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Japan beginnt den Wandel

Neuer Premier will Stagnation beenden

Daniel Kestenholz, Bangkok *

Mit der in Japan üblichen Abstimmung zur symbolischen Arbeitsaufnahme hat das neue Parlament am Mittwoch Yukio Hatoyama zum Regierungschef gewählt.

Mit dem Führer der Demokraten (DPJ) übernimmt nicht nur erstmals seit einem halben Jahrhundert die bisherige Opposition die Macht -- die altehrwürdige Liberaldemokratische Partei (LDP) hatte bis auf ein paar Monate ohne Unterbrechung regiert. Hatoyama hat auch grundlegenden Wandel versprochen. Japans 93. Premierminister will mit zwei Jahrzehnten wirtschaftlicher und politischer Stagnation aufräumen. Hatoyama verspricht grundlegende Neuerungen, wie in Japan regiert und Geld ausgegeben werden soll.

Doch der eine Spur zu exzentrische Zögling aus großem Haus, der aus einer reichen Politiker- und Unternehmerfamilie stammt, dürfte womöglich bald auf dem harten Boden japanischer Realpolitik aufschlagen. Die Arbeitslosigkeit hat gerade einen historischen Höchststand erreicht, und erstmals sieht sich die bis vor wenigen Jahren verwöhnte Nation Problemen wie Armut, Obdachlosigkeit und Überalterung ausgesetzt.

Die auf die Oppositionsbank verdrängten Liberaldemokraten haben in den vergangenen drei Jahren gleich drei Premierminister verbraucht, die angesichts der Unlösbarkeit der Probleme nur wenige Wochen nach ihrem Amtsantritt allesamt als Versager galten. Dieses Dilemma der LDP verhalf den Demokraten bei den jüngsten Wahlen zum überwältigenden Erfolg: Sie eroberten 308 Sitze im 480-köpfigen Unterhaus. Hatoyama strotzt denn auch vor Selbstvertrauen. Mit einem ehrgeizigen Ausgabenprogramm will er Japan »von unten herauf« zur alten Größe zurückführen. Familien sollen Geld erhalten, um die zweitgrößte Volkswirtschaft der Welt von der Basis her zu stärken. Auch will die neue Regierung jeden nicht absolut notwendigen Ausgabenposten streichen. Woher Yukio Hatoyama all das Geld nehmen will, um auch noch den Sozialstaat mit Kinderzulagen und Mindestlöhnen zu stärken, bleibt vorerst ein Rätsel.

Schlüsselpositionen im Kabinett besetzt der neue Premier mit geläufigen Namen. Der ehemalige Demokratenführer Katsuya Okada, der seine Partei 2004 zu einem historischen Sieg im Oberhaus führte, übernimmt das Außenministerium. Okada soll die Beziehungen zu den Nachbarn in Asien festigen und ein »Bündnis unter Gleichen« mit den USA suchen.

Mit Naoto Kan wird ein weiterer ehemaliger DPJ-Chef Vizepremier und Vorsteher des neuen Nationalen Strategiebüros. Das Büro soll das Entscheidungsprozesse der Kontrolle der mächtigen Bürokratie entziehen und diese gleich reformieren. Finanzminister wird Hirohisa Fujii, ein 77-jähriger Veteran, der den Ausgabenwahn von Japans gigantischer Bürokratie unter Kontrolle bringen und dabei das Wachstum ankurbeln soll, ohne die öffentliche Verschuldung weiter zu erhöhen.

In ersten Äußerungen bekannte sich Finanzminister Fujii zu einem starken Yen, was die japanische Währung gegenüber dem Dollar gleich in die Höhe trieb. Dies, obwohl die Entscheidungsträger unter Druck stehen, den Yen abzuwerten, um die exportorientierte Wirtschaft neu anzuwerfen.

* Aus: Neues Deutschland, 17. September 2009


Japan: Mindestlohn und Sozialprogramme gegen die Krise **

Zweieinhalb Wochen nach seinem historischen Wahlsieg in Japan ist Yukio Hatoyama, Chef der Demokratischen Partei (DPJ), vom Parlament zum Ministerpräsidenten gewählt worden. Die Abgeordneten beider Kammern beendeten mit einem klaren Votum für den 62jährigen die mehr als 50 Jahre währende Macht der Liberaldemokraten (LDP). Mit mehr Gewicht für das Soziale will Hatoyama (oben stehend), der sich nach seiner Wahl mehrmals vor den begeistert applaudierenden Abgeordneten verneigte, Japan aus der Krise führen.

Nach seiner Ernennung habe er angesichts des historischen Moments vor Aufregung gezittert, sagte Hatoyama auf seiner ersten Pressekonferenz als Regierungs­chef. Gleichzeitig habe er eine schwere Verantwortung empfunden. Er warb um das Vertrauen der Japaner, auch zu seiner Regierung zu stehen, sollten die ersten Gehversuche weniger glücklich enden. »Wir müssen das Land in eine bürgernahe Gesellschaft verändern.«

An seinem neuen Amtssitz ernannte Hatoyama die Mitglieder seines Kabinetts. Der 77jährige Hirohisa Fujii soll als neuer Finanzminister die von der Finanzkrise schwer angeschlagene japanische Wirtschaft wieder in Schwung bringen. In der stark exportorientierten Volkswirtschaft sollen nun mit neuen Sozialprogrammen Familien unterstützt und die Nachfrage angekurbelt werden. Akira Nagatsuma soll als neuer Arbeitsminister einen landesweiten Mindestlohn durchsetzen.

Als Außenminister wurde Katsuya Okada bestimmt. Der 56jährige will die Bande zu den asiatischen Nachbarn stärken, allen voran zu China. Er hat zudem ein selbstbewußtes Auftreten gegenüber dem engsten Verbündeten USA angekündigt. (AFP/jW)

** Aus: junge Welt, 17. September 2009


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