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"Die Unabhängigkeiterklärung von der Besatzung"

Israelische Persönlichkeiten des öffentlichen Lebens fordern in Tel Aviv die Zwei-Staaten-Lösung


Am 21. April 2011 forderten Professoren, Intellektuelle, Künstler und Autoren vor der „Independence Hall“ am Rothschild-Boulevard in Tel Aviv die „Befreiung von der Besatzung“. Zu den Erstunterzeichnern gehörten 15 Trägerinnen und Träger des „Israel-Preises“ sowie zwei Träger einer weiteren renommierten Auszeichnung. Die Erstunterzeichner wollen ihre Erklärung als Ausgangspunkt weiterer politischen Aktionen verstanden wissen. „Wir sind nicht naiv’“, erklärte der Autor Sefi Rachlevsky, der sich seit seinem Buch 1998 „Der Esel des Messias“ mehrfach gegen das religiöse Diktat im politischen und gesellschaftlichen Leben Israels scharf geäußert hat und seit einigen Jahren als Kolumnist regelmäßig für die bürgerlichliberale Zeitung „Haaretz“ schreibt.
Die Kundgebung wurde mehrfach von Rechtsnationalisten unterbrochen, die den Befürwortern der Zwei-Staaten-Lösung mit Rufen entgegentraten wie „fünfte Kolonne“, „Kahane hatte Recht“ – eine Anspielung auf Meir Kahane, der jahrelang die Deportation aller Palästinenser propagiert hatte und im November 1990 in New York von einem arabischen Attentäter erschossen wurde –, „Verräter“ und „Linke Professoren, das wird euch allen im Gesicht zerspringen“. Die Polizei mischte sich nicht ein, als die Schauspielerin Chana Meron, die 1970 bei einem palästinensischen Terroranschlag auf eine ELAl- Maschine ein Bein verlor, zu den Versammelten sprach und mehrfach unterbrochen wurde.

Wir dokumentieren im Folgenden den Aufruf in einer Übersetzung von Judith und Reiner Bernstein. Letzterer kommentierte die Erklärung in seinem Begleitschrieben mit den Worten: "Der arabische Dominoeffekt erreicht allmählich die Mitte der israelischen Gesellschaft." Nun, es ist Israel und seinen Nachbarn zu wünschen.


Der Aufruf hat folgenden Wortlaut:

Befreiung von der Besatzung

Das jüdische Volk entstand im Lande Israel, wo es seinen Charakter formte. Das palästinensische Volk entstand in Palästina, wo es seinen Charakter formte.

Vor 63 Jahren, einem Freitag, wurde an dieser Stelle die Unabhängigkeit Israels ausgerufen. Die Erklärung verbürgte [seinen Bürgern] die »vollständige Gleichberechtigung ohne Unterschied der Religion, der Rasse und des Geschlechts«. Die Erklärung bot allen unseren Nachbarn Frieden an. Die Erklärung lehnte sich an die Teilungsresolution der Vereinten Nationen an, die zur Gründung zweier Staaten im Lande Israel aufrief – einen demokratischen jüdischen Nationalstaat und einen demokratischen arabischen Nationalstaat. Dies ist das natürliche Recht des jüdischen und des palästinensischen Volkes: »Gleich jedem Volk haben sie den Anspruch auf Selbständigkeit in ihrem souveränen Staat.«

Deshalb versammeln wir uns hier am 21. April 2011, um die zu erwartende Unabhängigkeitserklärung des palästinensischen Staates zu begrüßen – den Nachbarstaat zum Staat Israel auf der Grundlage unserer Unabhängigkeitsgrenzen, die am Ende des Unabhängigkeitskrieges 1949 entstanden, das heißt die Grenzen von 1967.

Die Unabhängigkeit beider Völker verstärkt sich gegenseitig, sie ist sowohl eine moralische als auch eine existentielle Notwendigkeit, und sie bietet die Basis für gute Nachbarschaft. Wir rufen alle Bürger Israels, die Knesset, die Regierung, alle Bürger der Welt und alle ihre Regierungen auf, die zwei Staaten anzuerkennen, in denen das Selbstbestimmungsrecht beider Völker zum Ausdruck kommt, wie auch die allgemeinen Prinzipien der Demokratie und der Gleichheit.

Wir, die Unterzeichner, rufen jeden Menschen, der nach Frieden und Freiheit strebt, und alle Nationen auf, die palästinensische Unabhängigkeitserklärung zu begrüßen, sie zu unterstützen und dafür zu sorgen, dass die Bürger beider Staaten untereinander auf der Grundlage der Grenzen von 1967 und der miteinander getroffenen Vereinbarungen Frieden schließen. Die vollständige Beendigung der Besatzung ist die Grundbedingung für die Befreiung beider Völker, für die Einhaltung der israelischen Unabhängigkeitserklärung – und für die Unabhängigkeit des Staates Israel.“

Erstunterzeichner
  • Larry Abramson
  • Professor Yosef Algasi
  • Micha Ullman, Träger des „Israel-Preises”
  • Professor Yaron Ezrachi
  • Shulamit Aloni, Trägerin des „Israel-Preises”
  • Professor Yehuda Elkana
  • Professor Yehuda Bauer, Träger des „Israel-Preises”
  • Professorin Yehudit Buber Agasi
  • Chanoch Bartov, Träger des „Israel-Preises”
  • Professor Menachem Brinker, Träger des „Israel-Preises”
  • Zivi Geva
  • Professorin Galia Golan
  • Professor Chaim Gans
  • Tal Gutfeld
  • Yair Garbuz, Träger des „Preises E.M.T.“
  • Professorin Ruth Hacohen
  • Professor David Harel, Träger des „Preises E.M.T.“ und des „Israel-Preises”
  • David Tartakover, Träger des „Israel-Preises”
  • Professor Yirmiyahu Yovel, Träger des „Israel-Preises”
  • Professor Menachem Yaari, ehemals Präsident der Akademie der Wissenschaften und Träger des „Israel-Preises”
  • Alex Libek, Träger des „Israel-Preises”
  • Chana Meron, Trägerin des „Israel-Preises”
  • Yehoshua Sobol
  • Professor Gabi Salomon, Träger des „Israel-Preises”
  • Professor Dov Fackelman
  • Professor Itamar Proxia, Träger des „Israel-Preises”
  • Professor Yehoshua Kolodni, Träger des „Israel-Preises”
  • Dani Karavan, Träger des „Israel-Preises”
  • Sefi Rachlevsky
  • Professor David Shulman, Träger des „Preises E.M.T.“
  • Ziona Shimshi
(Übersetzung aus dem Hebräischen von Judith & Reiner Bernstein, München; www.reiner-bernstein.de)


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