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Netanjahu gegen den Rest der Welt

Israel fordert von den USA Aufrechterhaltung der Droh- und Sanktionspolitik gegen Iran

Von Max Böhnel, New York *

Nach der diplomatischen Annäherung an Iran hatte US-Präsident Obama Israels Regierungschef Netanjahu zu Gast. Der forderte, an den strengen Sanktionen gegen Iran festzuhalten.

Nach einer 90-minütigen Unterredung im Weißen Haus traten die beiden Staatsmänner kurz vor die Presse. [Siehe: Israel verschärft den Kurs gegen Iran.] Das »militärische Atomprogramm« Irans müsse aufgelöst werden, bekräftigte der israelische Ministerpräsident Benjamin Netanjahu. Die USA würden »eine klare Sicht« behalten, reagierte darauf zustimmend USA-Präsident Barack Obama. Er werde der Diplomatie eine Chance geben und sehen, ob Iran es mit seinen internationalen Verpflichtungen »ernst« meine. Es sei »absolut klar, dass Worte nicht ausreichen werden«. Die USA würden »keine Option vom Tisch nehmen, auch nicht militärische Optionen«.

Laut Presseberichten hatten Netanjahu und Obama neben der Iran-Politik auch die israelisch-palästinensischen Verhandlungen erörtert. Doch keiner äußerte sich danach konkret dazu. Nach der Pressekonferenz traf Netanjahu mit USA-Außenminister John Kerry zusammen, der sich seit dem Frühjahr mit einer Pendeldiplomatie um die Wiederaufnahme der israelisch-palästinensischen Gespräche bemüht. Am Dienstagabend wollte der israelische Premier vor der UN-Vollversammlung in New York eine Rede halten, in der er laut seiner eigenen Ankündigung die »Wahrheit« über das iranische Atomprogramm sagen werde.

Netanjahu habe auf dem diplomatischen Parkett trotz großer Meinungsverschiedenheiten mit der USA-Regierung von Obama »genau das erhalten, was er erhalten wollte«, zeigte sich der Korrespondent der israelischen Tageszeitung »Haaretz« überzeugt – die »neuerliche Androhung amerikanischer Militäraktionen gegen Iran«, und dies ausgerechnet zu einer Zeit, in der sich Iran und die USA zum ersten Mal seit langer Zeit wieder annähern.

Vor wenigen Tagen hatten Obama und der iranische Staatschef Hassan Ruhani am Rande der UN-Generaldebatte miteinander telefoniert. Der Anruf war das erste direkte Gespräch zwischen Staatschefs Irans und der USA seit dem Abbruch der diplomatischen Beziehungen vor mehr als 30 Jahren. Nach Auffassung von Beobachtern in den USA ist die »Charme-Offensive« Ruhanis auf das seit 2010 herrschende Sanktionsregime gegen Iran zurückzuführen. Teheran wolle unter dem finanziellen und sozialen Druck, der »massiv« geworden sei, sein Atomprogramm als Verhandlungsmasse einsetzen, um die Sanktionen zu lockern.

Die harte Linie, von der Israels Regierung Washington zu überzeugen versucht, fasste Netanjahu am Montag in die Worte: »Der Druck muss bleiben. Wenn Iran bei seinem Atomprogramm während der Verhandlungen weiter Fortschritte macht, dann sollten die Sanktionen verschärft werden.« Sie sollten erst dann gelockert werden, wenn Iran sein Nuklearprogramm gänzlich aufgegeben hat. Die Haltung der USA-Regierung sieht dagegen die Lockerung von Sanktionen vor, sobald Iran »bedeutende Schritte« in diese Richtung geht. Von der Drohung, Iran im militärischen Alleingang anzugreifen, sah Netanjahu ab. Vor seinem Besuch hatten ihn Vertreter jüdischer Organisationen in den USA öffentlich zur rhetorischen Mäßigung angehalten. Laut dem Leiter des American Jewish Committee, David Harris, der die Iranpolitik Netanjahus bisher mittrug, isoliert sich Israel weiter auf der internationalen Bühne, wenn es nicht »andere Wege findet, seine Position zu verdeutlichen«.

Einige israelische Abgeordnete der oppositionellen Arbeitspartei, die sich in den USA aufhalten, warnte ebenfalls vor einer Entfremdung und betonten die »strategische Allianz« der Großmacht mit dem Juniorpartner.

* Aus: neues deutschland, Mittwoch, 2. Oktober 2013


Obamas »guter Dienst« für Israel

Allein Israels rechtsgerichtete Siedlerpartei fordert vom Premier: Jetzt bloß nicht einknicken!

Von Oliver Eberhardt, Jerusalem **


Israels Premier Netanjahu hat in Washington auch einen militärischen Alleingang seines Landes gegen iranische Atomanlagen nicht ausgeschlossen. Selbst sein Geheimdienst ist davon alles andere als begeistert.

Den wohl deutlichsten Rüffel erhielt Israels Regierungschef Benjamin Netanjahu, als er gerade über dem Atlantik war. Warum die Sache mit dem iranischen Spion, den der Geheimdienst Schin Beth festgenommen hatte, an die Medien gegeben worden sei, wurde ein Sprecher der Polizei während einer Pressekonferenz gefragt. »Nun ja«, antwortete der mit einem Lächeln, »die Regierung hat angeordnet, dass wir die Nachrichtensperre aufheben lassen und mit den Medien kooperieren.« Es war eine Nachricht, die den gesamten Tag lang das für den Abend (MESZ) geplante Treffen Netanjahus mit US-Präsident Barack Obama verdrängte. Wobei immer daran erinnert wurde, wie sich Netanjahu, und noch viel mehr als er seine Frau Sara, während seiner ersten Amtszeit Ende der 90er Jahre in die Angelegenheiten von Polizei und Geheimdiensten einmischten. Und auch daran, wie wenig Liebe man dort seitdem für Netanjahu verspürt.

Die seit Kurzem noch ein bisschen weniger geworden ist: Unumwunden geben Vertreter der Sicherheitsdienste zu, dass sie Netanjahus Iran-Kurs für verfehlt halten und dass man einen Dialog für nicht verkehrt hält: »Zu reden bedeutet nicht, dass man sich nicht alle Optionen offen hält«, sagte der frühere Mossad-Chef Meir Dagan am Montagabend im israelischen Fernsehen, nachdem er Obamas neuen Iran-Kurs begrüßt hatte. Es könne sein, dass man am Ende feststelle, dass er Israel einen guten Dienst erwiesen habe.

Eine Haltung, die nun auch im Kabinett vermehrt Freunde findet. So durchbrach Finanzminister Jair Lapid von der zentristischen Partei Jesch Atid am Montagabend das von Netanjahu verhängte Redeverbot und erklärte, es habe keine Bedeutung, was jemand glaubt, welche Ziele Irans Präsident Hassan Ruhani verfolgt; man müsse es herausfinden. Er warnte davor, dass Netanjahus derzeitiger Kurs Israel international isoliere.

Eine Befürchtung, die auch in Israels Medien immer wieder geäußert wurde: Netanjahu sei »außer Takt« mit den internationalen Verbündeten, so die Zeitung Jedioth Ahronoth; nie sei das Verhältnis zum Weißen Haus so schlecht gewesen wie heute. Israels Regierung werde weder in die Syrien- noch in die Iran-Debatte einbezogen; Netanjahu erfahre Dinge aus den Medien, »weil alle sowieso wissen, was er sagen wird, und weil alle wissen, dass das, was er fordert, kaum umsetzbar ist«.

Israels Rechte indes frohlockt: Netanjahu habe Obama die Stirn geboten, sagt Naftali Bennett, Chef der Siedlerpartei HaBajit HaJehudi, er solle jetzt bloß nicht einknicken. Doch Abgeordnete seiner Partei räumen ein, dass das wohl nicht auf Dauer möglich sein wird. Weißes Haus und State Department üben, US-Diplomaten in Israel zufolge, mittlerweile massiven Druck auf den Premier aus: Er soll Fortschritte in den Verhandlungen mit den Palästinensern machen.

** Aus: neues deutschland, Mittwoch, 2. Oktober 2013


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