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Netanjahus Rundumschlag

Kriegsgeschrei der israelischen Regierung hält unvermindert an. USA reduzieren Beteiligung an geplantem gemeinsamen Manöver

Von Knut Mellenthin *

Benjamin Netanjahu hat am Sonntag seine Forderung nach einem internationalen Ultimatum gegen Iran bekräftigt. Dem Westen warf der israelische Premierminister während einer Regierungssitzung vor, nicht genug Druck zu machen, um Iran zur Aufgabe seines Atomprogramms zu zwingen. Die Wirtschaftssanktionen, die hauptsächlich im Alleingang von USA und EU verhängt wurden, hätten sich als wirkungslos erwiesen. Gleichzeitig richtete Netanjahu heftige Angriffe gegen die 120 blockfreien Staaten, die sich in der vergangenen Woche zu einer Konferenz in Teheran getroffen hatten, und verlangte einen Abbruch der Gespräche mit Iran, da die Gegenseite diese nur nutze, um Zeit zu gewinnen und ihr Atomprogramm voranzutreiben.

Einen Tag zuvor hatte der frühere Knesset-Abgeordnete Tzachi Hanegbi, der als enger Vertrauter der Premiers gilt, den USA vorgeworfen, sie würden keine »glaubwürdige Bedrohung« Irans praktizieren. Die Rhetorik von Präsident Barack Obama sei »zu unbestimmt, zu schwammig« und werde nicht in »irgendeine Ankündigung konkreter Aktionen« umgesetzt. »Die Ereignisse der letzten Woche« gäben Israel »noch mehr Legitimität« für einen militärischen Alleingang. Als eines dieser Ereignisse führte Hanegbi ausdrücklich die Teheraner NAM-Konferenz an, die bewiesen habe, daß die vom Westen beabsichtigte internationale Isolierung Irans gescheitert sei.

Bereits am Freitag hatte Vizepremier Mosche Jaalon dem Westen vorgeworfen, den »militärischen Druck gegen Iran zu untergraben«. Es gebe »viele Breschen in dem Ring, der sich enger um Iran schließt«. Jaalons Äußerungen wurden in den israelischen Medien als vor allem gegen US-Stabs¬chef Martin Dempsey gerichtet interpretiert. Der General hatte am Donnerstag erklärt, ein israelischer Militärschlag gegen Iran werde dessen Atomprogramm lediglich verzögern, aber nicht zerstören können. Zugleich gefährde ein »verfrühter Angriff« jedoch die Sanktionen und überhaupt den »zunehmenden Druck« auf Iran durch die von den USA geführte »internationale Koalition«. Falls die israelische Regierung sich für einen Angriff entscheide, wolle er nicht »mitschuldig« sein.

Vor Netanjahus Kriegsplänen warnte am Sonntag auch der frühere Richter am Obersten Gerichtshof Israels Elijahu Winograd. Er wurde vor einigen Jahren weltweit bekannt durch den nach ihm benannten Untersuchungsbericht über die Fehler der israelischen Regierung im Libanon-Krieg von 2006. Im Armee-Radio warnte Winograd jetzt, daß ein militärischer Alleingang gegen Iran »Verantwortungslosigkeit im allerhöchsten Grad« darstellen würde. Und an Netanjahu sowie dessen Verteidigungsminister Ehud Barak gerichtet: »Sie sind dabei, unser ganzes Land zu gefährden, alles, was wir aufgebaut haben. Sowohl das Land im physischen Sinn als auch unsere Wirtschaft.«

Durch eine Veröffentlichung des US-Nachrichtenmagazins Time wurde am Freitag bekannt, daß die US-Streitkräfte sich an den seit langem geplanten gemeinsamen Militärübungen mit Israel, die Ende September oder Anfang Oktober beginnen und bis Mitte November dauern sollen, mit geringeren Kräften als bisher angekündigt beteiligen werden. Beispielsweise sollen statt 5000 Soldaten nur noch 1500 entsandt werden. Einige israelische Kommentatoren sehen darin einen weiteren Ausdruck der zunehmenden Gegensätze zwischen Washington und Jerusalem. Diesem Eindruck haben Vertreter beider Seiten jedoch entschieden widersprochen. Die von der Time gemeldeten Zahlen seien falsch, hieß es ohne Präzisierung aus der US-Regierung. Pentagonsprecher Jack Miller versicherte, das Manöver Austere Challenge 12 werde auf jeden Fall die größte gemeinsame Übung in der Raketenabwehr bleiben, die jemals stattfand.

Das Manöver war zunächst für April und Mai geplant gewesen, aber auf israelischen Wunsch in den Herbst verschoben worden. Die US-Regierung habe den Israelis schon damals mitgeteilt, daß dies aufgrund anderweitiger Verpflichtungen und Pläne mit einer Reduzierung der amerikanischen Beteiligung einhergehen werde, sagte Miller am Freitag.

* Aus: junge Welt, Montag, 03. September 2012


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