terroranschlag in Stawropol kann auch „ein verbrecherischer Untergrund" (Strafverbrecher, Banden) stecken. Ihr Ziel ist simpel: Den entschiedenen Kampf gegen Korruption und Kriminalität im Nordkaukasus zu untergraben. Dieser Kampf wurde von Alexander Chloponin, Vizepremier und Präsidentenbevollmächtigter im Nordkaukasus, verkündet. Chloponin plante einen Besuch in Stawropol, als der Anschlag geschah. Der Anschlag könnte eine Warnung sein.

Beide Varianten beweisen, dass die Regierung in Moskau neue Gegner im Kampf um die Stabilität im „instabilen Kaukasus" bekommen hat. Egal ob radikale nationalistische Extremisten oder unpolitische Banditen - sie bedrohen den Frieden und die Sicherheit in der explosiven Region.

Russlands Präsident Dmitri Medwedew verkündete vergangene Woche: „Die Korruption wird nicht nur im Nordkaukasus, sondern in jeder Region als Verbrechen bezeichnet. Im Kaukasus hat sie einen sehr bedrohlichen Charakter. Sie bedroht im Wesen die nationale Sicherheit, schwächt staatliche, soziale Institutionen. In der Tat hilft die Korruption direkt den Separatisten und Mördern, die im Föderalbezirk Nordkaukasus Verbrechen begehen."

Dasselbe kann man über die Bombenattentäter in Stawropol sagen. Unabhängig von deren Zielen sind sie zu Gehilfen der Separatisten geworden. Es ist äußerst wichtig, sie zu finden und auszuschalten. Sonst kann der Terror über die Grenzen des Nordkaukasus schwappen.

Die Meinung des Verfassers muss nicht mit der von RIA Novosti übereinstimmen.

* Aus: Russische Nachrichtenagentur RIA Novosti, 28. Mai 2010


Letzte Meldung

Terrorakt in Stawropol: Sechs mutmaßliche Täter gefasst - Keine offizielle Bestätigung **

In der russischen Nordkaukasus-Republik Inguschetien sind nach inoffiziellen Angaben sechs mutmaßliche Teilnehmer am Terroranschlag vom Mittwoch in Stawropol festgenommen worden.

Das erfuhr RIA Novosti am Sonntag (30. Mai) telefonisch aus den Sicherheitskreisen des Nordkaukasus-Wehrbezirkes. Der Anschlag hatte sieben Menschen das Leben gekostet. Die selbstgemachte Bombe mit einer Sprengkraft von 400 Gramm TNT war in unmittelbarer Nähe zum örtlichen Kultur- und Sporthaus explodiert. Eine Vierteilstunde später sollte dort der Auftritt des tschetschenischen Volkstanz-Ensembles Wainach beginnen.

Nach den Angaben sollen die Festgenommenen - drei Männer und drei Frauen - einer illegalen Organisation angehören, die im Nordkaukasus-Wehrbezirk aktiv ist.

Am vergangenen Freitag (28. Mai) waren laut inoffiziellen Informationen aus den inguschetischen Sicherheitsstrukturen zwei Tatverdächtige festgenommen worden.

Indes hat der Pressedienst des inguschetischen Präsidenten die Medienberichte über die Festnahme von sechs Terroristen nicht bestätigt.

„Die Informationen über die Festnahme von sechs Tatverdächtigen haben sich nicht bestätigt - ebenso wie die vor zwei Tagen erschienenen Berichte von zwei Festnahmen in der Republik“, sagte der Sprecher des inguschetischen Präsidenten, Kaloi Achilgow, RIA Novosti.

** Aus: Russische Nachrichtenagentur RIA Novosti, 28. Mai 2010


Gewalt im Nordkaukasus

Im September 2009 veröffentlichte RIA Novosti eine Übersicht über Gewaltaktionen mit terroristischem Hintergrund in den nordkaukasischen Republiken Russlands. Dort hieß es:
"Nach Ansicht des russischen Präsidenten Dmitri Medwedew wäre die Lage im Nordkaukasus nicht so angespannt, wenn die Wirtschaftslage in der Region besser wäre. 'Die Terroranschläge in Russland gehen weiter. Die Einwohner der nordkaukasischen Republiken haben einfach keine Ruhe. Militärs und Mitarbeiter der Rechtsschutzbehörden, Staatsangestellte und Kommunalbeamte, einfache friedliche Bürger kommen ums Leben', so Medwedew in seinem Beitrag für die Internetzeitung www.gazeta.ru am Donnerstag" (15. Sept. 2009). Wir dokumentieren aus der Übersicht die wichtigsten Angaben.

Inguschetien
  • Im Sommer 2009 wurden 47 Milizionäre und Militärangehörige getötet.
  • Die Gesamtzahl der Terroropfer (einschließlich Zivilpersonen) im Sommer 2009: 135 (zum Vergleich: im Sommer 2008: 52).
  • Die jüngsten Anschläge:
    17. August: Terroranschlag vor Gebäude der Innenbehörde in Nasran; 25 Tote;
    22. Juni: Präsident Junus-Bek bei Anschlag verletzt.
Tschetschenien
  • Im Sommer 2009 wurden 52 Milizionäre und Militärangehörige getötet.
  • Die Gesamtzahl der Terroropfer (einschließlich Zivilpersonen) im Sommer 2009: 151 (zum Vergleich: im Sommer 2008: 64).
  • Die jüngsten Anschläge:
    25. August: 3 Offiziere der Miliz wurden bei einem Selbstmordanschlag im Raum von Schali mit in den Tod gerissen;
    21. August: Selbstmordattentäter auf Fahrrädern töten 4 Milizionäre in Grosny;
    11. August: Menschenrechtlerin Sarema Sadulajewa und ihr Mann, Alik Dschabrailow, in Grosny entführt und erschossen;
    15. Juli: Menschenrechtlerin Natalja Estemirowa in Grosny entführt und erschossen;
Dagestan
  • Im Sommer 2009 wurden 41 Milizionäre und Militärangehörige getötet.
  • Die Gesamtzahl der Terroropfer (einschließlich Zivilpersonen) im Sommer 2009: 138 (zum Vergleich: im Sommer 2008: 28).
  • Die jüngsten Anschläge:
    13. August: In Bujnaksk wurden vier Polizisten und vier weibliche Zivilpersonen getötet
    11. August: Journalist Malik Achmedilow wurde in Machatschkala tot aufgefunden;
    5. Juni: Innenminister Magomed Tekirow ermordet.
Quelle: RIA Novosti, 15. September 2009




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