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Angriffe auf den Gazastreifen

Palästinensischer Bauer starb durch israelische Panzergranate. Hotelabriß in Ostjerusalem gestoppt

Von Karin Leukefeld *

Mit neuen Luft- und Bodenattacken hat Israel in den vergangenen Tagen auf Raketenbeschuß aus dem Gazastreifen reagiert. Nach Angaben eines Armeesprechers wurden durch die drei Raketen, die am Sonntag (9. Jan.) in der Umgebung von Aschkelon landeten, weder Personen verletzt noch Gebäude beschädigt. Die israelische Luftwaffe flog daraufhin in der Nacht zu Montag (10. Jan.) zwei Angriffe auf den Gazastreifen, Opfer wurden nicht bekannt. Nach Angaben palästinensischer Ärzte wurde jedoch am Montag der 65jährige Bauer Shaaban Al-Qarmoot in der Nähe des Grenzzauns bei Beit Hanoun durch israelische Panzergranaten schwer verletzt und starb später im Krankenhaus. Ein israelischer Armeesprecher sagte auf Journalistennachfragen, er habe »nicht die geringsten Kenntnisse über den Vorfall«. Das Militär Israels hat auf der palästinensischen Seite des Grenzzauns eine Pufferzone eingerichtet, deren Breite es beliebig bis auf zwei Kilometer ausdehnt und in der es auf jeden schießt, der sich in diesem Gebiet aufhält.

Hamas-Offizielle suchen derweil das Gespräch mit den anderen Militanten im Gazastreifen, die für die jüngsten Raketenangriffe auf Israel die Verantwortung übernommen haben. Die Milizen kontrollieren jeweils verschiedene Abschnitte der Grenze zu Israel, dessen Militär seit einigen Wochen die Attacken auf den Küstenstreifen eskaliert. Hamas-Sprecher Sami Abu Zuhri sagte am Montag, man wolle ein gemeinsames Vorgehen absprechen, wie auf Tel Avivs Aggressionen zu reagieren sei.

In der Westbank haben israelische Sicherheitskräfte den Druck auf die Hamas weiter erhöht. Bei Razzien in den vergangenen Tagen wurden hochrangige Hamas-Politiker verhaftet, darunter der frühere palästinensische Finanzminister Omar Mahmoud Matar, der am Dienstag morgen (11. Jan.) festgenommen wurde. Nach Angaben einer Armeesprecherin stünden sie unter dem Verdacht »terroristischer Aktivitäten«.

Ein Nachfahre der Husseini-Familie, der das historische Shepherd-Hotel in Ostjerusalem gehört, konnte derweil eine einstweilige Verfügung gegen dessen Zerstörung erwirken, woraufhin diese eingestellt werden mußte. Hilflos hatte zuvor die »internationale Gemeinschaft« auf den provozierenden Abriß des Gebäudes am Montag reagiert. Von UN-Generalsekretär Ban Ki Moon, US-Außenministerin Hillary Clinton und der EU-Außenbeauftragen Catherine Ashton waren nicht mehr als Worte des Bedauerns zu vernehmen. Der israelische Ministerpräsident Benjamin Netanjahu lehnte jede Verantwortung für den Abruch ab. Grund und Boden des Hotels seien von privat gekauft worden und könnten auch privat mit Wohnungen für jüdische Siedler bebaut werden. Über dem israelischen Recht steht allerdings das Völkerrecht. Danach ist die Regierung in Tel Aviv als Besatzungsmacht verpflichtet, die Grundrechte der Einwohner zu achten.

* Aus: junge Welt, 12. Januar 2011


Israelisches Bauprojekt gestoppt

Hotel in Ostjerusalem sollte zerstört werden **

Nach internationaler Kritik hat ein Gericht in Jerusalem ein umstrittenes israelisches Bauprojekt im arabischen Ostteil der Stadt vorübergehend gestoppt. Der Rechtsanwalt der palästinensischen Husseini-Familie, Sami Churi, sagte am Montag (10. Jan.), das Jerusalemer Bezirksgericht habe Anweisung erteilt, die Zerstörung von Teilen des Shepherd-Hotels im Scheich-Dscharach-Viertel durch Bulldozer aufzuhalten. Dort sollen Wohnungen für jüdische Siedler entstehen. Die Husseini-Familie beansprucht das Gebäude und das Grundstück für sich. In Kürze werde eine neue Gerichtsentscheidung erwartet, sagte der Anwalt.

US-Außenministerin Hillary Clinton hatte am Sonntag in Washington erklärt, die israelische Vorgehensweise widerspreche »der Logik eines vernünftigen und notwendigen Abkommens« zwischen Israel und den Palästinensern. »Diese beunruhigende Entwicklung untergräbt die Friedensanstrengungen mit dem Ziel einer Zwei-Staaten-Lösung«, unterstrich die Politikerin in einer Erklärung des Außenministeriums.

** Aus: Neues Deutschland, 11. Januar 2011


Bulldozer-Diplomatie

Von Roland Etzel ***

Auch mit Abrissbirnen lassen sich Präzisionsschläge durchführen. Die israelische Administration war gerade dabei, das zu beweisen. Mit jenem Gebäude, das sie in Ostjerusalem dem US-Milliardär Moskowitz zum Abriss überließ, würden auch etwaige Ansätze für eine Wiederaufnahme substanzieller israelisch-palästinensischer Verhandlungen ziemlich punktgenau pulverisiert. Auch wenn das todgeweihte Shepherd-Hotel im arabischen Teil Jerusalems nicht die Symbolträchtigkeit des Felsendoms besitzt, so hat es doch identitätsstiftenden Wert. Es an einen Immobilienhai zur Errichtung jüdischer Luxussiedlungen zu verscherbeln, darf als sehr erfolgsträchtiger Versuch gelten, die Atmosphäre zwischen Israelis und Palästinensern der Stadt nachhaltig zu vergiften.

Das ist politisch ein ziemliches Bubenstück, aber außerdem und vor allem doppelter Rechtsbruch. Ostjerusalem ist widerrechtlich okkupiertes Gebiet. Keine israelische Regierung ist befugt, davon irgendetwas zu verscherbeln. Dazu kommt, dass das Shepherd auf keinem öffentlichen Land steht, sondern auf Privatbesitz der Familie Husseini, der bekanntesten arabischen Familie Jerusalems der Neuzeit. Es ist wohl dem Insistieren der gerade in Arabien weilenden US-Außenministerin geschuldet, dass Israels Bulldozer-Diplomatie gestern zunächst gestoppt wurde.

*** Aus: Neues Deutschland, 11. Januar 2011 (Kommentar)


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