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Höfliche Worthülsen

Israel widersetzt sich hartnäckig dem Stopp des Siedlungsbaus

Von Karin Leukefeld *

Hartnäckig widersetzt sich der israelische Ministerpräsident Benjamin Netanjahu allen Aufrufen, den illegalen Siedlungsbau in den besetzten palästinensischen Gebieten einzustellen. Statt dessen präsentiert er eine Vision von Frieden, die historische Tatsachen, internationale Verträge und UN-Resolutionen auf den Kopf stellt. Nicht der israelische Siedlungsbau sei Teil der Ursache des Konflikts mit den Palästinensern, sondern sein Ergebnis, so die Sicht Netanjahus. In einem vierstündigen Gespräch in London versuchte der US-Sonderbotschafter für den Mittleren Osten, George Mitchell, am Mittwoch offenbar, den israelischen Ministerpräsidenten dennoch vom Stopp des Siedlungsbaus zu überzeugen. Die anschließende Stellungnahme ging jedoch über höfliche Worthülsen nicht hinaus. Man sei sich »einig, daß aussagekräftige Verhandlungen zwischen Israel und den Palästinensern beginnen (sollten), um einem regionalen Friedensabkommen näherzukommen«, hieß es. Außerdem sollten »alle Seiten praktische Schritte auf den Frieden« gehen. Dem Thema Siedlungen jedoch wichen beide Seiten aus.

Er hoffe, bald wieder »normale Gespräche aufzunehmen«, fügte Netanjahu der mageren Stellungnahme hinzu. Nach Vorstellung israelischer und US-amerikanischer Vermittler soll am Rande der nächsten UN-Vollversammlung in New York ein Treffen zwischen Netanjahu, dem palästinensischen Präsidenten Mahmud Abbas und US-Präsident Barack Obama choreografiert werden, damit zumindest entsprechende Fotos die Wiederaufnahme von Friedensgesprächen signalisieren können.

Seit 1993, dem Jahr des Oslo-Abkommens, finden Gespräche zwischen Israel und der palästinensischen Autonomiebehörde statt, die mit Beginn des israelischen Militärangriffs auf den Gazastreifen Ende 2008 von palästinensischer Seite gestoppt worden waren. Inzwischen fordern die Palästinenser vor Wiederaufnahme von Gesprächen einen völligen Siedlungsstopp in den besetzten Gebieten, was zumindest verbal von den USA und der EU unterstützt wird.

Parallel zum Besuch von Netanjahu in London erklärte der amtierende palästinensische Ministerpräsident Salam Fayyad in Ramallah, die Autonomiebehörde plane, innerhalb der nächsten zwei Jahre einen De-facto-Staat zu errichten. Man habe beschlossen, aktiv zu werden, um das Ende der Besatzung durch »positive Tatsachen« zu beschleunigen. Der palästinensische Staat müsse eine »Tatsache werden, die nicht mehr ignoriert werden kann«. Man werde die »Regierung verkleinern, mehr Technologie einführen, die Löhne sollten gehalten und das Rechtssystem solle vereinheitlicht werden.

Daß aber nicht die palästinensische Autonomiebehörde, sondern die israelische Besatzungsmacht weiter das Sagen hat, zeigte die Razzia gegen den palästinensischen Radiosender Bethlehem 2000 in Beit Jala, der am Dienstag abend vom israelischen Militär geschlossen wurde. Der Sender, der seit 13 Jahren auf Sendung ist, berichtete, daß wichtige Übertragungstechnik bereits vor Monaten von den Israelis beschlagnahmt worden war. Ein Sprecher der israelischen Armee begründete die Schließung des Senders mit einer Anordnung des israelischen Ministeriums für Funk und Fernsehen. Die Radioübertragungen störten die Kommunikation des Internationalen Flughafens Ben Gurion (Tel Aviv).

Eine Delegation von »The Elders« (Die Älteren), ehemalige Staatspräsidenten, hochrangige Politiker oder Geistliche wie Nelson Mandela, James Carter, Bischof Desmond Tutu, Muhammad Younus oder Mary Robinson besuchte derweil diese Woche den israelischen Kontrollpunkt Kalandia und informierten sich über die Auswirkungen des illegalen Mauerbaus. Die israelische Besatzung als »Apartheid« zu beschreiben, sei vielleicht nicht hilfreich, so der südafrikanische Bischof Tutu vorsichtig: »Aber es gibt Parallelen. Wenn Menschen (aus ihren Häusern) vertrieben werden, erinnert mich das an Dinge, die bei uns passiert sind.«

* Aus: junge Welt, 28. August 2009


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