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Israel schweigt

Auslandsgeheimdienst Mossad soll in Dubai Hamas-Funktionär ermordet haben. Tel Avivs Botschafter in London und Dublin einbestellt

Von Karin Leukefeld *

Der gewaltsame Tod eines hohen Hamasfunktionärs am 20. Januar in Dubai geht nach Ansicht des dortigen Polizeichefs zu 99 Prozent auf das Konto Israels. Dies teilte Generalleutnant Dhafi Khalfan Tamim am Mittwoch in Dubai mit. Mahmud Al-Mabhouh (50), der als einer der Gründer der Izzedine-al-Khassam-Brigaden gilt und seit 1989 in Syrien im Exil lebte, war in einem Hotel der größten Stadt des Emirats ermordet aufgefunden worden. Polizeiberichten zufolge war Al-Mabhouh durch einen Stromschlag getötet worden.

Sprecher der Hamas hatten den Tod bekanntgegeben und den israelischen Geheimdienst Mossad für die Tat verantwortlich gemacht. Israel, das Aktionen des Mossad nie kommentiert, schwieg auch in diesem Fall. Dank einer umfassenden Kameraüberwachung in dem betroffenen Hotel fanden die örtlichen Polizeibehörden innerhalb kürzester Zeit Einzelheiten über den Mord heraus. Am vergangenen Dienstag wurden die Fotos von elf involvierten Personen, die sich allesamt europäischer Pässe bedient hatten, präsentiert. Zwei Palästinenser, die nach Angaben der Polizei den Mördern »geholfen« haben sollen, wurden verhaftet.

Die elf Personen, die sechs britische, drei irische, einen französischen und einen deutschen Paß benutzt hatten, wurden bei Interpol zur Fahndung ausgeschrieben. Man halte die Gruppe für ein »professionelles Todeskommando« im Auftrag einer »ausländischen Macht«, so der leitende Polizeichef von Dubai. Die Papiere seien offensichtlich gefälscht, und man bedauere, daß die Personen »mit Reisedokumenten befreundeter Staaten unterwegs waren«. Tamim schloß nicht aus, daß »der Mossad involviert ist«. Gewißheit gebe es aber erst, wenn man die Verdächtigen gefaßt habe. Er führte Aufnahmen der Überwachungskameras vor, die deutlich zeigten, wie die Personen sich in dem Hotel getroffen und Al-Mabhouh in den Fahrstuhl und auf den Flur gefolgt waren. Eine Person war dabei zu beobachten, wie sie in einer Toilette verschwindet und kurz darauf mit Perücke und falschem Bart wieder herauskommt.

Das britische und irische Außenministerium nahmen Untersuchungen auf. Sie haben die israelischen Botschafter in London und Dublin bereits einbestellt.

Einige der Personen, deren Pässe für den Mord an Al-Mabhouh gestohlen oder gefälscht wurden, leben in Israel und haben die britische und israelische Staatsangehörigkeit. Stephen Daniel Hodes (37) erklärte im israelischen Fernsehen, er habe das Land seit zwei Jahren nicht verlassen und sei geschockt. Er wisse nicht, »wer dahintersteckt.«

Israel provoziere mit solchen Morden den gesamten Mittleren Osten, kritisierte ein namentlich nicht genannter ägyptischer Vertreter in der Londoner Times. Man beobachte das »Kommen und Gehen« israelischer Agenten in Ägypten und wisse, daß sie auch in anderen arabischen Staaten aktiv seien. »Sie wollen uns alle in ihren Krieg verwickeln.« Doch Israel überschreite seine Grenzen, »andere Staaten wollen kein Schlachtfeld des israelisch-palästinensischen Konflikts werden«.

Nach Angaben der Times haben die Morde an Militanten und Funktionäre anderer Organisationen außerhalb Israels seit dem Amtsantritt des derzeitigen Mossad-Chefs Meir Dagan zugenommen. Hisbollah-Funktionäre seien 2003 und 2004 in Beirut getötet worden. Auch die Ermordung von Imad Mughnie­yeh, der ebenfalls der Hisbollah angehörte, im Jahr 2008 in Damaskus dürfte auf das Konto des Auslandsgeheimdienstes gehen. Ende 2009 starben in Beirut zwei Hamas-Funktionäre bei der Explosion einer Bombe, die dem Mossad zugeschrieben wird.

* Aus: junge Welt, 19. Februar 2010


Botschafterschelte nach Dubai-Mord

Vereinigte Arabische Emirate: Hamas-Politiker starb durch israelischen Geheimdienst

Von Roland Etzel **


In der Affäre um die Ermordung eines Hamas-Führers in Dubai hat die dortige Polizei offiziell den israelischen Geheimdienst Mossad für die Tat verantwortlich gemacht. In Dublin und London wurde nun der israelische Botschafter einbestellt.

Der gewaltsame Tod des Hamas-Politikers Mahmud Abdel Rauf al-Mabhuh wird jetzt - reichlich vier Wochen nach der Tat - zum politischen Skandal erklärt. Im Zentrum des investigativen Interesses der Aufklärer steht ein gewisses »Institut für Aufklärung und besondere Aufgaben«, besser bekannt unter dem Namen Mossad - israelischer Auslandsgeheimdienst. Der Polizeichef des Emirates Dubai, Dhahi Chalfa, sagte am Donnerstag, er sei sich zu »99 oder 100 Prozent« sicher, dass die Israelis hinter dem Mord stecken.

Mabhuh war am 20. Januar im Dubaier Hotel »Bustan Rotana« umgebracht worden. Nach Angaben seines Bruders wurde der 50-Jährige mit Stromstößen gequält und erwürgt. Aber nicht deshalb führen die Spuren nach Israel. Mabhuh wurde auf einer Mossad-Mordliste geführt, weil er irgendwann in den 80er oder 90er Jahren als Mitglied der Hamas, der im Gaza-Streifen herrschenden Palästinenser-Organisation, an der Tötung israelischer Soldaten beteiligt gewesen sein soll.

Dafür gibt es beim Mossad informelle Tötungslisten, und die verjähren nie. Auf ihnen standen einst die palästinensischen Olympia-Attentäter von München, Beteiligte an Flugzeugentführungen, aber auch ranghohe palästinensische Politiker und andere Persönlichkeiten. Die Morde der nach eigenem Verständnis einzigen Demokratie des Nahen Ostens wurden wie selbstverständlich abseits jeglicher Rechtsstaatlichkeit begangen. Hin und wieder traf es auch Begleiter der »Zielperson«, Passanten und andere völlig Unschuldige wie jenen marokkanischen Friseur in Norwegen, der ohne Warnung niedergestreckt wurde, weil er das Pech hatte, einem der Olympia-Attentäter ähnlich zu sehen. Neben der Tatsache, dass das Opfer auf der Todesliste des Mossad stand, sprechen auch äußere Umstände für dessen Täterschaft. Für die Dubaier Polizei sind das in erster Linie die verwendeten Pässe und Identitäten der offenbar als Touristen in die Vereinigten Arabischen Arabischen Emirate eingereisten Mörder Mabhuhs.

Nach Erkenntnissen der Dubaier Zeitung »The National« werden elf Personen verdächtigt, bei dem Komplott mitgewirkt zu haben. Es hätte sich, so Polizeichef Chalifa, eine »klare Verbindung« zwischen den Verdächtigen und »Leuten mit direkten Beziehungen zu Israel« ergeben.

Die erwähnten elf Leute sollen teilweise mit Pässen von israelischen Staatsbürgern eingereist sein, die auch die britische oder irische Staatsbürgerschaft haben. Die gefälschten britischen Pässe enthielten unter anderem die persönlichen Daten von vier Israelis, wie das israelische Fernsehen am Dienstag berichtete. Die Fotos seien ausgetauscht worden. »Das ist mein Pass, aber ich habe Israel nicht verlassen«, sagte der Israeli Paul Kelly, der auch die britische Staatsangehörigkeit hat. Auch der Israeli Steven Hod sagte, seine Identität sei »gestohlen« worden.

An dieser Stelle - erst an dieser Stelle - beginnt die Empörung in Dublin und London. Großbritannien und Irland bestellten nach diesen Nachrichten die jeweiligen Botschafter Israels ein, um gegen die nicht genehmigte Verwendung ihrer hoheitlichen Insignien zu protestieren. Doch dies ist nicht mehr als eine standardisierte diplomatische Geste, in London etwa so dramatisch wie ein Smalltalk zur Teatime.

Dass der staatsoffizielle Mord in einem Drittland einen Friedensdialog im Nahen Osten nicht gerade begünstigt, kann in den israelischen Überlegungen keine Rolle gespielt haben. Und auch nicht das Schicksal des in Hamas-Gefangenschaft befindlichen israelischen Soldaten Gilad Schalit, dessen Chancen, ausgetauscht zu werden, mit dem Mord von Dubai auch nicht gestiegen sind.

** Aus: Neues Deutschland, 19. Februar 2010


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