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Israel probt den Ernstfall

Gemeinsames Manöver mit den USA simuliert Folgen eines Angriffs gegen Iran

Von Oliver Eberhardt, Jerusalem *

Israel und die USA haben ein dreiwöchiges Manöver mit über 4500 Soldaten begonnen - offiziell die bislang größte gemeinsame Luftabwehrübung.

Israel wacht gerade auf, als plötzlich von allen Seiten, aus Libanon, dem Gaza-Streifen, Syrien, Ägypten und dem fernen Iran, Raketen auf das Land niederprasseln. Die Armee schlägt umgehend zurück; schnell kommen auch die in der Region stationierten US-Truppen zu Hilfe. So das Szenario, das nach Angaben des israelischen Militärs seit Montagmorgen das Manöver »Ernste Herausforderung« bestimmt.

Neben 1000 israelischen Soldaten nehmen daran auch 1000 US-amerikanische Soldaten in Israel und 2500 weitere Amerikaner außerhalb des Landes teil; die meisten sind auf einem Kriegsschiff mit dem Raketensystem Aegis vor Haifa stationiert. Israel wird laut General Nitsan Nuriel ein neues System namens »Davids Schleuder« einsetzen, das Raketen mit einer Reichweite von bis zu 300 Kilometern abfangen kann. Nach offiziellen Angaben hat das Manöver, dessen Ergebnisse als Geheimsache behandelt werden, nichts mit einem möglicherweise bevorstehenden Militärschlag gegen Iran zu tun; gemeinsame Übungen wie diese würden regelmäßig abgehalten und langfristig geplant, erklärte ein israelischer Armeesprecher.

Doch Militärexperten in den einheimischen Medien melden daran einhellig Zweifel an. Bereits am Sonntag hatten die israelischen Notdienste eine groß angelegte Rettungsübung abgehalten, bei dem auch die Radio-, Fernseh- und Handywarnsysteme getestet wurden. Offiziell wurde dabei die Reaktion auf ein Erdbeben simuliert. Allgemein wird jedoch vermutet, dass es bei beiden Manövern eher darum geht, ob Israels Militär und Rettungsdienste überhaupt auf mögliche Folgen eines Angriffs gegen Irans Atomprogramm vorbereitet sind.

Ex-Mossad-Chef Efraim Halevy hat sich am Montag für direkte Atomgespräche der USA mit Iran ausgesprochen. Ziel der Sanktionen sei es nicht, den Boden für eine militärische Aktion vorzubereiten, sondern Teheran davon zu überzeugen, das Atomprogramm aufzugeben. Vor allem Vertreter des israelischen Auslandsgeheimdienstes, aber auch der US-Regierung haben davor gewarnt, dass nach einem Angriff die mit Iran verbündeten Milizen im Süden Libanons und im Gaza-Streifen ihre Raketenarsenale gegen die israelischen Bevölkerungszentren einsetzen könnten. Die Erfahrung des Libanon-Krieges 2006, als die Hisbollah Tausende Raketen auf den Norden Israels abfeuerte, habe gezeigt, dass man dem wenig entgegenzusetzen hat.

* Aus: neues deutschland, Dienstag, 23. Oktober 2012


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