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Israel vor sich selbst retten?

Von den USA erwarten viele eine Neubestimmung ihres Nahostkurses

Von Heinz-Dieter Winter *

Den von der Annapolis-Konferenz im November 2007 versprochenen Palästinenserstaat gibt es bis heute nicht; stattdessen erschüttern die Schreckensbilder des Gaza-Krieg die Welt. Nichts kennzeichnet besser die Lage im Nahen Osten und das Versagen der internationalen Gemeinschaft.

Keines der Ziele, die sich das Trio Ehud Olmert - Zipi Livni (Außenministerin) - Ehud Barak (Verteidigungsminister) gestellt hatte, wurde erreicht. Israel hat keinen Zugewinn an Sicherheit, die Hamas konnte militärisch nicht ausgeschaltet und politisch nicht geschwächt werden. Die Frage, ob der Gaza-Krieg unnötig war und ob er nicht durch Verhandlungen zu vermeiden gewesen wäre, stellen sich in Israel jedoch nur wenige -- und die Wahlkämpfer Benjamin Netanyahu vom Likud-Block, Ehud Barak von der Arbeiterpartei und Zipi Livni von der Kadima-Partei schon gar nicht.

Wird es nach dem Schock von Gaza Schritte in Richtung Frieden geben? Die Amtsübernahme durch USA-Präsident Barack Obama und das Ergebnis der Israel-Wahl sind dafür von Belang. Auf internationaler Ebene wird die Dringlichkeit einer Friedenslösung jetzt allerseits betont. Obama will »aktiv und aggressiv einen dauerhaften Frieden zwischen Israel und den Palästinensern sowie Israel und seinen arabischen Nachbarn suchen« und entsandte in der letzten Januarwoche seinen Sonderbeauftragten George Mitchell in die Region.

Die ersten Aktivitäten des neuen USA-Präsidenten, insbesondere seine Bemühungen um eine besseres Verhältnis zur islamischen Welt, werden von der arabischen Seite hoffnungsvoll aufgenommen, in Israel dagegen mehr mit Sorge gesehen. Doch dazu besteht bisher kein Grund. Mitchell hatte in Israel betont, dass die bisherigen Vereinbarungen der USA mit Israel erfüllt werden, sogar jener Briefwechsel von Präsident George W. Bush mit Ministerpräsident Ariel Scharon vom April 2004, in dem zugestanden wird, dass die großen Siedlungsblöcke bei Israel bleiben und Israel sich nicht auf die Grenze von 1967 zurückziehen muss.

Bisher deutet vieles auf Kontinuität bisheriger amerikanischer Nahostpolitik hin, die aber Spielraum für Wandel lässt. Bemerkenswert ist eine Äußerung von USA-Expräsident James Carter. Dieser hatte in Beirut im Dezember Obama »politischen Mut« bescheinigt. »Aber,« sagte er, »ich kenne den gewaltigen politischen Druck auf die politisch Verantwortlichen, der in meinem Land existiert, sich fast ohne Ausnahme der Politik der israelischen Regierung zu fügen.«

In der Israel-Lobby regen sich Kräfte, die wie zum Zeitpunkt der Madrider Nahostkonferenz im Jahre 1991 dafür eintreten, »Israel vor sich selbst zu retten«. Israel soll sich von den 1967 besetzten Gebieten zurückziehen, sonst wäre kein Frieden mit seinen arabischen Nachbarn möglich und die eigene Sicherheit gefährdet. Die beiden ehemaligen Präsidentenberater Brent Scowcroft und Zbigniew Brzezinski haben dem neuen Präsidenten Vorschläge unterbreitet, wie dem gesunkenen Einfluss und Ansehen im Nahen Osten entgegengewirkt werden müsse. In erster Linie wären dafür das Eintreten der USA für den Rückzug Israels auf die Grenzen von 1967 und die Bildung eines Palästinenserstaates notwendig.

In Israel gibt es Befürchtungen, dass Barack Obama Druck auf Israel ausüben könnte. Eine Positionsbestimmung hat Präsident Obama bisher vermieden. Der Friedensaktivist Uri Avnery ist einer der wenigen Israelis, die von Obama erwarten, dass er den Kurs der USA in der Palästinafrage ändert und das auch von Israel fordern wird. »Ein großes Schiff wie die USA kann seinen Kurs nur langsam in Form einer sanften Kurve ändern. Aber die Wendung begann schon am ersten Tag der Regierung«, meint Avnery optimistisch.

Wird das kleinere Schiff Israel dieser Kursänderung folgen? Obama hat den arabischen Friedensplan von 2002 ausdrücklich begrüßt. Die neue israelische Regierung wird sich damit schwer tun; das Ende der Siedlungspolitik ist kaum zu erwarten.

Um den entgleisten Zug eines Nahost-Friedensprozesses wieder aufs Gleis zu setzen, wäre es notwendig, dass die Hamas und die von Präsident Mahmud Abbas geführte Fatah zu einer Einheitsregierung finden. Deshalb müssten sowohl die USA als auch die EU von einer Politik Abstand nehmen, die die Hamas als Siegerin demokratischer Wahlen aus Verhandlungen ausschließt.

Die französische Nahostpolitik bewegt sich in diese Richtung. Doch scheint sich die Bundesregierung bisher der Politik der israelischen Regierung unterzuordnen. Israel will mit einem der Hauptakteure auf palästinensischer Seite, der Hamas, keinesfalls über Frieden, nicht einmal über Waffenstillstand verhandeln. Hamas ist für den Palästinenserstaat in den Grenzen von 1967 und verhandlungsbereit. Der Gaza-Krieg war letztlich das Ergebnis einer kontraproduktiven Politik Israels, der USA und auch der EU gegenüber der Hamas. Es ist höchste Zeit, Lehren daraus zu ziehen, sonst wird es weitere Kriege geben.

* Aus: Neues Deutschland, 10. Februar 2009


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