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Israel sperrt Kritiker aus

Propalästinensische Aktivisten nicht willkommen: Regierung in Tel Aviv verhindert Einreise von "Provokateuren". Europäische Fluggesellschaften leisten Amtshilfe

Von Karin Leukefeld *

Hunderte israelische Polizisten in Zivil und Uniform haben am Sonntag am Ben-Gurion- Flughafen von Tel Aviv die Einreise von Teilnehmern der Kampagne »Willkommen in Palästina« verhindert. Angekündigt hatten sich rund 1 500 Aktivisten, darunter allein 600 Franzosen. Ziel der Reisenden war, von Israel aus nach Bethlehem im Westjordanland zu fahren. Die Aktion fand bereits 2010 und 2011 statt.

Israels Verkehrsminister Israel Katz hatte im Vorfeld eine Liste unerwünschter Personen angefertigt und diese europäischen Flughäfen zukommen lassen. Sein Land könne es sich »nicht erlauben, Provokateure ins Land zu lassen«, begründete Katz die Maßnahme. Ankommende Passagiere mußten eine Erklärung unterschreiben, daß sie »keinen Kontakt zu Mitgliedern propalästinensischer Organisationen haben und nicht mit solchen kooperieren«. Bis jW-Redaktionsschluß am Sonntag abend wurde die Festnahme von 30 Personen bekannt.

Aufgrund der israelischen Personenliste wurden aber die meisten Aktivisten bereits an europäischen Flughafen an der Abreise gehindert. In Genf, Mulhouse und Paris wurden Flugreisende, die über Tel Aviv ins Westjordanland einreisen wollten, kurzerhand die Tickets storniert. Als daraufhin Hunderte Aktivisten in Paris und Brüssel gegen ihr Reiseverbot protestierten, kam es zu Auseinandersetzungen mit der Polizei. In Genf wurden Passagiere vorübergehend festgenommen. Auch in London und an türkischen Flughäfen wurden Aktivisten gestoppt.

Neben Easy Jet hatten auch Air France, Jet2.com und Lufthansa im Vorfeld Tickets annulliert. Schon am Freitag war bekanntgeworden, daß Lufthansa auf israelischen Wunsch die Tickets von rund 100 Personen storniert hatte. Ein Lufthansa-Sprecher sagte in Frankfurt am Main, man handle auf Grundlage einer von israelischen Behörden übermittelten Liste mit Namen von Passagieren, denen die Einreise verweigert werde.

Ziel der internationalen Kampagne »Willkommen in Palästina« ist es, gegen die eingeschränkte Bewegungsfreiheit der Palästinenser zu protestieren. Die Aktion, die mit dem orthodoxen Osterfest zusammenfiel, war von palästinensischen Christen in Bethlehem begrüßt worden. Ihre Bitte an hochrangige Kirchenvertreter, die Aktivisten zu unterstützen, verhallte ungehört. »Israel hat aus Palästina ein riesiges Gefängnis gemacht«, hieß es in einer Stellungnahme des Palästinensischen Netzwerks für Gerechtigkeit. Nur durch israelische Kontrollpunkte könnten Besucher in die Westbank kommen. Paramilitärische Siedler und die Armee hätten hingegen nahezu freie Hand gegen die schutzlosen Palästinenser. Nicht nur Gaza, auch die Westbank werde von der israelischen Besatzungsmacht belagert.

Israels Ministerpräsident Benjamin Netanjahu hatte am Samstag die Aktivisten aufgefordert, sich lieber um die »richtigen Probleme in der Region« zu kümmern. In einer von seinem Büro verbreiteten Mitteilung nannte er die Krise in Syrien, die Unterdrückung der iranischen Opposition durch die dortige Führung sowie das Vorgehen der radikalislamischen Hamas im Gazastreifen als dringendere Anliegen. »Danach könnt ihr wiederkommen und eure Erfahrung mit uns teilen.«

* Aus: junge Welt, Montag, 16. April 2012


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