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Israel will neue Kriegsschiffe kaufen

Deutschland scheint als traditionelles und hilfreiches Lieferland bevorzugt

Von René Heilig *

Israels Kriegsmarine ist am Kauf von drei oder vier modernen Raketenschnellbooten oder Korvetten aus Deutschland interessiert. Obwohl klein, haben die Schiffe strategische Bedeutung.

Die israelische Zeitung »Haaretz« gehört zu den gewöhnlich gut unterrichteten Blättern. Am Freitag vermeldete sie, dass Israel neue, moderne Kriegsschiffe kaufen wolle, die zum Schutz von Offshore-Gas-Förderanlagen im Mittelmeer eingesetzt werden sollen. Eine ungenannte Werft aus Deutschland sowie Firmen aus Südkorea und den USA hätten bereits Kostenvoranschläge unterbreitet. Der Auftrag hat angeblich ein Gesamtvolumen von rund einer Milliarde Euro.

Eine offizielle Bestätigung gab es noch nicht. Doch nicht ohne Grund schaut Israel sich vor allem in Deutschland um. Man hofft, dass Berlin – wie bei der Lieferung von U-Booten – einen Gutteil der Baukosten übernimmt. Israel hat bereits sechs U-Boote von der Howaldtswerke-Deutsche Werft in Kiel – die inzwischen zu ThyssenKrupp Marine Systems gehört – gekauft. Deutschland hat dabei rund ein Drittel der Kosten als Ausdruck seiner besonderen Verantwortung für die Sicherheit Israels übernommen. Für das neue Projekt habe die Bundesregierung bisher noch keine Position erkennen lassen, heißt es in Israel.

Das Schweigen ist nachvollziehbar, denn Rüstungsexporte waren im Wahlkampf ein heißes Thema. Die bisherige Opposition forderte zumindest mehr Transparenz. Nun scheint die Gefahr vorbei. Im Koalitionsvertrag ist vereinbart, dass die Entscheidungen des geheim tagenden Bundessicherheitsrates auch vor den zuständigen Parlamentsmitgliedern weiter geheim gehalten werden. Dabei sind diese Voranfragen bereits wesentlich dafür, ob es zu einem Rüstungsdeal kommt oder nicht. So ist es weiterhin möglich, dass zwischen dem Okay des Bundessicherheitsrates und der Information an den Bundestag Monate ins Land gehen.

Die kleinen Boote haben für Israel durchaus strategische Bedeutung. Israel hatte im April das maritime Erdgasfeld Tamar 90 Kilometer vor der Küstenstadt Haifa in Betrieb genommen. Es birgt geschätzte 238 Milliarden Kubikmeter Erdgas und war 2009 entdeckt worden. Ein zweites Feld namens Leviathan wird derzeit erschlossen. Man rechnet mit 450 Milliarden Kubikmetern Gas.

Trotz geopolitischer Unwägbarkeiten könnte die Erdgasförderung den Nahen Osten energiepolitisch einschneidend verändern. Sie bedeutet für Israel das Ende der Abhängigkeit von teuren Energieimporten. Zugleich könnte das Land sogar als Akteur auf dem internationalen Erdgasmarkt auftreten. Jordanien, Ägypten, die Palästinensische Autonomiebehörde im Westjordanland sowie die Türkei könnten zu Abnehmern werden. Diese Visionen bieten Rüstungsexporteuren neue Möglichkeiten, denn der Bedarf an Kriegsschiffen wird nicht bei der Zahl vier verharren.

Die deutsche Rüstungsindustrie erwirtschaftet bereits jetzt 70 Prozent ihres Umsatzes im Ausland. Der davon bei der Hälfte stehende Export in EU und NATO-Staaten wird weiter sinken. Die Steigerung von Militärlieferungen in andere Staaten verspricht dagegen eine politische Teilnahme an der Neuordnung der Welt fast ohne den Einsatz eigener Soldaten.

* Aus: neues deutschland, Montag, 9. Dezember 2013


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