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Obamas Bestechung / Obama's Bribe

Die Palästinenser werden wieder die Verlierer sein / Palestinians Will be the Losers ... Again

Von Jonathan Cook, Nazareth *

Während man den Friedensprozess zwischen Israel und den Palästinensern beobachtet, wie er sich von Jahr zu Jahr ohne Abschluss dahinzieht, übersieht man leicht die enormen Veränderungen vor Ort, die sich seit den vor 17 Jahren unterzeichneten Oslo-Abkommen zugetragen haben.

Jede hat das primäre palästinensische Ziel, einen lebensfähigen Staat zu schaffen, untergraben: ob das nun die fast dreifache Vermehrung der jüdischen Siedler auf palästinensischem Land ist - etwa eine halbe Million augenblicklich - Israels zunehmender Würgegriff auf Ost-Jerusalem, die Mauer, die praktisch große Teile Land der Westbank an Israel annektiert oder nach Israels Rückzug vom Gazastreifen 2005die Aufspaltung der palästinensischen Nationalbewegung in rivalisierende Lager.

Ein anderer Rückschlag ähnlichen Ausmaßes entwickelt sich, da Barack Obama Benyamin Netanyahu ein großzügiges Paket von Verlockungen in Aussicht stellt und damit versucht, den israelischen Ministerpräsidenten zu ködern, einen weiteren dreimonatigen Siedlungsbaustopp in der Westbank zu erreichen.

Die Großzügigkeit des Paketes des US-Präsidenten, das 20 Kampfflugzeuge im Wert von $ 3 Milliardenund Unterstützung von Israels fortgesetzter militärischer Präsenz im Jordantal einschließt - auch nach der Erklärung eines palästinensischen Staates, hat sogar Thomas Friedman von der New York Times dazu gebracht, dies mit einer "Bestechung" zu vergleichen.

Israels Offizielle sagten gestern, sie würden noch auf die schriftliche Fassung des Deal warten, der zwischen Netanyahu und der US-Außenministerin während sieben Stunden Verhandlungen ausgearbeitet wurde.

Zusätzlich zu den Konzessionen im Jordantal und dem Angebot der Kampfflugzeuge, das die jährliche Hilfe aus den USA verdoppeln würde, schließt der Deal auch ein Versprechen Washingtons ein, bei den nächsten UN-Resolutionen gegen Israel ein Veto einzulegen, mit den Grenzen einverstanden zu sein und von jeder Forderung zukünftiger Begrenzung des Siedlungswachstums abzusehen.

Es sieht so aus, als würde Netanyahu in der Lage sein, die Unterstützung seines rechten Kabinetts für einen kurzen Siedlungsstopp sicher zu sein, der dieses Mal Ost-Jerusalem nicht mit einschließt.

Beim Versuch, den Konflikt zu lösen, hat Obama sein politisches Kapital fast erschöpft. Es gab in dieser Woche Andeutungen, dass das Weiße Haus sich nicht weitere Demütigung leisten könne und dabei ist, zu zerbrechen.

Der Zeitplan für Verhandlungen verlangt jetzt ein Abkommen über die Grenzen innerhalb der nächsten drei Monate - während der Dauer des Siedlungsbaustopps - dem dann eine Endresolution über den Konflikt innerhalb eines Jahres folgen sollte.

Washingtons hoffnungsvolle Logik ist es, dass eine Erneuerung des Siedlungsbaustopps in drei Monaten unnötig sein wird, weil dann ein Abkommen über die Grenzen schon eingesetzt sein wird, egal ob eine Siedlung in Israels Territorium als aufgenommen angesehen und sich deshalb weiter ausdehnen darf oder innerhalb Palästinas liegt und deshalb zerstört werden soll.

In ähnlich optimistischer Weise erwartet die USA anscheinend auch, das Problemmit den Flüchtlingen einfach zu lösen, indem ein spezieller internationaler Fond geschaffen wird, um sie zuentschädigen. Das Rückehrrecht scheint vom Tisch zu sein.

Falls diese Hindernisse auf diese Weise überwunden werden könnten - würde nur noch ein sehr großes "falls"zu überwinden sein: die Zukunft von Ost-Jerusalem.

Und hier werden die Dinge schwieriger. Die USA schlägt nicht vor, dass der drei Monate lange Siedlungsbaustopp auch für Ost-Jerusalem gilt, nachdem der Siedlungsbau zwischen Israel und den USA während des letzten Moratoriums so große Probleme geschaffen hat.

Diese Konzession und die Umrisse eines vorhergegangenen US-Friedensvorschlages unter Präsident Bill Clinton deuten auf Washingtons wahrscheinliche Strategie hin. Ost-Jerusalem wird geteilt sein: die großen Siedlungsblöcke, Wohnungen für mindestens 200 000 Juden, Israel übergeben, während die Altstadt und ihre Heiligen Stätten unter eine komplizierte geteilte Souveränität fällt.

Angesichts dieser intensiven US-israelischen Diplomatie sind die Palästinenser bestürzt. Sie haben das Abkommen zwischen den USA und Netanyahu als "tief enttäuschend" beschrieben und verlangen vom Weißen Haus ähnlich großzügige Anreize, die ihren Weg zurück zu den Verhandlungen erleichtern. Die Arabische Liga, die eine wichtige Rolle bei der Überwachung der palästinensischen Verhandlungen übernommen hat, sind auch gegen diesen Deal.

Die Palästinenserfürchten, dass sie mit einem Patchwork nicht verbundener Gebiete gelassen werden - was Israel kürzlich "Blasen" nannte ...

Wenn der Präsident der palästinensischen Behörde Mahmoud Abbas dahin gebracht wird, all dies zu schlucken, was ziemlich unwahrscheinlich scheint, dann wird er mit der Hamas, der rivalisierenden palästinensischen Fraktion, kämpfen müssen, die alles in ihrer Macht stehende tun wird, um solch ein Abkommen abzubrechen.

Und dann ist da Netanyahu. Wenige israelische Analytiker denken, dass er plötzlich für die amerikanischen Vorschläge zugänglicher geworden ist.

Neve Gordon, ein Politologe der Ben Gurion-Universität im Negev und Autor einer bedeutenden Studie über die Besatzung, glaubt, dass der israelische Ministerpräsident einfach die Rolle spielt, die Obama von ihm verlangt.

"Er nimmt die US-"Handelsware" im Angebot, hält aber an den Schlüsselpositionen fest, die ein Misslingen der Verhandlungen garantieren. Auf diese Weise bekommt er die Anerkennung, die Verhandlungen auf Kurs zu halten und gibt den Palästinensern die ganze Schuld beim Aufgeben.

Dies klingt verdächtig wie eine Wiederholung der letzten richtigen Friedensgespräche in Camp David 2000. Damals hat Israels Unnachgiebigkeit die Verhandlungen abgewürgt, aber Yasser Arafat, dem palästinensischen Führer, wurde von den USA und Israel die Schuld für den Zusammenbruch gegeben.

Das Scheitern von Camp David führte zum Ausbruch palästinensischer Gewalt, zur 2. Intifada und zum Ende des israelischen Friedenslagers. Herr Netanyahu mag bereit sein, eine Wiederholungsolcher Ergebnisse dieser Gespräche zu riskieren, wenn er auf diese Weise irgendwelche wirkliche Konzessionen - palästinensische Eigenstaatlichkeit - verhindern kann.

Jonatahan Cook, Nazareth, Schriftsteller und Journalist. Seine letzten Bücher:"Israel undder Zusammenstoß der Zivilisationen: Irak, Iran und der Plan den Nahen Osten neu zu formieren" (Pluto Press)und "Disappearing Palestine: Israels Experiments in Human Despair" ( ZedBooks)Palestine Chronicle.comwww.jkcook.net

(Übersetzung ins Deutsche: Ellen Rohlfs)

* Aus: Palestine Chronicle, 18. November 2010


Obama's Bribe

Palestinians Will be the Losers ... Again

By JONATHAN COOK **


Watching the peace process between Israel and the Palestinians drag on year after year without conclusion, it is easy to overlook the enormous changes that have taken place on the ground since the Oslo Accords were signed 17 years ago.

Each has undermined the Palestinians' primary goal of achieving viable statehood, whether it is the near-trebling of Jewish settlers on Palestinian land to the current numbers of half a million, Israel's increasing stranglehold on East Jerusalem, the wall that has effectively annexed large slices of the West Bank to Israel, or the splitting of the Palestinian national movement into rival camps following Israel's withdrawal from Gaza in 2005.

Another setback of similar magnitude may be unfolding as Barack Obama dangles a lavish package of incentives in the face of Benjamin Netanyahu in an attempt to lure the Israeli prime minister into renewing a three-month, partial freeze on Jewish settlement construction in the West Bank.

The generosity of the US president's package, which includes 20 combat aircraft worth $3 billion and backing for Israel's continued military presence in the Jordan Valley after the declaration of a Palestinian state, has prompted even Thomas Friedman of The New York Times to compare it to a “bribe”.

Israeli officials said yesterday they were still waiting to see a text of the deal worked out between Netanyahu and the US secretary of state, Hillary Clinton, in seven hours of negotiations.

In addition to the concession in the Jordan Valley and the offer of combat jets that would effectively double the annual aid from the US, the deal is said to include a promise by Washington to veto for the next year any UN resolutions Israel opposes and to refrain, after borders have been agreed, from demanding any future limits on settlement growth.

The signs are that Netanyahu will be able to secure the backing of his right-wing cabinet for a brief settlement freeze that this time, the US has indicated, will not include East Jerusalem.

So far, in attempting to resolve the conflict, Obama has nearly exhausted his political capital. There were intimations this week that the White House could not afford further humiliation and was going for broke.

The timetable for negotiations now calls for reaching an agreement on borders within three months - the duration of the settlement construction freeze - followed by a final resolution of the conflict within a year or so.

Washington’s hopeful logic is that a renewal of the freeze will be unnecessary in three months because an agreement on borders will already have established whether a settlement is to be considered included in Israel’s territory and therefore permitted to expand or inside Palestine and therefore slated for destruction.

In a similarly optimistic vein, the US apparently expects the problem of refugees simply to dissolve through the creation of a special international fund to compensate them. The right of return appears to be off the table.

If these obstacles can be surmounted this way - a very big "if" - only one significant point of contention, the future of East Jerusalem, remains to be resolved.

This is where things get more awkward. The US is not proposing that the three-month freeze apply to East Jerusalem, after settlement-building there caused friction between Israel and the US during the last moratorium.

This concession and the outlines of a previous US peace proposal under president Bill Clinton hint at Washington's most likely strategy. East Jerusalem will be divided, with the large settlement blocs, home to at least 200,000 Jews, handed over to Israel while the Old City and its holy places fall under a complicated shared sovereignty.

In the face of this intense US-Israeli diplomacy, Palestinians are dismayed. They have described the agreement between the US and Netanyahu as “deeply disappointing” and are demanding from the White House similarly generous inducements to ease their path back to negotiations. The Arab League, which has taken a prominent role in overseeing the Palestinian negotiations, has also objected to the deal.

The Palestinians fear they will be left with a patchwork of disconnected areas - what Israel has previously termed "bubbles" - as their capital.

If the Palestinian Authority president, Mahmoud Abbas, can be made to swallow all this, which seems highly improbable, he will then have to contend with Hamas, the rival Palestinian faction, which can be expected to do everything in its power to disrupt such an agreement.

And then there is Netanyahu. Few Israeli analysts think he has suddenly become more amenable to the US plans.

Neve Gordon, a politics professor at Ben Gurion University in the Negev and author of an important study of the occupation, believes the Israeli prime minister is simply playing the part demanded by Obama.

"He is taking the US 'merchandise' on offer, but will hold firm on key issues that guarantee the talks' failure. That way he gets the credit for keeping the negotiations on track and lets the Palestinians take the blame for walking out."

This sounds suspiciously like a re-run of the last proper peace talks, at Camp David in 2000. Then, Israeli intransigence stalled the negotiations, but Yasser Arafat, the Palestinian leader, was blamed by the US and Israel for their collapse.

The Camp David failure led to the outbreak of Palestinian violence, the second intifada, and the demise of the Israeli peace camp. Mr Netanyahu may be prepared to risk a repeat of both such outcomes from these talks if it means he can avoid making any real concessions on Palestinian statehood.

** Counterpunch, November 17, 2010


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