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Reden statt Raketen

In der Nähe von Bonn trafen sich israelische und palästinensische Jugendliche

Von Karin Leukefeld *

In ihrer Heimat leben sie durch eine Mauer getrennt. Doch in der Jugendakademie Walberberg, einer außerschulischen Bildungsstätte bei Bonn, trafen sich im Juli und August 185 junge Palästinenser und Israelis, um gemeinsam »Ferien vom Krieg« zu erleben. Organisiert wird die jährliche Veranstaltung vom Komitee für Grundrechte und Demokratie. Seit Sommer 2002 nahmen im Rahmen der Aktion etwa 1200 israelische und palästinensische Jugendliche an diesen Dialogseminaren in Deutschland teil.

Diskussionen, gemeinsame Erlebnisse, aber auch Streit und Versöhnung stehen für die Gruppen auf der Tagesordnung, die von Lehrern und Psychologen begleitet werden. Zum dritten Mal in Folge wurde in diesem Jahr ein Frauenseminar durchgeführt. Das sei ein Wunsch der Teilnehmerinnen von beiden Seiten gewesen, erklärte Projektleiterin Helga Dieter. Dieses Mal, so Dieter, habe es allerdings eine große Distanz zwischen den Beteiligten gegeben. Die Palästinenserinnen hätten es beispielsweise abgelehnt, ihre Freizeit gemeinsam mit den israelischen Frauen zu verbringen. »Die Euphorie war in diesem Sommer deutlich geringer, als in früheren Jahren«, resümierte Dieter im Gespräch mit jW. Viele Palästinenser würden nicht mehr daran glauben, daß »ein Dialog von unten« den Frieden bringen könne. Dafür sei die Verzweiflung über den Krieg in Gaza zu groß.

Aber es gab auch positive Resonanz. »Die zwei Wochen waren für mich ein großer Gewinn«, erzählte der 29jährige Elad Arnon aus Jerusalem, kurz bevor er mit den anderen zur abschließenden Dampferfahrt auf dem Rhein aufbrach. Natürlich habe es auch Probleme gegeben, räumte er ein. »Sie können nicht akzeptieren, daß wir ein Recht auf einen souveränen jüdischen Staat haben, und wir können nicht verstehen, daß die Flüchtlinge zurückkehren sollen«, erläuterte Elad aus seiner Sicht die zentralen Konflikte. Zum ersten Mal habe er sich allerdings eine Vorstellung davon machen können, welches Leid die Palästinenser erleben, fügte er hinzu. »Wenn du jemanden persönlich triffst, hast du einen Mensch vor dir, das ist etwas anderes, als über ihn in der Zeitung zu lesen«, so der junge Israeli.

Ähnlich äußerte sich die 20jährige Hala aus Ramallah, die zum ersten Mal in Deutschland war. Die Medien in ihrer Heimat berichteten oft mit Vorurteilen über die andere Seite, sagte sie. Der schwierigste Moment während des Seminars sei gewesen, als sie in einem Theaterstück gezeigt hätten, was ihnen von der Besatzungsarmee angetan werde, so Hala stockend, die eine Tante durch israelische Angriffe verloren hat. Aber die israelischen Teilnehmer des Ferienprogramms seien ja keine Regierungsvertreter, und für die Gewalt nicht verantwortlich, fügte sie hinzu.

Die mit den Aachener und Stuttgarter Friedenspreisen und dem Erich-Mühsam-Preis ausgezeichnete Aktion »Ferien vom Krieg« sei eine Initiative, die unabhängig von Parteien, staatlichen Institutionen oder großen Nichtregierungsorganisationen arbeitet, so Helga Dieter, die von Anfang an dabei ist. Doch trotz der Ehrungen sind die Seminare immer wieder mit erheblichen Problemen konfrontiert, was vor allem die Palästinenser betrifft. In diesem Jahr wurde ein junger Palästinenser aus Bilin von israelischen Soldaten auf der Fahrt nach Jordanien aus dem Bus heraus verhaftet.

* Aus: junge Welt, 7. September 2009


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