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Mehrheit für den Krieg

Kanada: Parlament verlängert Mandat für Afghanistan. Hauptpartei der Opposition stimmt mit der Regierung. Mehr Druck auf BRD zur Beteiligung an Kampfeinsätzen erwartet

Von Knut Mellenthin *

Kanadas Unterhaus hat am Donnerstag (13. März) mit großer Mehrheit das Mandat für die 2 500 überwiegend in der afghanischen Südprovinz Kandahar stationierten Soldaten bis Ende 2011 verlängert. Die mit einer parlamentarischen Minderheit regierenden Konservativen und die oppositionellen Liberalen sind dazu unter der Parole der nationalen Einheit ein Bündnis eingegangen. Dadurch kam ein Ergebnis von 198 zu 77 zustande. Die Abgeordneten der Neuen Demokratischen Partei und des separatistischen Bloc Quebecois stimmten gegen die Verlängerung. Die vorangegangene Mandatsverlängerung im Mai 2006 hatte das Parlament nur knapp mit 149 gegen 145 Stimmen passiert.

Dennoch kommt das Zusammengehen der beiden größten Parteien des Landes nicht überraschend. Schließlich waren es die damals regierenden Liberalen, die nach dem 11. September 2001 kanadische Soldaten in den Afghanistan-Krieg schickten. Auch für die Entscheidung im Jahr 2005, die Truppenstärke zu verdoppeln und die Verantwortung für die Aufstandsbekämpfung in Kandahar zu übernehmen, war eine von den Liberalen geführte Regierung verantwortlich.

Doch seit die Partei 2006 in die Opposition gedrängt wurde und seit die Verluste des kanadischen Kontingents dramatisch angestiegen sind, versuchen die Liberalen, sich als Kritiker der Kriegsführung darzustellen. Das liegt nahe, da angesichts von 80 toten Soldaten inzwischen die Mehrheit der Bevölkerung gegen die weitere Beteiligung am Afghanistankrieg ist. Das jetzige Zusammengehen der Partei mit den Konservativen bei der Verlängerung des Mandats um weitere drei Jahre zeigt jedoch, wo die Liberalen tatsächlich stehen.

Die am Donnerstag (13. März) angenommene Resolution knüpft die Fortsetzung des kanadischen Einsatzes an die Bedingung, daß bis Februar 2009 mindestens 1000 Mann Verstärkung aus anderen Ländern nach Kandahar geschickt werden müssen. Sie sollen die Kanadier nicht nur entlasten, sondern ihrem Kontingent auch erlauben, sich stärker mit dem Wiederaufbau des Landes und mit der Ausbildung afghanischer Soldaten und Polizisten zu befassen. Darüber hinaus verlangt Kanada von den Verbündeten mehr Kampfhubschrauber und unbemannte Aufklärungsflugzeuge für Kandahar.

Derzeit zeichnet sich ab, daß Frankreich für die geforderte Truppenverstärkung sorgen wird. Allerdings voraussichtlich nicht direkt, sondern so, daß französische Soldaten in den zwar auch umkämpften, aber nicht ganz so gefährlichen Südosten geschickt werden, für den die USA verantwortlich sind. Dadurch könnten US-amerikanischen Truppen für die Verlegung nach Kandahar freigestellt werden. Die Bekanntgabe der endgültigen Entscheidung von Präsident Nicolas Sarkozy, wohin die französischen Soldaten gehen sollen, wird während des Bukarester NATO-Gipfels im April erwartet. In jedem Fall wird vom stärkeren »Engagement« Frankreichs ein noch größerer Druck auf Deutschland ausgehen, sich ebenfalls an Kampfeinsätzen zu beteiligen.

* Aus: junge Welt, 15. März 2008


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