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"Leute wie uns hatten die Israelis wohl nicht erwartet"

Demonstration per Flugticket: "Fly in"-Aktivisten wurden gleich wieder abgeschoben. Ein Gespräch mit Elke Zwinge-Makamizile *


Elke Zwinge-Makamizile ist Mitglied im Deutschen Friedensrat sowie in der Internationalen Liga für Menschenrechte. Sie hat sich an der Protestaktion »Fly in« nach Palästina beteiligt.

Hunderte Aktivisten haben am Freitag (8. Juli) versucht, über den Ben-Gurion-Flughafen in Tel Aviv nach Palästina einzureisen, nur einige Dutzend kamen durch. Sie gehören zu denen, die bereits am Sonntag (10. Juli) wieder abgeschoben wurden. Wie sind die israelischen Behörden mit Ihnen umgegangen?

Am Freitag (1. Juli) ging es schon in Frankfurt/Main los: Als das Flugzeug um 11 Uhr planmäßig starten sollte, bremste es plötzlich scharf ab. Wir mußten in eine andere Maschine umsteigen und konnten erst gegen 17 Uhr abfliegen – wegen angeblicher Unebenheiten auf der Rollbahn! Das mag glauben, wer will; ich vermute eher, daß die Behörden Zeit gewinnen wollten. Deshalb landeten wir erst um 23 Uhr auf dem Ben-Gurion-Flughafen, wo man uns sofort die Pässe wegnahm. Die israelischen Sicherheitsbehörden wußten offenbar schon, wer alles zu unserer Gruppe gehörte.

Uns hatte die Palästinensische Friedensbewegung eingeladen, es war auch ein Programm für uns vorbereitet. Dazu gehörten die Besichtigung des »Freedom-Theatre«, das symbolische Pflanzen von Olivenbäumen sowie der Besuch eines Flüchtlingslagers. Statt dessen mußten wir stundenlang in Aufenthaltsräumen im Flughafen warten, bis wir am frühen Samstag morgen zu einem Gefängnistransporter gebracht wurde, in dem andere Aktivisten bereits seit viereinhalb Stunden festsaßen. 23 Frauen waren dort untergebracht, wie viele Männer in den anderen Teil des Transporters eingepfercht worden waren, weiß ich nicht. Draußen standen rund 35 Sicherheitsbeamte, wie wir durch das vergitterte Wagenfenster sehen konnten. Um uns die Zeit zu vertreiben, fingen wir an zu singen – darauf hin drohte man uns mit dem Einsatz von Tränengas.

Wohin wurden Sie gebracht?

Wir wurden ins Ela-Gefängnis von Beersheva, mitten in der Negev-Wüste, transportiert, wo wir von Samstag morgen bis Sonntag mittag in Abschiebehaft in einer Art Luxusknast festgehalten wurden – es war keines der Gefängnisse, in denen laut Amnesty International gefoltert wird. Auf unsere Forderung hin kamen Konsulatsbeamte derjenigen Länder, aus denen die Aktivistinnen stammten, meines Wissens waren das Frankreich, Bel-gien, die Niederlande und Deutschland. Sie notierten unsere Namen und fragten, ob jemand benachrichtigt werden solle. Die Israelis gaben sich ganz offensichtlich Mühe, keinen Anlaß zu Beschwerden zu bieten. Allerdings wurden wir fast die ganze Zeit über mit Videokameras überwacht.

Wie haben die Sicherheitsbeamten auf Sie reagiert?

Wir nutzten jede Gelegenheit, ihnen zu erklären, daß wir einen Beitrag dazu leisten wollten, die Isolation der Palästinenser aufzuheben – dazu müsse Palästina als Staat anerkannt werden. Sie äußerten sich nicht dazu, aber mein Eindruck war: Viele begriffen, worum es uns ging und standen uns dann auch gar nicht mehr ablehnend gegenüber. Leute wie uns hatten sie wohl nicht erwartet, nachdem offizielle Stellen in Israel eine unglaubliche Propaganda-kampagne gegen uns gestartet hatten.

Innenminister Yitzhak Aharanovich hatte uns z. B. als »Extremisten und Hooligans« bezeichnet, die die öffentliche Ordnung stören wollten. Auf der Internetseite www.ynetnews.com wurden wir sogar als mögliche Gesetzesbrecher denunziert.

Die Schiffe der zweiten Gaza-Flottille stecken seit etlichen Tagen in Griechenland fest, und viele »Fly In«-Demonstranten konnten ihr Ziel nicht erreichen – die Israelis hatten internationale Fluglinien genötigt, bestimmte Passagiere gar nicht erst zu transportieren. Wie beurteilen Sie den Erfolg dieser Aktionen?

Wir haben die Situation genutzt, den Medien bekanntzumachen, wie schlimm die menschenrechtliche Situation im Westjordanland und in Gaza ist. Durch die scharfe und völlig überzogene Reaktion Israels ist vielen Menschen in aller Welt deutlich geworden, was dessen Regierung alles unternimmt, um die Menschen in Palästina zu isolieren.

Interview: Gitta Düperthal

* Aus: junge Welt, 12. Juli 2011


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