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Japan will Friedensverfassung ändern

Ausschuss des japanischen Unterhauses empfiehlt die Anpassung der Verfassung von 1947 an militärpolitische Erfordernisse - Japan hat heute schon die viertstärkste Armee der Welt - Kritik aus China


Die japanische Verfassung von 1947:
Artikel 9
(1) In aufrichtigem Streben nach einem auf Gerechtigkeit und Ordnung gegründeten internationalen Frieden verzichtet das japanische Volk für alle Zeiten auf den Krieg als ein souveränes Recht der Nation und die Androhung oder Ausübung von militärischer Gewalt als ein Mittel zur Regelung internationaler Streitigkeiten.
(2) Zur Erreichung des Zwecks des Absatz 1 werden Land-, See- und Luftstreitkräfte sowie andere Kriegsmittel nicht unterhalten.
(3) Ein Kriegführungsrecht des Staates wird nicht anerkannt.

Die Diskussion um eine Revision der japanischen Verfassung, insbesondere des "Friedensartikels" 9, dauert schon Jahre. Nun scheint es den Regierenden Ernst zu sein. Die Friedensverfassung steht einer weiteren Aufrüstung und imperialen Politik im Weg.
Wir dokumentieren im Folgenden


Japans Verfassung wird umgeschrieben

Parlamentsausschuss schlägt eine Veränderung des pazifistischen Artikels 9 vor / Besorgnis über Chinas Seemanöver

VON KARL GROBE

Japans Parlament bereitet eine Verfassungsrevision vor, in der von pazifistischen Grundsätzen abgewichen wird. Ein Regierungsbericht sieht die Sicherheit des Landes durch chinesische Seemanöver gefährdet.


Frankfurt a. M. · 15. April · Ein Ausschuss des japanischen Unterhauses empfiehlt die Anpassung der Verfassung von 1947 an militärpolitische Erfordernisse. Im Artikel 9 "verzichtet Japan auf Krieg als ein souveränes Recht einer Nation und auf die Androhung oder die Anwendung von Gewalt". Dieser Artikel ist traditionell als Verbot der kollektiven Verteidigung, einschließlich gemeinsamer Militäroperationen mit den US-Streitkräften und kollektiven Sicherheitsaktivitäten interpretiert worden. Das Verbot der Kriegführung solle danach auch künftig nicht angetastet werden, doch die Beteiligung an UN-Aktionen und der Aufbau eines regionalen Verteidigungssystems sollen künftig erlaubt sein. In der Präambel sollen Geschichte, Tradition und Kultur Japans neu gewichtet werden, berichtete die Nachrichtenagentur Kyodo am Freitag. [15.04.2005]

Die Verfassungsrevision wird seit fünf Jahren von der Regierungspartei LDP energisch betrieben. Das Bestreben des nationalistischen Flügels, die Verbote militärischer Aufrüstung und Aktivität ganz zu streichen, fanden in der Parlaments-Arbeitsgruppe keine Mehrheit. Japan darf laut Verfassung keine Armee unterhalten, doch gelten die "Selbstverteidigungskräfte" (SDF) als modernste Streitkräfte Asiens und eine der vier stärksten Armeen der Erde.

Ministerpräsident Junichiro Koizumi, der sich dem nationalistischen Flügel angenähert hat, setzte die Entsendung einer SDF-Truppe mit humanitärem Auftrag nach Irak durch. Die jüngsten Ergänzungen des Sicherheitsvertrags mit den USA weiten das Gebiet möglicher japanischer Aktionen bis in den Indischen Ozean aus. Japan will sich auch an der US-inspirierten regionalen Raketenverteidigung beteiligen.

In ihrem Jahresbericht, der am Freitag veröffentlicht wurde, äußerte Japans Regierung sich "besorgt" über Chinas militärische Aktivitäten in grenznahen Seegebieten. Diese bedrohten Japans nationale Sicherheit und verletzten seine Souveränität, urteilt die Regierung. Der Bericht bezieht sich unter anderem auf ein Atom-U-Boot, das in japanisches Hoheitsgebiet eingedrungen war und auf Chinas Suche nach Gas- und Ölvorkommen in einem umstrittenen Seegebiet im Ostchinesischen Meer. In einer Studie des Tokioter Zentrums für Sicherheitsforschung war der Konflikt als ein Ernstfall-Szenario gewertet worden. Die Tageszeitung Yomiuri zitierte den Energie-Spezialisten Yoshiki Hatanaka, Japan solle alle Mittel, einschließlich politischem Druck, Diplomatie und Verteidigung" zur Wahrung seiner Interessen nutzen.

Die liberale Tageszeitung Asahi meldete, Japan habe 1994 einen Präventivschlag gegen Nordkoreas vermutete Raketenstellungen erwogen. SDF-Vertreter hätten mangels ausreichender Luftwaffenkapazität davon abgeraten. Der Leiter der Verteidigungsagentur, Yoshinori Ono, bestätigte den Bericht und erläuterte, für solche Zwecke taugliche Waffen dürfe Japan nicht haben.

Aus: Frankfurter Rundschau, 16. April 2005


Zur Verfassungsdiskussion hält die Japanische Botschaft in Deutschland Artikel aus 2002 und aus dem vergangenen Jahr bereit. Wir zitieren aus ihnen:

Japan Brief des Foreign Press Center, Japan

Japan Brief, FPC Nr. 0242
15.11.2002

Zwischenbericht listet Pro und Contra einer Verfassungsrevision auf

Am 1. November überreichte der Forschungsausschuss über die Verfassung des Abgeordnetenhauses, der im Januar 2000 zur Förderung einer Debatte über die Verfassung im Parlament eingerichtet worden war, dem Sprecher des Abgeordnetenhauses, Tamisuke Watanuki, einen Zwischenbericht. Es ist dies der erste Bericht des Parlaments über die Verfassung überhaupt. Mit den Schwerpunkten Sicherheit und Menschenrechte enthält der Bericht sowohl Argumente für eine Revision der Verfassung als auch für das Belassen der Verfassung in ihrer jetzigen Form. Er enthält keine konkreten Empfehlungen für eines der beiden Lager. Da jedoch eine Mehrheit der Ausschussmitglieder eine Verfassungsrevision befürwortet und da der Bericht die Notwendigkeit für eine deutliche Benennung neuer Menschenrechtsfragen wie Umweltrechte und Privatsphäre betont, wurde der Bericht von den politischen Beobachtern im allgemeinen als Befürwortung einer Revision gewertet.

Abschlussbericht für 2005 vorgesehen

Der Ausschuss plant, seinen Abschlussbericht 2005 vorzulegen. Die Liberaldemokratische Partei (LDP) und andere Befürworter einer Revision beabsichtigen angeblich die Beratungen des Ausschusses zu beschleunigen, indem z.B. mit der Überprüfung jedes einzelnen Artikels der Verfassung begonnen wird. Die Kommunistische Partei Japans (KPJ) und die Sozialdemokratische Partei (SDP) halten hingegen daran fest, dass keine Notwendigkeit für eine Änderung der Verfassung besteht. Allerdings sind sich auch die Regierungsparteien nicht unbedingt einig, wenn es um konkrete Detailfragen geht. Daher dürfte sich die Aufmerksamkeit nun darauf konzentrieren, wie der Ausschuss die unterschiedlichen Meinungen behandelt, die im Zwischenbericht genannt werden und bis zu welchem Grad er in der Lage ist, konkrete Vorbereitungen für eine Verfassungsrevision zu unternehmen.

Der 706 Seiten starke Zwischenbericht, der vom Sekretariat des Ausschusses zusammengestellt wurde, markiert die Halbzeit des "ca. fünfjährigen Tätigkeitszeitraums" des Gremiums. Er enthält - nach Themen unterteilt - die Äußerungen der Ausschussmitglieder von Regierung, Opposition und Experten außerhalb des Parlaments, wie z.B. allgemeine Bemerkungen, Kaiserhaus, Sicherheit und internationale Zusammenarbeit, grundlegende Menschenrechte und Autonomie der Regionen. Der Ausschuss hat fünfzig Mitglieder, die entsprechend der Stärke der Parteien im Abgeordnetenhaus entsandt wurden. Über die Hälfte gehören der LDP an, die sich für eine Verfassungsrevision ausspricht. Abgesehen von den Mitgliedern der KPJ und der SDP, die sich gegen eine Änderung der jetzigen Verfassung aussprechen, halten die meisten Mitglieder des Ausschusses eine Revision für angemessen, so dass die Unzulänglichkeiten der Verfassung in ihrer jetzigen Form in den Zwischenbericht aufgenommen wurden.

Zu den Schlüsselargumenten des Lagers für eine Verfassungsrevision gehören u.a.: "Angesichts des raschen Wandels in der internationalen Gemeinschaft werden wir ohne eine Änderung der Verfassung nicht auskommen." oder "Viele Länder auf der ganzen Welt haben ihre Verfassungen geändert, um sich den veränderten Umständen und Bedürfnissen anzupassen. Dass die Verfassung von Japan seit 1947 nicht ein einziges Mal geändert wurde, beruht einzig auf der Nachlässigkeit des Parlaments." Diejenigen, die die Beibehaltung der jetzigen Verfassung befürworten, entgegen hingegen: "Die Verfassung stellt klare Grundsätze für Frieden und Demokratie auf; daher besteht keine Notwendigkeit für ihre Änderung." sowie "Die Ursachen für die gegenwärtigen Probleme liegen nicht darin begründet, dass die Verfassung alt ist, sondern darin, dass die Regierung es versäumt hat, ihre Politik den Zeitumständen anzupassen. Zum jetzigen Zeitpunkt besteht keine Notwendigkeit für eine Revision der Verfassung."

Artikel über Verzicht auf den Krieg nimmt viel Raum ein

Den größten Abschnitt im Zwischenbericht nimmt der Artikel 9 ein, der einen Verzicht auf den Krieg beinhaltet, und zu dem selbst innerhalb der Regierungsparteien unterschiedliche Auffassungen bestehen. In dem Bericht argumentieren die Befürworter einer Revision, dass der Wortlaut von Artikel 9 kleinliche Debatten über seine Interpretation verursache und nicht so belassen werden sollte, wie er jetzt lautet. Der Artikel sollte vielmehr überarbeitet werden, um das Recht Japans auf Selbstverteidigung deutlich herauszustreichen, eine Frage, zu der gegenwärtig verschiedene Auffassungen existieren. Zudem sollte die Existenz der Selbstverteidigungsstreitkräfte auf eine klare Grundlage gestellt werden, während das Verfassungsprinzip des Friedens beibehalten wird. Das Lager der Revisionsgegner argumentiert, dass das Nichtunterhalten von militärischen Kräften eine Pionierleistung sei, die nicht geändert werden sollte. Die Verfassung beinhalte nicht das Recht auf kollektive Selbstverteidigung und Artikel 9 erlaube keineswegs die Einrichtung permanenter Streitkräfte.

Quelle: http://www.de.emb-japan.go.jp/presse/jb_0242.html


Japan Brief, FPC Nr. 0419
20.05.2004

Diskussion über Revision der Verfassung kommt in Gang


Am 3. Mai jährt sich das Inkrafttreten der japanischen Verfassung im Jahre 1947 zum 57. Mal. In einer unlängst von der Asahi Shimbun durchgeführten Umfrage lagen die Befürworter einer Verfassungsrevision erstmals über der 50%-Marke. Das bedeutet, dass erstmals bei allen von führenden japanischen Tageszeitungen durchgeführten Umfragen eine Mehrheit für eine Revision ausgemacht werden konnte. Gegenwärtig wächst in der Öffentlichkeit das Interesse an einer Veränderung in ungeahntem Maße. Sowohl die Liberaldemokratische Partei und die Komei-Partei - beides Partner in der Regierungskoalition - als auch die oppositionelle Demokratische Partei Japans beabsichtigen, die wichtigsten Punkte, die bei einer Revision der Verfassung Berücksichtigung finden sollten, zu klären bzw. im Juni einen vorläufigen Bericht vorzulegen. Es sieht somit aus, als ob die Debatte zur Verfassungsrevision an Schärfe gewinnt.

Generationenwechsel lässt Unterstützung für Revision wachsen

Um den Tag der Verfassung herum, der in Japan am 3. Mai begangen wird, nahmen japanische Tageszeitungen die Gelegenheit wahr, öffentliche Meinungsumfragen bezüglich der Verfassung durchzuführen. In der Befragung der Asahi Shimbun stimmten 53% der Befragten der Aussage „Eine Änderung der Verfassung ist notwendig“ zu - erstmals sprach sich somit eine Mehrheit dafür aus. (Die Unterstützung belief sich in der vorherigen Umfrage aus dem Jahre 2001 auf 47%.) 35% der Befragten hingegen bestätigten die Aussage „Eine Verfassungsänderung ist nicht notwendig“ - in der vorherigen Umfrage waren noch 36% dieser Meinung gewesen. In Bezug auf Artikel 9 der Verfassung - Verzicht auf Krieg - stimmten 31% zu, dass „es besser ist, ihn zu ändern“ - ein Anstieg gegenüber 17% im Jahr 2001. Einverständnis, diesen Artikel „unverändert beizubehalten“ äußerten 60%, ein Rückgang gegenüber 74% bei der letzten Umfrage.

Eine Befragung der Nihon Keizai Shimbun brachte zu Tage, dass 55% der Befragten glauben, die Verfassung sollte überarbeitet werden. In den Umfragen der Yomiuri Shimbun überstieg bis 1991 die Zahl der Gegner einer Verfassungsänderung deren Befürworter erheblich. Erst 1993 gab es eine Richtungsänderung, als mehr Bürger eine Revision befürworteten als ablehnten. In diesem Jahr ergab die Untersuchung, dass 65% eine Verfassungsreform unterstützen - der höchste je registrierte Wert. Seit 1998 war über sieben Jahre hinweg eine Mehrheit für eine Revision zu verzeichnen. Befragungen der Mainichi Shimbun aus den 80er Jahren zeigten bei jeweils zirka 30% Befürwortern und Gegnern eine in diesem Punkt relativ gespaltene Öffentlichkeit. Ab dem Jahre 2000 überstieg die Zahl der Reformbefürworter 40% und in diesem Jahr nun wurde die 50%-Marke überschritten.
(...)
Ende des Kalten Krieges und Golfkrieg als Wendepunkte

Die aktuelle Verfassung, welche die Verfassung des Kaiserreichs Japan ersetzte, wurde am 3. November 1946 proklamiert und trat am 3. Mai 1947 in Kraft. Japan erhielt durch Unterzeichnung des Friedensvertrags von San Franzisko 1951 seine Unabhängigkeit zurück, und bereits kurz darauf setzte die Diskussion um eine Revision der Verfassung ein. Die Demokratische Partei unter Ministerpräsident Ichiro Hatoyama ging 1955 mit dem Versprechen des „Aufbaus von Selbstverteidigungsstreitkräften durch eine Revision von Artikel 9“ in die Wahlen. 1957 wurde ein Regierungsausschuss für die Verfassung unter Vorsitz von Kenzo Takayanagi gebildet. Der Ausschuss diskutierte die Problematik unter den Regierungen von Nobusuke Kishi und Hayato Ikeda über sieben Jahre hinweg und legte dem Kabinett schließlich 1964 einen Bericht mit allem Für und Wider vor.

Während des Kalten Krieges existierte eine Art Patt zwischen konservativen und progressiven Kräften in Japan, und die Diskussion über eine Revision der Verfassung galt als Tabu. Mit dem Ende des Kalten Krieges änderte sich diese Situation grundlegend. Den Wendepunkt markierte die Parlamentsdebatte 1991 zum Golfkrieg. Die Debatte drehte sich um die Frage, inwiefern sich Japan im Rahmen der geltenden Verfassung unter Einsatz der Selbstverteidigungsstreitkräfte international beteiligen könnte. Das Gesetz für die Zusammenarbeit bei friedenserhaltenden Maßnahmen, das kurz darauf in Kraft trat, ebnete den Weg für die Entsendung der Selbstverteidigungsstreitkräfte ins Ausland. Nach den Terrorangriffen vom 11. September in den Vereinigten Staaten entsandte Japan Marineeinheiten der Selbstverteidigungsstreitkräfte in den Indischen Ozean, um die US-geführten Streitkräfte in Afghanistan logistisch zu unterstützen. Und schließlich wurden dieses Jahr Bodentruppen in den Irak entsandt. Während so immer mehr Truppen entsandt wurden, blieb die Auslegung der Verfassung durch die Regierung unverändert. Jahr für Jahr wuchs dadurch die Zahl der Stimmen, die auf die Diskrepanz zwischen Verfassung und Realität verweisen. Diese Stimmen waren es auch, die zu der aktuellen Debatte führten.

Die Debatte kam ernsthaft in Gang, als im Jahre 2000 beide Kammern des Parlaments und alle großen Parteien eigene Kommissionen zu der Problematik bildeten. Der Forschungsausschuss für die Verfassung des Unterhauses unter Vorsitz von Taro Nakayama wird vermutlich im Frühjahr 2005 seinen Abschlussbericht vorlegen, und die diesbezügliche Diskussion ist fast abgeschlossen. Die von Mitsuhiro Uesugi geleitete Kommission des Oberhauses trat Ende April in die abschließenden Beratungen ein. Die LDP empfahl bereits, dass beide Kammern nach Vorlage der Berichte der Ausschüsse und deren Auflösung ständige Ausschüsse einsetzen sollten, die u.a. Vorschläge zu Verfassungsänderungen prüfen.

Die Mainichi führte eine Befragung der Abgeordneten beider Kammern hinsichtlich deren Einstellung gegenüber einer Revision der Verfassung durch. 545 Parlamentarier beteiligten sich, was einem Anteil von 75,5% entspricht. Demnach sprechen sich 78% der Parlamentsabgeordneten für eine Revision der Verfassung aus, 14% lehnen sie ab und weitere 8% enthielten sich einer Meinung. Die Parteien, die eine Revision in erster Linie unterstützen, sind die LDP (96% Befürworter), die Komei-Partei (80%) und die oppositionelle DPJ (73%). Dagegen waren alle Mitglieder sowohl der Kommunistischen Partei Japans als auch der Sozialdemokratischen Partei gegen eine Revision. 70% der Abgeordneten waren gegen eine Aufhebung des ersten Absatzes von Artikel 9, in dem der Verzicht auf Krieg festgeschrieben ist, während die Ablehnung einer Änderung des zweiten Absatzes, der den Verzicht auf die Möglichkeit zur Kriegsführung beinhaltet, nur noch 57% betrug. Diese Ergebnisse belegen, dass sich die Mehrheit der Abgeordneten - obgleich sie den Artikel 9 der Verfassung respektieren - für eine Klärung der Rolle der Selbstverteidigungsstreitkräfte ausspricht.

Die drei größten Parteien wollen Entwurf zur Verfassungsreform vorlegen

Vor dem Hintergrund dieser Entwicklung beginnen sowohl Regierungs- als auch Oppositionsparteien mit der Prüfung konkreter Vorschläge für eine Änderung der Verfassung. Seit ihrer Gründung 1955 ist die LDP dafür eingetreten, dass Japan „seine eigene Verfassung erstellen sollte“ - die parteiinterne Forschungskommission ist allerdings nie so weit gegangen, einen konkreten Vorschlag vorzulegen. Im August 2003 kündigte Premierminister Junichiro Koizumi jedoch an, dass die LDP im November 2005 - zum 50. Jahrestag der Gründung der Partei - Vorschläge für eine Revision der Verfassung vorzulegen gedenkt. Ministerpräsident Koizumi gab dieses Versprechen im Vorfeld der Unterhauswahlen im letzten Jahr, und damit nahm die Debatte zu konkreten Vorschlägen ihren Lauf. Nachdem die zu berücksichtigenden Punkte im Juni zusammengetragen waren, begann die Forschungskommission der LDP im Herbst mit ihrer Arbeit zur Vorlage eines Entwurfs.

Die DPJ setzt sich für die Schaffung einer neuen Verfassung ein, und der damalige DPJ-Vorsitzende Naoto Kan äußerte bei einem Parteitreffen im Januar, die Partei werde einen eigenen Vorschlag für eine Verfassungsrevision vorlegen; der Abschluss der Arbeiten sei für 2006 vorgesehen. Die Arbeit an einem Grundentwurf ist bereits abgeschlossen und ein vorläufiger Bericht wird im Juni vorgelegt werden. Die DPJ bezeichnet das vorläufige Ergebnis als ersten Entwurf für die parteiinternen Vorschläge zur Verfassungsrevision. Die Komei-Partei, die dafür eintritt, in die Verfassung zusätzliche Rechte wie z.B. „Umweltrechte“, aufzunehmen, wird die für sie wichtigen Punkte bis Juni erarbeiten und ihre Position voraussichtlich im Herbst der Partei vorstellen. KPJ und SDP dagegen verharren in ihrer ablehnenden Haltung hinsichtlich jedweder Änderung der Verfassung.

Quelle: http://www.de.emb-japan.go.jp/presse/jb_0419.html


In der Beijing-Rundschau heißt es in einem Artikel aus dem Jahr 2003:

Japan strebt größere militärische Rolle an

Die Ängste, die durch die Terroranschläge vom 11. September in den USA aufgekommen sind, für sich nutzend, möchte Japan sich mittels seines Militärs ein größeres internationales Ansehen verschaffen.

Von Chong Zi

Spekulationen über die Richtung Japans Außenpolitik grassieren. Es ist nicht schwierig, eine politische Veränderung festzustellen, wenn man sich die Menge an jüngsten Entwicklungen in Japans Außenpolitik ansieht.

In seiner Neujahrserklärung sagte der japanische Premierminister Junichiro Koizumi, dass Japan sich in einer aktiven Diplomatie engagieren werde, indem es neben den „nationalen Interessen“ auf der Basis der „internationalen Kooperation“ die „Initiative“ ergreifen werde. Koizumis Bemerkungen waren ein Echo auf den Vorschlag zur Außenpolitik, den die Arbeitsgruppe für Auswärtige Beziehungen dem japanischen Premierminister im November gemacht hatte.

Diese Gruppe war im September 2001 gegründet worden, um den Premierminister in den außenpolitischen Beziehungen zu beraten. Der Sonderberater für das Kabinettsekretariat Yukio Okamoto dient als ihr Vorsitzender.

In einem Bericht mit dem Titel „Grundlegende Strategien für Japans Außenpolitik im 21. Jahrhundert: Neue Ära, Neue Vision, Neue Diplomatie“, hieß es, dass Japan seine Richtung ändern und seine eigene „Achse“ bilden sollte, um seine Politik entsprechend der großen Veränderungen weltweit zu machen. Japan sollte hinsichtlich des Schutzes seiner nationalen Interessen bestimmter sein und sich weniger auf seinen traditionellen Stil der internationalen Diplomatie verlassen. Der Bericht benennt die Globalisierung, Entwicklungen der militärischen Angelegenheiten und Chinas Wirtschaftswachstum als die größten Herausforderungen für Japan. Er empfahl, die bestehenden politischen Maßnahmen betreffs der einzelnen Länder und Regionen zu revidieren.

Während bestätigt wird, dass die Beziehungen mit den USA weiter als die Beziehungen mit der höchsten Wichtigkeit betrachtet werden, insbesondere betreffs der bilateralen Sicherheitsallianz, sollte Japan sich nicht einfach nur Washington unterordnen, sondern in der Lage sein, seinen eigenen Standpunkt zu vertreten und Angelegenheiten vor der Ausarbeitung betreffender politischer Maßnahmen zu debattieren, so der Bericht.

China steht weit oben auf Japans außenpolitischer Tagesordnung. Der Bericht beschreibt die Beziehung zwischen den beiden Ländern als eine, die „Kooperation und Koexistenz“ mit „Wettbewerb und Spannungen“ miteinander vermischt. Dann wird gewarnt, dass Chinas rapides Wirtschaftswachstum bedeutende Auswirkungen auf Japans diplomatische Angelegenheiten haben werde. Weiter wird vor einer „China-Gefahr“ gewarnt und auf Chinas Militäraufbau hingewiesen.

Japan gibt allein in der Forschungsphase 116,4 Mio. US$ für sein Raketenabwehrprojekt aus und hat 16,1 Mio. US$ für dieses Projekt im Finanzjahr 2003 zugewiesen.

Die Verlagerung in Japans Verteidigungspolitik geht jedoch über diesen einzelnen Bericht hinaus. Auf dem Treffen des japanisch-amerikanischen Sicherheitskonsultativkomitees im Dezember in Washington bestätigte der japanische Verteidigungsminister Shigeru Ishiba, dass Japan die Entwicklung und die Stationierung eines Raketenabwehrsystems, das sein Land und die USA gemeinsam erforscht hätten, weiter untersuchen werde.

Japan und die USA gaben eine Erklärung ab, in der sie die Raketenabwehrinitiative als den einzigen Weg beschrieben, das Leben und das Eigentum der Japaner zu schützen. Die beiden Länder begannen die Initiative im Finanzjahr 1999 gemeinsam zu erforschen. Sie stimmten überein, die Entwicklung des Systems fünf Jahre nach dem Forschungsbeginn in Betracht zu ziehen.

Allerdings kann vielen Angelegenheiten nicht ausgewichen werden, wenn dieses System stationiert werden soll. Beispielsweise wird es schwierig sein, zu bestimmen, ob Japan das wirkliche Ziel von feindlichen Raketen ist. Falls das System genutzt wird, um Raketen, die andere Länder als Ziel haben, abzufangen, könnte dies als Militärangriff ausgelegt werden, was dem verfassungsmäßigen Verbot über die Ausübung des Rechts auf kollektive Selbstverteidigung zuwiderlaufen würde.

Japans Unterstützung für US-Aktionen gegen den Irak zeigend, erklärte Shigeru Ishiba Anfang Dezember, dass Japan „alle möglichen Optionen“ berücksichtigen würde, darunter die Entsendung von Bodentruppen der Selbstverteidigungskräfte (SDF), um im Wiederaufbau des Irak nach dem Krieg zu helfen.

Japan hat im Rahmen eines im Jahr 2001 nach den Terroranschlägen in den USA verabschiedeten Sondergesetzes Kriegsschiffe und Versorgungsschiffe als logistische Unterstützung für die US-geführte Anti-Terroroperation in den Indischen Ozean geschickt. Das Anti-Terrorismus-Gesetz erlaubt der SDF jedoch nicht, den US-Streitkräften im Irak oder in der Nähe im Falle eines Kriegsausbruches zu helfen.

Mit dem zunehmenden Nationalismus in Japan haben einige Politiker dazu aufgerufen, dass die bewaffneten Streitkräfte eine aktivere Rolle in der Außenpolitik ihres Landes spielen sollten. Eine 16köpfige Beratungsgruppe über die Internationale Kooperation für Frieden unter Leitung von Yasushi Akashi, schlug im Dezember vor, dass Japan in Betracht ziehen sollte, seine Gesetze zu überarbeiten, um eine aktivere Rolle in den Friedensaktivitäten wie die Lieferung von logistischer Unterstützung für die multinationalen Streitkräfte zu spielen.

Im Artikel 9 der japanischen Verfassung „verzichtet Japan auf Krieg als ein souveränes Recht einer Nation und auf die Androhung oder die Anwendung von Gewalt“. Dieser Artikel ist traditionell als Verbot der kollektiven Verteidigung, einschließlich gemeinsamer Militäroperationen mit den US-Streitkräften und kollektiven Sicherheitsaktivitäten wie den US-Friedensoperationen, interpretiert worden.

Einige Vorschläge gehen über die Regierungsauslegung der Verfassung hinaus. Die Beratungsgruppe betonte, dass das globale Umfeld sich rapide verändere und der Schwerpunkt der Friedensaktivitäten sich von der Verhütung eines Krieges zwischen Nationen zur Verhinderung von regionalen Konflikten, internen Unruhen und Terrorismus verlagert habe. Sie drängte die japanische Regierung ebenfalls, ein neues Gesetz in Betracht zu ziehen, das den SDF erlauben würde, die multinationalen Streitkräfte im Rahmen von Friedensaktivitäten mit UNO-Mandat zu unterstützen.

Das gegenwärtige Friedenskooperationsgesetz schränkt Japan auch in Friedensaktivitäten, die direkt unter der Aufsicht der UNO stehen, ein. Es umfasst keine Friedensaktivitäten, die von anderen multinationalen Streitkräften geführt werden.

Obwohl Akashi die Vermutung, dass seine Gruppe von den jüngsten Debatten darüber, ob Japan einen Angriff gegen den Irak vonseiten multinationaler Streitkräfte unterstützen sollte, beeinflusst worden sei, zur Seite fegte, ist der Zeitpunkt des Vorschlags umstritten. Er unterstützt die Vermutung, dass die Empfehlungen den Weg für Japans Involvierung in einem möglichen Schlag gegen den Irak von US-geführten multilateralen Streitkräften bahnen könnten.

Es heißt, dass die japanische Regierung eine Sonderarbeitsgruppe unter Premierminister Koizumi gegründet habe, um ein neues Gesetz zu entwerfen, dass die Stationierung von Truppen im Irak und nahegelegenen Regionen erlauben würde, um den US-Truppen mit Transport- und logistischen Operationen nach dem Krieg zu helfen.

Japan erweitert seine militärische Rolle in Übersee – entweder durch UN-Streitkräfte oder in seinem Bündnis mit den USA – unter dem Vorwand ein „normales Land“ zu werden. Jede einzelne Schritte, den Japan auf dieses Ziel hin tut, ist gefährlich.

Seine jüngste Interpretaion der Klausel des Verzichts auf Krieg in seiner Verfassung ist, seit der Aegis-Zerstörer im Rahmen des im letzten Jahr verabschiedeten Anti-Terrorimus-Gesetzes entsandt wurde, eine virtuelle Revision geworden.

Japan hat das Recht eine militärische Rolle zu spielen – im Rahmen von konstitutionellen und internationalen Rechtsbeschränkungen. Sein Mangel an Gewissensprüfung und seine anscheinende Unfähigkeit sich mit seinen Greueltaten in ganz Asien im 2. Weltkrieg auseinanderzusetzen zusammen mit seinem Ziel, eines größeren internationalen Ansehens hat seine Nachbarn alarmiert. Daher ist es für sie völlig gerechtfertigt, Japans Ehrgeiz in Frage zu stellen.

Quelle: http://www.bjrundschau.com/2003-33/2003.33-world-3.htm


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