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Abflauende Kämpfe - Aber Krieg im Cyberspace

Gegenseitige Internetangriffe setzen den Krieg zwischen Israel und Palästina fort

Damit war nicht unbedingt in dieser Auseinandersetzuing zu rechnen: dass die Konfliktparteien ihren Kampf ins Internet verlegen würden. Auch wenn diese Art der Auseinandersetzung auf den ersten Blick harmlos erscheint, so gibt er doch auch einen Vorgeschmack auf künftige "virtuelle Kriege", die sich zuerst im Netz und dann auf dem Boden (oder wie jetzt in umgekehrter Reihenfolge) abspielen. Der folgende Artikel stammt aus der Neuen Zürcher Zeitung.

Relative Ruhe in den Palästinensergebieten -
Gegenseitige Angriffe im Cyberspace

Die Zahl und Intensität der Zusammenstösse zwischen palästinensischen Demonstranten und der israelischen Armee ist in den vergangenen zwei Tagen merklich zurückgegangen. In Israel wird die relative Ruhe auf eine unmissverständlich Weisung des Chefs der palästinensischen Autonomiebehörde, Yasir Arafat, zurückgeführt, die er seinen Untergebenen am Mittwoch gegeben haben soll. Allerdings kam es am Donnerstag im Gazastreifen zu einem Selbstmordanschlag, bei dem der Attentäter, ein 24-jähriger Palästinenser, ums Leben kam. Der auf einem Moped fahrende Mann sprengte sich in der Nähe einer israelischen Patrouille in die Luft. Auf israelischer Seite wurde bei dem Attentat ein Soldat leicht verletzt. Laut israelischen Angaben trug der Palästinenser, der als Mitglied der extremistischen Organisation Islamischer Jihad identifiziert worden sein soll, den sechs Kilogramm schweren Sprengsatz in einem Schulranzen verborgen auf dem Rücken.

Der Kampf zwischen Israeli und Palästinensern wird dieser Tage noch an einer anderen, harmloseren Front geführt. Während der vergangenenTage fanden Angriffe auf die Webseite der israelischen Regierungsstellen statt. Tausende von Surfern klickten sich gleichzeitig auf die entsprechenden Webseiten ein, bis die Rechner zusammenbrachen. Laut israelischen Experten nahmen dieAngriffe in Saudiarabien und Libanon ihren Anfang, kamen aber schliesslich aus über hundertLändern. Eine libanesische Zeitung und ein islamisches Internet-Portal gaben Anleitungen, wiedie israelischen Webseiten geknackt werden können, und stellten gleichzeitig das entsprechende Programm zur Verfügung, das durch einfaches Anklicken heruntergeladen werden kann. Betroffen waren das israelische Aussenministerium, die Armee und die Knesset, deren Webseiten von einem privaten Internet-Anbieter betrieben werden. Diese wurden während dreissig Stunden stillgelegt. Die Webseite der Armee, die plötzlich 120 000 Zugriffe verzeichnete, während die sonst übliche Frequenz etwa 7000 Zugriffe pro Woche beträgt, konnte kurzfristig auf einen amerikanischen Server ausweichen. Nicht betroffen war die Webseite des Ministerpräsidentenamtes, die von einem eigenen zentralen Rechner betrieben wird und bessere Einrichtungen zum Schutz vor elektronischen Angriffen besitzt.

Einige Tage früher hatten offenbar mit Israel sympathisierende Hacker eine Webseite der Hizbullah «israelisch besetzt». Wer sich auf die Webseite der Freischärler einklickte, bekam bloss eine Fahne mit dem Davidsstern zu sehen. Der Knessetabgeordnete Michael Eitan erklärte, dass Angriffe im Internet nicht auf die leichte Schulter genommen werden sollten, denn sie stellten eine Aggression gegen die Infrastruktur eines Landes dar. Er schlug vor, Webseiten, die der Verbreitung von Information dienen, ebenso wie die freie Presse international schützen zu lassen.

Die Internet-Angriffe geschahen gerade zu dem Zeitpunkt, da das Amt des Armeesprechers eine Foto veröffentlichen wollte, die beweisen sollte, dass die Beschiessungen des Wohnviertels Gilo zum Ziel hatten, einen Gegenschlag gegen christliche heilige Stätten zu provozieren. Auf der Foto, die aus der Sicht eines in Gilo postierten Panzers aufgenommen worden war, sind angebliche Stellungen palästinensischer Scharfschützen in Beit Jala zu sehen. Diese hätten sich so placiert, dass sich die St.-Nikolas-Kirche genau in der Schusslinie der Panzer befand.
Aus: Neue Zürcher Zeitung, 27. Oktober 2000

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