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Vizepremier: Siedlungen niemals räumen

Israelischer Strategieminister betrachtet das Westjordanland als legitime Heimstatt für Juden

Es müsse möglich sein, dass Juden im Westjordanland unter israelischer Souveränität und mit israelischer Staatsbürgerschaft weiterleben, sagte Vizepremier Jaalon der Tageszeitung »Jerusalem Post«. »Wenn wir über Frieden und Koexistenz sprechen, warum bestehen die Palästinenser dann darauf, dass sie ein Gebiet zurückerhalten, das ethnisch von Juden gereinigt wurde?« so Jaalon. Der 59-Jährige gilt als Hardliner in der israelischen Regierung. Der Vizeregierungschef ist zugleich Minister für strategische Angelegenheiten.

In israelischen Siedlungen im Westjordanland und im arabischen Ostteil Jerusalems leben nach Angaben des israelischen Statistikbüros rund 500 000 israelische Siedler. Die Europäische Union hat die jüdischen Siedlungen als ein Haupthindernis auf dem Weg zu einem Frieden im Nahen Osten bezeichnet. Die übergroße Mehrheit der internationalen Staatengemeinschaft stuft die Siedlungen als illegal ein. Die Palästinenser wollen in Westjordanland, Gaza-Streifen und Ostjerusalem ihren eigenen Staat ausrufen.

Jaalon lehnte auch einen Baustopp in Ostjerusalem ab. Auf Berichte eingehend, wonach die US-Regierung einen eigenen Friedensplan vorlegen könnte, sagte der Politiker: »Wer glaubt, es sei auf diese Weise möglich, Frieden aufzuzwingen, ist völlig losgelöst von der Realität.« Der Strategieminister forderte auch eine harte Gangart im Atomstreit mit Iran. Auf die Frage, ob Israel Pläne habe, wie es mit einem atomar bewaffneten Iran umgehen könne, antworte Jaalon: »Das iranische Atomprojekt sollte auf die eine oder andere Weise gestoppt werden. Wir sollten keine andere Möglichkeit diskutieren.«

Unterdessen haben die USA Israel eindringlich aufgefordert, ihr Engagement für den Friedensprozess und eine Zwei-Staaten-Lösung nachhaltiger zu bekennen. Israel solle »Respekt für die legitimen Ziele der Palästinenser zeigen, den Siedlungsbau stoppen und die humanitären Probleme in Gaza angehen«, sagte Außenministerin Hillary Clinton bei einem Abendessen mit dem Botschafter Israels und mehrerer arabischer Staaten in Washington.

Clinton forderte von allen Beteiligten am Nahost-Friedensprozess »mutige Führungsstärke« und verlangte von Israel, »auf einseitige Stellungnahmen und Handlungen zu verzichten«. Die Außenministerin warnte, dass die lange Unterbrechung der Friedensbemühungen die Extremisten in der Region zu stärken drohe. US-Präsident Barack Obama hatte bei seinem Amtsantritt zugesichert, dass die USA ein treuer Verbündeter Israels bleiben würden. Zugleich dringt seine Regierung auf eine Wiederaufnahme des Friedensprozesses.

* Aus: Neues Deutschland, 17. April 2010


Israelische Lernfähigkeit

Von Roland Etzel *

Es sei schon sehr dumm gewesen, ausgerechnet während des Besuchs von US-Vizepräsident Biden neue Siedlungspläne für das arabische Ostjerusalem zu verkünden. Im Westen hatten die Diplomaten die Köpfe geschüttelt. Das war vor einem Monat. Washington gab sich pikiert. Auch Staatschef Peres war das Agieren seiner Regierung so peinlich, dass er die Freunde aus dem Weißen Haus um Verzeihung bat – für den unglücklichen Zeitpunkt der Ankündigung jener Pläne.

Anschließend hatte die israelische Regierung Lernfähigkeit gelobt. Und nun auch bewiesen. Als Vizepremier Jaalon gestern in der »Jerusalem Post« über das Thema Siedlungen sinnierte und zu dem Schluss kam, dass Israel niemals einen Posten im Palästinensergebiet räumen sollte, war kein US-Politiker im Lande, den man hätte brüskieren können. Vielleicht hat sich Jaalon sogar ermutigt gefühlt durch die US-Außenministerin. Hillary Clinton hatte am Donnerstag bei einem Essen für arabische Botschafter und auch den aus Israel die Politiker der Region zu »mutiger Führungsstärke« aufgefordert. Durchaus denkbar, dass sie das mit der Führungsstärke anders gemeint hat. Aber einen Protest gegen Jaalon gibt es aus dem State Department bis dato nicht.

Alles wieder nur ein Missverständnis? Möglich. Das Problem für Clinton ist, dass sie eben während jenes Essens auch davor warnte, dass »die Extremisten in der Region« die lange Pause seit den letzten Friedensgesprächen für ihre Ziele nutzen könnten – und gleichzeitig Israel zusicherte, sein »treuer Verbündeter« zu bleiben. Die Araber warten jetzt auf die Versicherung, dass sie mit den Extremisten nicht gemeint waren.

** Aus: Neues Deutschland, 17. April 2010 (Kommentar)


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