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Israel zerbombt die Hoffnung auf Frieden in Palästina und im eigenen Land

Leserzuschrift eines Frankfurter Pfarres

Wann endlich wird dem Massaker israelischer Politik an den Palästinensern eigentlich Einhalt geboten? Es ist bereits viel zu spät, wenn jetzt unser Außenminister "geschockt und entsetzt" ist und Aufklärung über die Todesursachen eines Deutschen in Beit Dschalla von Israel fordert. Es ist weit über 150 gemordete Menschen zu spät!

Israel beschießt palästinensische Städte und Dörfer vor aller Welt Augen. Seine Panzer schießen von Positionen auf einem Land, das sie völkerrechtswidrig nicht nur besetzt, sondern sich sogar angeeignet haben. Sie haben auf palästinensischem Territorium, wo früher Wälder und Olivenhaine waren, abgeholzt und bauen dort ihre Siedlungen, und wir konnten unlängst in den Nachrichten sehen, wie freudig die Kriegs-Party israelischer Jugendlicher aus diesen Siedlungen war, als sie die Brandeinschüsse israelischer Granaten in Beit Dschalla damals bejubelten, wir sahen einen kleinen Jungen in Gaza, sich schützend unter seinem Vater verbergend, der brutal erschossen wurde. Auch das war in den Nachrichten in aller Welt.

Jetzt jagen Kampfpanzer mit offensichtlich gezieltem Raketenbeschuss Menschen durch die Straßen der Städte, beschießen und zerstören sie jetzt Häuser, nicht mehr wie früher mit Bulldozern, sondern mit den Granaten aus ihren Panzern. Wie viel Hass will Israel eigentlich noch säen in Palästina?

Kennen die israelischen Politiker, die die Palästinenser seit Jahren an der Nase herum durch den so genannten Friedensprozess irreführen, die Logik ihres Tuns? Haben sie, die sie seit Jahrzehnten die eigene arabische Bevölkerung und erst recht die Palästinenser in den besetzten Gebieten als ein "Stück Dreck" bezeichnen und behandeln, noch immer nicht gelernt, dass, wer Hass sät, Gewalt ernten wird?

Menschen lassen sich nicht jahrzehntelang demütigen, berauben, betrügen, ohne nicht eines Tages dagegen aufzustehen. (…) Noam Chomsky hat vor Jahren schon in einem Symposium zum "Staatsterrorismus" an der Frankfurter Universität darauf hingewiesen, dass Israels Palästina-Politik nach Grundsätzen des Staatsterrorismus gestaltet ist. Aber bei uns wird festgehalten an einem Israel der Kibbuz-Romantik, des David(Israel)- gegen Goliath(Araber)-Mythos.

Die palästinensischen Todesopfer der gegenwärtigen Politik werden wie "Abschussraten" am Ende einer jeden Nachricht angefügt, gestern wieder acht Palästinenser erschossen, vorgestern waren es neun und davor "nur" fünf Beerdigungen der wenigen israelischen Opfer, Besatzungssoldaten oder illegale Siedler, werden in der ganzen Trauerdramatik der Angehörigen und Kameraden gezeigt. In der Tat, es herrscht Krieg, ein schmutziger Krieg Israels gegen die palästinensische Bevölkerung, und die Welt schaut zu. Wie lange soll das noch so gehen? Wie im Libanon wird Israel auch diesen Krieg verlieren.

Wir, die wir für ein Existenzrecht Israels und für das Selbstbestimmungsrecht der Palästinenser in einem eigenen Staat eintreten, befürchten Schlimmes für Israel. Für Palästina fürchten wir dieses Schlimme nicht mehr, es ist mit aller Brutalität und Menschenverachtung schon da.

In dem "Arbeitskreis Israel und Palästina" im Ökumenischen Zentrum haben wir immer wieder in zum Teil großen Veranstaltungen, wie zuletzt am 1. und 2. September, auf die Verhältnisse in den besetzten Gebieten hingewiesen. Gruppen aus dem Ökumenischen Zentrum haben immer wieder mit israelischen wie auch mit palästinensischen Friedensaktivisten Gespräche geführt. Und wir wissen, dass es diese Friedensgruppen gibt. Aber wir hörten bei unserem letzten Besuch in Israel und Palästina im Frühjahr dieses Jahres bereits die warnenden Stimmen auf beiden Seiten.

Nun zerbombt Israel die Hoffnung auf Frieden in Palästina und im eigenen Land ebenso. Das kann sich Israel auf Dauer nicht leisten, ohne dass dieser Jahrzehnte währende Staatsterror auf Israel selber zurückschlägt.

Erinnern wir uns: Die derzeitigen Kämpfe wurden ausgelöst durch Ariel Scharons von offiziellen Polizei- und Militärkontingenten staatlicherseits geschützten so genannten "Besuch" auf dem Tempelberg, eine gezielte, die jetzigen Ereignisse bewusst herbeiführende Agitation, eine Verletzung jenes Grundkonsenses, an den sich bis dato jeder jüdische Israeli gehalten hat.

Wo bleibt die internationale Staatengemeinschaft, die sich nach dem ersten Vertrag von Camp David verpflichtete, den begonnenen Friedensprozess zu fördern? Sie ist aufgefordert, jetzt, wo sich die Menschen nicht mehr mit Geld befriedigen lassen, sondern Recht und Gesetz fordern, ihre Schutz- und Unterstützungsdeklarationen wahrzunehmen.

Wegen fortgesetzter Menschen- und Völkerrechtsverletzungen gehören die Politiker Israels vor den Internationalen Gerichtshof in Den Haag! Israel muss erfahren, was andere Länder ebenfalls seit einiger Zeit lernen müssen, dass es die Resolutionen der UN rechtlich nicht ungestraft verletzten darf.

Die Palästinenser müssen erfahren, dass endlich auch in Bezug zu Israel die Staatengemeinschaft ihren in den UN verbrieften Schutzauftrag ernst nimmt. Die UN müssen für die Dauer der Besatzung und der aktuellen Kämpfe über Israel einen Handelsboykott verhängen, wie sie ihn im Falle des Irak und Jugoslawiens schnell bereit waren zu verhängen.
Pfarrer Konrad Knolle, Frankfurt a. M.
Aus: Frankfurter Rundschau, 14. Dezember 2000, Rubrik: Leserbriefe

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