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Enttäuschendes Ergebnis für Firas Maraghy

Ein Ehepaar kämpft um Registrierung seiner Ehe in Israel - bisher vergeblich - Jüdische Stimme sieht Menschenrechte und "jüdische Werte" verletzt

Der Palästinenser Firas Maraghy hat vom 26. Juli bis zum 4. September 2010 vor der israelischen Botschaft in Berlin mit einem Hungerstreik für die Registrierung seiner Tochter als Einwohnerin Ostjerusalems und die Registrierung seiner Ehe gekämpft. Durch Intervention u.a. des CDU-Politikers Ruprecht Polenz (Vorsitzender des Auzswärtigen Ausschusses) wurde ihm Seitens der israelischen Behörden eine "Lösung" zugesagt. Am 12. Oktober fand das Gespräch mit dem Direktor des "Registration and Civil Status Department" des israelischen Innenministeriums sowie mit drei ranghohen Mitarbeitern des israelischen Innenministeriums und einem Mitarbeiter des israelischen Aussenministeriums statt. Das Ergebnis war allerdings enttäuschend.
Wir dokumentieren im Folgenden eine Erklärung des Ehepaars sowie eine Erklärung der "Jüdischen Stimme für gerechten Frieden in Nahost e.V.".


Firas Maraghy und Wiebke Diehl, Jerusalem

PRESSEERKLÄRUNG, 12.10.2010

Vom 26. Juli 2010 bis zum 04. September 2010 habe ich, Firas Maraghy, mich vor der israelischen Botschaft im Hungerstreik befunden. Ziel dieses offenen Protests war es, meine im Dezember 2009 geborene Tochter Zaynab als Einwohnerin Ostjerusalems, sowie meine Ehe mit der deutschen Staatsbuergerin Wiebke Diehl zu registrieren. Zudem wollte ich gegen die Androhung israelischer Behoerden, mir selbst mein Residenzrecht in Jerusalem zu entziehen, sollte ich im Mai 2011 nicht für mindestens eineinhalb Jahre dorthin zurueckkehren, protestieren. Ich forderte von Anfang an ein sicheres Bleiberecht fuer meine Familie und mich in meiner Geburtsstadt und der Geburtsstadt meiner Vaeter und Vorvaeter. Diese Forderung steht in Einklang mit internationalem Recht, insbesondere mit Artikel 13 der Allgemeinen Erklaerung der Menschenrechte.

Wie bereits in unserer letzten Presseerklaerung vom 7. Oktober 2010 angekuendigt, sind wir am Sonntag, den 10. Oktober 2010 mit unserer Tochter nach Jerusalem geflogen, um einen unter Vermittlung von Herrn Polenz, dem Vorsitzenden des Auswaertigen Ausschusses des deutschen Bundestags, von der israelischen Botschaft in Berlin vereinbarten Termin wahrzunehmen. Hier sollten wir Herrn Arbel, den Direktor des „Registration and Civil Status Department“ des Innenministeriums Israels, treffen. Ziel dieses Geespraeches sollte laut Presseerklaerungen der israelischen Botschaft in Berlin sein, unser Anliegen zu loesen. Wir haben sowohl die sehr hohen finanziellen als auch die zeitlichen und koerperlichen Muehen auf uns genommen, um unseren Teil zu einem moeglichen Kompromiss beizutragen. Noch zwei Tage vor unserer Abreise warnte ein Arzt, dass die Reise in einem Flugzeug fuer mich, Firas Maraghy, ernste gesundheitliche Konsequenzen nach sich ziehen koenne; dennoch entschieden wir uns, den vereinbarten Termin einzuhalten. Dies taten wir, obwohl wir der festen Ueberzeugung sind, dass die israelische Botschaft auch fuer die Einwohner des nach dem Krieg von 1967 voelkerrechtswidrig annektierten Ostjerusalem zustaendig ist und die Registrierung unserer Ehe aus diesem Grund in Berlin haette vorgenommen werden muessen.

Bei dem Termin waren neben Herrn Arbel drei ranghohe Mitarbeiter des israelischen Innenministeriums und einer des israelischen Aussenministeriums anwesend. Zunaechst wurde uns ausfuehrlich die israelische Gesetzeslage erklaert, wobei immer wieder betont wurde, ich sei lediglich Einwohner Jerusalems, kein Staatsbuerger. Am Ende dieser Ausfuehrungen fragte ich, Firas Maraghy, ob meine Ehe und meine Tochter nun eingetragen werden sollten. Daraufhin erwiderte Herr Arbel, er koenne nicht gegen die Gesetze verstossen. Ich erklaerte ihm, ich sei gekommen, da mir eine Loesung meines Anliegens zugesichert worden sei – woraufhin Herr Arbel erwiderte, er wisse nichts davon, dass Ziel unseres Gespraeches eine Loesung des Falles sei. Diese Aussage ruft bei uns einige Verwunderung hervor, denn man muss sich fragen, wofuer dieses Treffen mit all seinen Teilnehmern wohl einberufen wurde. Als wir des Weiteren auf Artikel 13 der Allgemeinen Erklaerung der Menschenrechte hinwiesen, sagte Herr Arbel, auch davon habe er noch nie gehoert.

Wir betonten mehrmals, dass unsere Forderung die Registrierung unserer Ehe und unserer Tochter bleibt. Hieraufhin wurde uns wieder und wieder gesagt, man muesse sich an die israelischen Gesetze halten. Das Gespraech dauerte etwa eine halbe Stunde. Nachdem wir noch mehrere Male fragten, welche Loesung man uns anbieten wolle und daraufhin keinerlei Antwort erhielten, entschieden wir uns, das Treffen abzubrechen.

In einem anschliessenden Gespraech mit Herrn Polenz entschieden wir uns in Absprache mit ihm, trotz des negativen Verlaufs des Gespraeches einen Antrag auf Registrierung unserer Ehe und unserer Tochter beim der dafuer zustaendigen Behoerde in Jerusalem zu stellen. Dies werden wir in den naechsten Tagen tun. Wir rufen die israelischen Behoerden und die israelische Regierung dringend dazu auf, diesen Antraegen stattzugeben und so unsere elementarsten und international verbrieften Rechte zu achten.


"Es geht speziell um unserer jüdisches Wertesystem"

Jüdische Stimme für gerechten Frieden in Nahost e.V. - Mitgliedsorganisation der European Jews for a Just Peace (EJJP)

An die Botschaft des Staates Israel z.Hd. seiner Exzellenz Herrn Botschafter Yoram Ben-Zeev - Auguste-Viktoria-Str. 74 - 14193 Berlin

Betr.: Familie Maraghy-Diehl

Sehr geehrter Herr Botschafter,

wie Sie sicherlich wissen, endete die Besprechung von Herrn Firas Maraghy mit Herrn Arbel in Jerusalem ohne Ergebnis. Herr Arbel, Leiter des „Registration and Civil Status Department“ im israelischen Innenministerium, lehnte es im Beisein von vier weiteren Ministerialbeamten ab, Herrn Maraghy und Frau Diehl irgendeine Zusage zu machen, dass ihre Ehe und ihre gemeinsame Tochter nach israelischem Recht registriert würden.

Sie selbst waren, soweit wir wissen, am Zustandekommen dieses Gesprächs beteiligt. Es war ja der für alle Seiten gesichtswahrende Ausweg aus Herrn Maraghys 40-tägigem Hungerstreik, der für das Bild Israels in Deutschland nicht gut war. Denn Herrn Maraghys Anliegen wirft ein sehr negatives Schlaglicht darauf, wie der Staat Israel mit seiner palästinensischen Minderheit umgeht und insbesondere wie Israel die arabischen Einwohner Jerusalems aus ihrer Heimatstadt herausdrängt. Herr Maraghy war vom außenpolitischen Sprecher der Regierungspartei CDU im Bundestag, Herrn Dr. Polenz, begleitet. Auf Dr. Polenz' Anraten wird Herr Maraghy trotz des negativen Gesprächsverlaufs einen Antrag auf Registrierung seiner Ehe und seiner Tochter beim israelischen Innenministerium stellen.

Wir möchten Sie bitten, Ihren Einfluss bei der israelischen Regierung geltend zu machen, damit diesem Antrag stattgegeben wird. Unsererseits werden wir uns bemühen, durch Publizierung dieser neuen Wendung des Falls Maraghy neuerlich öffentlichen Druck in Deutschland aufzubauen, damit Israel in dieser Frage ein unserem Wertesystem entsprechendes Verhalten an den Tag legt.

Wie ich bereits in meinem Schreiben vom 3. 8. 10 ausführte, geht es hier nicht nur um das Wertesystem der allgemeinen Menschenrechte (wie von Herrn Maraghy richtig betont), sondern auch speziell um unserer jüdisches Wertesystem: "Wie ein Bürger von Euch sei Euch der Fremde, der bei Euch wohnt, und liebe ihn wie Dich selbst, denn Fremde wart Ihr im Lande Mizrajim" (3. Buch Moses, 19,34). Nichts davon ist beim Umgang der Behörden des jüdischen Staats Israel mit Herrn Maraghy zu spüren.

Mit freundlichen Grüßen und auf eine positive Entwicklung hoffend:
Prof. Dr. Rolf Verleger - Vorsitzender der Jüdischen Stimme für gerechten Frieden in Nahost



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