Streit um Südkurilen spitzt sich wieder zu
Japans Parlament besteht auf Rückgabe
Von Irina Wolkowa, Moskau *
Die russisch-japanischen Spannungen im jahrzehntealten Konflikt um die
südlichen Kurilen wachsen erneut. Die fernöstliche Inselkette ging nach
dem Ende des Zweiten Weltkriegs an die Sowjetunion. Japan findet sich
damit nicht ab und besteht auf der Rückgabe der südlichsten Perlen
dieser Kette.
Der Streit um die Inselgruppe hat sich erneut verschärft. Einstimmig
verabschiedete das Unterhaus des japanischen Parlaments am Donnerstag
vergangener Woche in Tokio einen Gesetzentwurf, der die Regierung
verpflichtet, »maximale Bemühungen« um die Rückgabe der »nördlichen
Territorien«, wie Japan die Inselgruppe nennt, zu unternehmen. Möglichst
schnell müsse das Kaiserreich die Inseln Iturup, Kunaschir und Schikotan
sowie Habomai - eine Gruppe kleiner Eilande - zurückerlangen. Das
Oberhaus will noch vor der Sommerpause ähnlich entscheiden und das
Dokument damit in Kraft setzen.
Moskau reagierte wegen des Nationalfeiertags am Freitag zunächst
zurückhaltend. Andrej Nesterenko, Sprecher des russischen
Außenministeriums, nannte es lediglich einen »ärgerlichen« Zwischenfall,
kündigte aber an, eine offizielle Erklärung werde in Kürze folgen. Und
die ließ tatsächlich nicht lange auf sich warten. Unzweideutig hieß es
darin: »Diese Vorgehensweise der japanischen Seite ist unakzeptabel und
fehl am Platz. Es ist gut bekannt, dass die südlichen Kurilen-Inseln im
Ergebnis des Zweiten Weltkrieges legitim an die Sowjetunion und später
an Russland übergegangen sind. Vor diesem Hintergrund kommt die
'Rückgabe' dieser Gebiete keineswegs in Frage.« Tokio scheine seine
rechtswidrigen Gebietsansprüche eskalieren zu lassen. Das schade dem
Dialog zwischen den beiden Staaten.
Der Streit um die Südkurilen hatte sich in den letzten Wochen
kontinuierlich hochgeschaukelt. Die Inselgruppe, sagte Japans
Regierungschef Taro Aso Mitte Mai beim Besuch seines Moskauer Kollegen
Wladimir Putin in Tokio zu Beginn der gemeinsamen Pressekonferenz, sei
»der Knochen im Hals der russisch-japanischen Beziehungen«. Er hoffte
dennoch auf Fortschritte bei einer bevorstehenden Begegnung mit
Präsident Dmitri Medwedjew. Am Rande des G8-Gipfels im Juli in Italien
wollen sich Aso und Medwedjew treffen. Putin war da allerdings von
vornherein weniger optimistisch: Moskau werde im Kurilen-Konflikt keine
Kompromisse eingehen.
Zwar einigten sich beide Seiten kurz danach auf die Wiederaufnahme des
kleinen Grenzverkehrs zwischen den südlichen Kurilen und Hokkaido, der
nördlichsten Insel Japans. Doch Ende Mai bezeichnete Premier Aso die
Inseln als »widerrechtlich besetzte Territorien«. Dafür las Medwedjew
Tokios neuem Moskau-Botschafter bei der Überreichung seines
Beglaubigungsschreibens die Leviten.
Aso hatte sich schon als Außenminister in Moskau unbeliebt gemacht. 2006
hatte er Russland zu einer Teilung der strittigen Inseln nach dem
Prinzip »Halbe-halbe« aufgefordert und damit eine messerscharfe Reaktion
seines Moskauer Amtskollegen Sergej Lawrow provoziert. Japans damaliger
Regierungschef Shinzo Abe musste daher den geordneten Rückzug antreten:
Die Erklärung des Außenministers dürfe nicht als konkretes Angebot der
Regierung gewertet werden.
Der Streit um die Inselgruppe verhinderte bisher auch einen
Friedensvertrag zwischen Russland und Japan. 1956 wurde lediglich eine
Deklaration über die Beendigung des Kriegszustands unterzeichnet.
* Aus: Neues Deutschland, 15. Juni 2009
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