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In der Zwickmühle

Okinawa: Knapper Wahlsieg für Konservative. Mehr als zwei Drittel der Bevölkerung gegen neuen US-Stützpunkt

Von Josef Oberländer *

Der Konservative Hirokazu Nakaima hat sich am Sonntag bei den Gouverneurswahlen in Okinawa nur knapp gegen den von Sozialdemokraten und Kommunisten unterstützten Yoichi Iha durchgesetzt. Hauptthema der Wahl war die allgegenwärtige US-Militärpräsenz auf der Inselgruppe. Mehr als zwei Drittel der nach Verlassen der Wahllokale befragten Bewohner nannten den geplanten Bau eines neuen Stützpunkts, der die Basis Futenma im Zentrum der Inselhauptstadt Ginowan ersetzen soll, unakzeptabel. Beide Kandidaten, die keiner Partei angehören, sprachen sich gegen das Vorhaben aus. Der 71jährige Nakaima erhielt 52 Prozent der Stimmen und geht damit in seine vierte Amtszeit. Iha kam auf 46 Prozent.

Japans Ministerpräsident Naoto Kan (DPJ) ist in der Zwickmühle. Für das Pentagon bilden die US-Truppen auf Okinawa neben den Einheiten auf Guam die Speerspitze im westlichen Pazifik – zwischen China, Taiwan und Japan, aber auch nahe genug an der Koreanischen Halbinsel, um bei einer weiteren Zuspitzung der Krise zwischen beiden koreanischen Staaten schnell dort zu sein. Eine vor vier Jahren unterzeichnete bilaterale Vereinbarung sieht vor, daß der Hubschrauberlandeplatz Futenma bis 2014 durch einen neuen in der Nähe der Stadt Nago ersetzt wird. Dafür soll eine künstliche Insel aufgeschüttet werden. Der Gouverneur von Okinawa kann das Vorhaben einfach dadurch zu Fall bringen, daß er keine Genehmigung für die Neulandgewinnung erteilt.

Washington besteht darauf, daß Tokio den Vertrag erfüllt. Premier Kan ist im Territorialstreit über das rohstoffreiche Ostchinesische Meer mit China auf die Unterstützung der USA angewiesen. Sein Amtsvorgänger Yukio Hatoyama Mußte Anfang Juni seinen Hut nehmen, nachdem er die von ihm versprochene einvernehmliche Lösung für Futenma nicht herbeiführen konnte. Inzwischen rechnet niemand mehr damit, daß der ursprünglich vereinbarte Zeitrahmen eingehalten werden kann. Umfragen zufolge schwankt die Zahl der Inselbewohner, die das Abkommen unterstützen, zwischen 13 und 14 Prozent.

Futenma liegt in einem dicht besiedelten Viertel von Ginowan. Der Absturz eines Transporthubschraubers auf dem Campus der Okinawa International University 2004, bei dem wie durch ein Wunder niemand getötet wurde, machte den Anwohnern die Gefahren noch einmal deutlich. Zahlreiche Gebäude und Autos wurden damals beschädigt. Nakaima hatte sich danach für den Neubau bei Nago augesprochen, aber angesichts des wütenden Widerstands der Anwohner dort seine Meinung geändert. Einen Alternativstandort gibt es nicht. Für Iha, den ehemaligen Bürgermeister von Ginowan, kommt nur ein Abzug der Marines in Frage – auf die von den USA annektierte Pazifikinsel Guam. US-Außenministerin Hillary Clinton machte jedoch bereits bei ihrem letzten Besuch in Tokio unmißverständlich klar, daß die Zukunft Okinawas im Pentagon entschieden wird. Die nach jahrzehntelanger Besatzung 1972 an Tokio zurückgegebene Inselgruppe trägt die Hauptlast der US-Präsenz, was sich unter anderem in Fluglärm, mehr Kriminalität und Umweltschäden niederschlägt. Mehr als die Hälfte der fast 50000 US-Soldaten in Japan sind auf Okinawa stationiert. Rund drei Viertel der US-Basen befinden sich dort.

Daß Nakaima die Wahl gewann, ließ Kans Parteistrategen aufatmen. Er gilt als gesprächsbereit, ein Gesichtsverlust ist vorerst nicht zu befürchten.

* Aus: junge Welt, 30. November 2010


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