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Pässe für israelische Agenten?

Gefälschte und echte Dokumente des Killerkommandos von Dubai sorgen für internationale Verwicklungen

Von Karin Leukefeld *

Der Fall des in Dubai ermordeten Mahmud Al-Mabhouh, eines Funktionärs der palästinensischen Hamas, sorgte auch am Wochenende international für Turbulenzen. So verlangte Dubais Polizeichef Dhafi Khalfan von Interpol die Festnahme von Meir Dagan, dem Chef des israelischen Geheimdienstes Mossad. Der Mossad sei für den Mord verantwortlich; Dagan sei Chef des Dienstes und als solcher »ein Mörder«, erklärte Generalleutnant Khalfan erneut. Unterdessen berichteten verschiedene Medien unter Berufung auf anonyme »Quellen mit Wissen über den Mossad«, Israels Ministerpräsident Benjamin Netanjahu habe persönlich Anfang Januar grünes Licht für den Mord gegeben. Das Killerkommando habe den Einsatz in einem Hotel in Tel Aviv geprobt, Netanjahu habe den Agenten »viel Glück« gewünscht.

Weil das Killerkommando mit gefälschten Pässen von vier europäischen Staaten – Irland, Großbritannien, Frankreich und Deutschland – agierte, gerieten mittlerweile auch die betreffenden Regierungen in Bedrängnis. London wies Vorwürfe zurück, daß der Geheimdienst MI6 von der Aktion vorab informiert worden sei. Derweil wurde bekannt, daß die britischen Pässe des Todeskommandos am Tel Aviver Flughafen »Ben Gurion« bei der Einreise ihrer rechtmäßigen Besitzer heimlich fotokopiert worden waren. Mit den persönlichen Daten seien neue, gefälschte Pässe hergestellt worden.

Der israelische Botschafter Yoram Ben Ze’ev wurde in Berlin ins Auswärtige Amt einbestellt und um Aufklärung gebeten. Der Spiegel (22.2.) berichtete, daß der Mossad sehr wahrscheinlich für den Mord in Dubai verantwortlich sei und beruft sich dabei auf anonyme Geheimdienstquellen. Laut der Nachrichtenagentur ddp äußerte ein ehemaliger BND-Mitarbeiter, daß israelische Agenten von Deutschland mit Papieren ausgerüstet werden, um sich in Staaten wie dem Iran oder arabischen Staaten einfacher bewegen zu können.

Der in Dubai benutzte BRD-Paß von »Michael Bodenheimer« war im Juni 2009 vorschriftsmäßig vom Kölner Einwohnermeldeamt ausgestellt worden. Der Antragsteller habe sich – laut Spiegel – mit einem israelischen Paß ausgewiesen und unter Berufung auf die Herkunft seiner Eltern einen deutschen Paß beantragt und auch erhalten. Die Staatsanwaltschaft Köln hat inzwischen ein Ermittlungsverfahren eingeleitet, die Bundesanwaltschaft prüft, ob sie das Verfahren wegen des Verdachts der geheimdienstlichen Agententätigkeit übernehmen soll.

Trotz alledem gab sich Israels stellvertretender Außenminister Danny Ajalon gelassen. Es gebe keine Hinweise auf die Verantwortung Israels. Daß es zu Spannungen mit den Staaten kommen werde, deren Pässe bei dem Mord benutzt wurden, glaube er nicht, zumal es mit »Großbritannien, Frankreich und Deutschland eine Interessensgleichheit im Kampf gegen den Terrorismus« gebe. Die Hamas wird sowohl von den betroffenen Staaten als auch von Israel als »Terrororganisation« eingestuft.

Der Hamas-Funktionär Nehru Massud, der den Ermordeten begleitet hatte, dementierte am Wochenende, etwas mit dem Tod von Al-Mabhouh zu tun zu haben. Er sei auch nicht verhaftet worden, erklärte Massud dem palästinensischen Fernsehsender Al-Aksa. Seine angebliche Festnahme in Syrien sei von den Fatah-dominierten Sicherheitsbehörden der Palästinensischen Autonomiebehörde erfunden worden, um die Hamas in Mißkredit zu bringen. Laut der arabischen Tageszeitung Al Hayat handelte es sich bei den beiden als »Mordhelfer« festgenommenen Palästinensern um frühere Mitarbeiter einer Sicherheitsfirma. Diese gehörte Mohammed Dahlan von der Fatah, der für seine enge Zusammenarbeit mit dem israelischen Geheimdienst bekannt sei.

* Aus: junge Welt, 22. Februar 2010


EU verurteilt Paßklau statt Mord

Europäische Union berät über Komplott des israelischen Geheimdiensts **

Die Europäische Union hat von Israel Aufklärung über den Mord an einem Hamas-Politiker in Dubai verlangt. Beim EU-Außenministertreffen in Brüssel drängten der spanische EU-Ratsvorsitz und mehrere Mitgliedstaaten die israelische Regierung am Montag, unverzüglich Informationen über das Komplott zu liefern, das dem israelischen Geheimdienst Mossad zugeschrieben wird. »Wir dringen darauf, daß wir die volle Übersicht über das bekommen, was da geschehen ist«, sagte Staatsminister Werner Hoyer, der Bundesaußenminister Guido Westerwelle (beide FDP) in Brüssel vertrat. Der spanische Außenminister Miguel Angel Moratinos sagte, die EU sei »äußerst besorgt» über die Verwendung europäischer Pässe bei dem Mord an dem Hamas-Führer Mahmud El Mabhuh.

Ähnlich klang die gestern in Brüssel verabschiedete Erklärung, in der die EU Kritik am Mißbrauch europäischer Pässe übte. Die EU-Außenminister prangerten scharf »den Diebstahl der Ausweise von EU-Bürgern« an, wie Diplomaten mitteilten. Israel wird in dem Text für den Mordanschlag allerdings nicht verurteilt.

Der schwedische Außenminister Carl Bildt nannte den »Mißbrauch europäischer Pässe» nicht akzeptabel. Sein luxemburgischer Kollege Jean Asselborn betonte, der heimtückische Mord sei »ein Verbrechen, das keinen Platz im 21. Jahrhundert hat«. Frankreich verurteile jedwede »Hinrichtung«, betonte Präsident Nicolas Sarkozy. Nichts könne derartige Methoden rechtfertigen.

Hamas-Spitzenfunktionär Mahmud El Mabhuh war am 20. Januar in Dubai ermordet aufgefunden worden. Dubai macht nach akribischer Recherche den israelischen Geheimdienst Mossad für das Verbrechen verantwortlich. Die internationale Polizeibehörde Interpol fahndet nach elf Verdächtigen, die kurz vor der Tat mit britischen, irischen sowie einem deutschen und einem französischen Pass eingereist waren. Offenbar kamen die Verdächtigen in den Besitz der europäischen Papiere, nachdem diese für Israelis mit doppelter Staatsangehörigkeit ausgestellt worden waren. Wegen des Vorfalls ermittelt auch die Kölner Staatsanwaltschaft.

Israel weist weiter jede Verantwortung zurück. Für die Anschuldigungen gegen den Geheimdienst Mossad gebe es keinerlei Grundlage, sagte Außenminister Avigdor Lieberman einer israelischen Zeitung. (AFP/apn/jW)

* Aus: junge Welt, 23. Februar 2010


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