Jemen als nächstes Bombenziel der USA?
Berichte über möglichen "Vergeltungsangriff" nach gescheitertem Flugzeugattentat
Während US-Präsident Barack Obama nach dem vereitelten Anschlag auf ein
US-Passagierflugzeug »katastrophale« Pannen seiner Sicherheitsbehörden
einräumt, kundschaften die USA bereits Ziele in Jemen für einen
möglichen »Vergeltungsangriff« aus.
Das US-Militär kundschaftet nach einem Bericht des Nachrichtensenders
CNN bereits Al-Qaida-Stellungen in Jemen für mögliche Angriffe aus. In
Zusammenarbeit mit jemenitischen Behörden würden infrage kommende Ziele
überprüft, berichtete der US-Sender unter Berufung auf zwei namentlich
nicht genannte Regierungsbeamte. Man wolle vorbereitet sein und Optionen
vorlegen können, falls Präsident Obama einen solchen Angriff befehle,
hieß es.
Die Terrorgruppe »Al Qaida auf der arabischen Halbinsel« hatte sich zu
dem vereitelten Angriff auf ein Passagierflugzeug bekannt und angegeben,
den Attentäter in Jemen mit dem Sprengstoff ausgerüstet und instruiert
zu haben.
Die Versäumnisse der US-Sicherheitsbehörden seien »vollkommen
inakzeptabel«, sagte Obama an seinem Urlaubsort auf Hawaii. Menschliches
Versagen und Fehler im System hätten dazu geführt, dass der 23-jährige
Nigerianer Umar Farouk Abdulmutallab am Freitag mit hochexplosivem
Sprengstoff an Bord eines US-Flugzeugs auf dem Weg von Amsterdam nach
Detroit gelangt sei.
Abdulmutallab war in den USA auf einer Liste von mehr als einer halben
Million potenziellen Terrorverdächtigen geführt worden. Sein Vater, ein
Bankier aus Nigeria, war nach eigenen Angaben so besorgt über die
Ansichten seines Sohnes, dass er unter anderem die US-Botschaft in Abuja
alarmierte. Nach einem Bericht des Nachrichtensenders CNN warnte er auch
den US-Geheimdienst CIA.
Derweil könnte das vereitelte Flugzeugattentat die von Obama ankündigte
Schließung des Gefangenenlagers Guantanamo in Frage stellen. Das
Problem: Rund 90 der 198 Häftlinge, die derzeit noch in dem Camp
einsitzen, sind Jemeniten - und nach Obamas Schließungskonzept sollen
viele von ihnen in ihre Heimat zurückdürfen.
Am Amsterdamer Flughafen Schiphol sollen innerhalb der nächsten drei
Wochen bei allen Flügen in die USA routinemäßig Nacktscanner eingesetzt
werden. Das kündigte jetzt die niederländische Innenministerin Guusje
ter Horst an.
* Aus: Neues Deutschland, 31. Dezember 2009
Wie stark ist Al Qaida in Jemen?
Houthi-Bewegung wehrt sich gegen den Vorwurf der Zusammenarbeit
Von Karin Leukefeld **
Der vereitelte Anschlag auf ein US-Flugzeug soll angeblich in Jemen von
Al Qaida geplant und in Auftrag gegeben worden sein. Das Armenhaus der
arabischen Halbinsel wird mit Washingtoner Militärhilfe massiv
unterstützt. Doch gibt es die von Sanaa beschworene Gefahr wirklich?
Auftrag, Sprengstoff und Anleitung für den Anschlag habe er in Jemen
erhalten, so der in einem Flugzeug der US-amerikanischen Fluglinie Delta
festgenommene junge Nigerianer. Er habe im Auftrag von Al Qaida
gehandelt, die scheinbar im südarabischen Armenhaus zu neuer Blüte
gelangt ist. Das zumindest behaupten sowohl der jemenitische Präsident
Ali Abdullah Saleh als auch USA-Präsident Barack Obama, der mit der
neuen Gefahr eine umfangreiche Militärhilfe begründet.
Sicherheitsexperten leisten nicht nur Ausbildungs- und Aufklärungshilfe,
bei jüngsten Luftangriffen auf angebliche Al-Qaida-Lager waren sie wohl
aktiv beteiligt. Am 24. Dezember wurden dabei 34 Personen getötet. Nach
Auskunft eines Augenzeugen seien allerdings normale Wohnhäuser zerstört
worden, man habe die Leichen von mindestens sieben Frauen und Kindern
geborgen.
Saleh beschwört aber nicht nur eine angebliche Gefahr neuer
Al-Qaida-Zellen in seinem heruntergewirtschafteten Land, die
»Terroristen« machten zusätzlich gemeinsame Sache mit einer anderen
»Terrorgruppe«, die den Nordwesten des Landes destabilisieren und eine
Basis für Iran und die libanesische Hisbollah errichten wolle. Saleh
meint damit die schiitische Houthi-Bewegung, gegen die die Armee seit
Anfang August die Militäroperation »Verbranntes Land« führt. Unterstützt
wird sie nicht nur von den USA, sondern auch von Saudi-Arabien.
Die Zusammenarbeit von Al Qaida und Houthis habe sich auch bei der
Entführung der deutschen Familie gezeigt, die seit Juni 2009 als
vermisst gilt und von deren drei kleinen Kindern kurz vor Weihnachten
ein Video aufgetaucht sein soll. Der jemenitische Verteidigungsminister
Raschad al Alaimi behauptet, Al Qaida habe drei der entführten Frauen
getötet. Schon unmittelbar nach der Entführung hatte die Regierung die
Houthis verantwortlich gemacht, die bestritten den Vorwurf aber immer.
Der Sprecher der Gruppe, Mohammed Abdulsalem, wiederholte das kürzlich
gegenüber der Autorin: »Dieses Verbrechen verstößt gegen unsere Werte,
gegen unsere Moral und gegen unsere Bräuche. Diese Familie war Teil
unserer Gesellschaft. Man respektierte sie und war dankbar für ihre
Arbeit.« Die Familie habe Jahre lang in Saada gelebt, nie sei ihr ein
Leid geschehen, so Abdulsalem.
Die Regierung in Sanaa bezeichnete er als korrupt und verantwortungslos
gegenüber der eigenen Bevölkerung. Internationale Hilfsgelder, die allen
Jemeniten Arbeit, Bildung und Gesundheitsversorgung garantieren könnten,
kämen nicht an. Sie habe einen »Stellvertreterkrieg« erfunden, den die
Houthis angeblich für Iran führten, doch seien die kein »Anhängsel für
irgendeine andere Partei, egal ob es Iran oder eine andere Macht der
Welt ist«, sagte Abdulsalem. »Dieses Gerede über iranische Einmischung
dient lediglich dazu, Saudi-Arabien einzuschüchtern und zu erpressen.
Die Saudis sollen das mittellose und fragile jemenitische Regime
unterstützen. Wir sind nicht so dumm, dass wir unsere Kinder, Frauen und
unser eigenes Blut opfern, unsere Häuser, Dörfer und Moscheen zerstören
lassen und unser ganze Leben blockieren, nur um die politische Position
irgendeines Staates zu vertreten.« Die Regierung habe nicht einen Beweis
»für die falschen Vorwürfe« vorgelegt. Das gelte auch für die angebliche
Zusammenarbeit von Al Qaida und Houthis bei der Entführung der deutschen
Familie.
** Aus: Neues Deutschland, 31. Dezember 2009
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