Israel: Koalition mit Rechtsdrall
Netanjahu (Likud) und Barak (Arbeitspartei) einig über gemeinsame Regierung
Der rechtsorientierte Likud und die sozialdemokratische Arbeitspartei haben am Dienstag in Israel
eine Koalitionsvereinbarung unterzeichnet. Auf einem Parteitag in Tel Aviv stimmten die Delegierten
der Arbeitspartei am Dienstag mit 680 zu 507 Stimmen für den Beitritt zu der Koalition.
Jerusalem/Um el-Fahem (AFP/ dpa/ND). Israels designierter Ministerpräsident Benjamin Netanjahu
und der Chef der Arbeitspartei, Ehud Barak, haben sich auf eine Koalition geeinigt. Mit deutlicher
Mehrheit hat danach auch ein außerordentlicher Parteitag der Arbeitspartei im Laufe des Abends
den Koalitionsplänen zugestimmt. Mehr als die Hälfte der 13 Abgeordneten hatte sich ursprünglich
gegen eine Koalition mit der rechtsgerichteten Likud-Partei ausgesprochen.
Netanjahu und Barak erzielten die Einigung, nachdem sie sich am Dienstagmorgen persönlich in die
Koalitionsgespräche einschalteten. Zuvor hatten die Delegationen beider Parteien verhandelt. Wie
Baraks Büro mitteilte, kann die Arbeitspartei auf fünf Ministerposten in Netanjahus Kabinett zählen.
Barak würde sein Amt als Verteidigungsminister behalten.
Netanjahus Ziel ist es, sein bisheriges Dreierbündnis mit religiösen und ultrarechten Partnern zu
erweitern und damit auf eine breitere Grundlage zu stellen. Mit der Arbeitspartei wäre ihm die
absolute Mehrheit im Parlament, der Knesset, sicher.
Wie der Armeerundfunk berichtete, verpflichtete sich Netanjahus Likud-Partei dazu, die
Friedensverhandlungen mit den Palästinensern fortzusetzen und die bisherigen Abkommen zu
respektieren. Außerdem will die künftige Regierung dem Bericht zufolge weiter gegen nicht
genehmigte jüdische Siedlungen im Westjordanland vorgehen.
Auf dem Sonderparteitag der israelischen Arbeitspartei in Tel Aviv hatten sich noch am Nachmittag
Gegner und Befürworter eines Regierungsbeitritts einen heftigen Schlagabtausch geliefert. Es sei
keine Schande, in der Opposition zu sitzen, sagte die Abgeordnete Shelly Yacimovich. Andere
warnten Parteichef Barak, dass die Partei in einer rechtsgerichteten Regierungskoalition unter
Netanjahu ihre Werte verlieren werde. Barak vertrat hingegen die Ansicht, dass eine Mehrheit der
Wähler die Partei in der Regierungsverantwortung sehen wolle. Die geheime Abstimmung der 1470
Delegierten hatte ihm dann eine überraschend deutliche Mehrheit gebracht.
Bislang gehörten außer der Likud-Partei schon die ultra-orthodoxe Schas-Partei und die
Rechtsaußenpartei Unser Haus Israel von Avigdor Lieberman zur Regierungskoalition Netanjahus.
Damit kann Netanjahu in der Knesset mit der Unterstützung von mindestens 66 der 120
Abgeordneten rechnen – 27 von der Likud-Partei, 15 von Unser Haus Israel, 13 von der
Arbeitspartei und 11 von der Schas-Partei. Auch kleinere religiöse Parteien werden dem Netanjahu-
Lager zugerechnet. Netanjahu hat bis zum 3. April Zeit zur Regierungsbildung.
Bei Protesten gegen einen Aufmarsch ultrarechter jüdischer Demonstranten hat es am Dienstag in
der Stadt Um el-Fahem Zusammenstöße gegeben. Sowohl arabische als auch jüdische
Gegendemonstranten versuchten in der überwiegend von arabischen Israelis bewohnten Stadt im
Norden Israels, den Aufmarsch zu verhindern. Rund 3000 Polizisten trieben die
Gegendemonstranten mit Tränengas und Wasserwerfern auseinander. Diese bewarfen die
Polizisten mit Steinen.
Die Demonstranten erreichten, dass die jüdischen Ultrarechten die geplante Route ihrer
Kundgebung ändern mussten. Die mit zwei Bussen angereisten Extremisten pochten auf ihr Recht,
überall in Israel demonstrieren zu können.
* Aus: Neues Deutschland, 25. März 209
Stunde der Falken
Von Roland Etzel **
Die israelische Gesellschaft richtet sich in der ultrarechten Ecke ein. Da auch der Parteikonvent, also die Basis der Arbeitspartei, am gestrigen Abend ihrem Vorsitzendem Barak zustimmte, sitzen die einst so stolzen Sozialdemokraten in einem Regierungsboot mit den Falken von Likud, der offen rassistischen Lieberman-Truppe und zwei ultrareligiösen Gruppierungen. Es passt ins Bild, dass am selben Tage ein Gruppe Großisrael-Extremisten ausgerechnet in der größten arabischen Ansiedlung innerhalb Israels Flagge zeigen wollte.
Dass eine Lösung des israelisch-palästinensischen Konflikts auch nach einem halben Jahrhundert nicht in Sicht ist, erklären Israelis häufig auch mit dem Fehlen »geeigneter« Partner auf arabischer Seite, wo man speziell bei der Hamas nur Friedensunwillige, Extremisten, religiöse Fanatiker und dergleichen sieht. Doch mit jeder Provokation, die wie die gestrige auch den Segen des Obersten Gerichts erhielt, kehrt sich der Vorhalt gegen die Israelis, entsprechen sie selbst ihm immer mehr.
Wie sehr, wird sich bald zeigen. Die neuen Koalitionäre versichern ihren beunruhigten bis verärgerten Partnern im Westen, an den bisherigen Friedensbemühungen festhalten zu wollen. Doch Falken tragen gewöhnlich keine Ölzweige. Und zumindest Netanjahu und Lieberman haben dies in der Wahlkampagne auch nicht versprochen.
** Aus: Neues Deutschland, 25. März 2009 (Kommentar)
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