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Viel Lärm um nichts

Iran will 40 Jahre alte Zentrifugen für die Urananreicherung verschrotten und ersetzen

Von Knut Mellenthin *

Wie am Donnerstag bekannt wurde, will der Iran in seiner Urananreicherungsanlage Natanz künftig auch Zentrifugen eines etwas leistungsfähigeren Typs einsetzen. Sowohl dort als auch in der zweiten iranischen Anreicherungsanlage Fordo, die in Bunkern unterhalb eines Bergmassivs liegt, werden gegenwärtig ausschließlich Zentrifugen eines IR-1 genannten Typs verwendet. Der Iran stellt diese selbst her, nach pakistanischen Bauplänen, die noch aus den 1970er Jahren stammen. Das Uraltmodell ist nicht nur wenig effektiv, sondern auch hochgradig störanfällig und zerbricht oft während des Betriebs.

Der etwas neuere Typ IR-2m, von dem Iran künftig eine bisher noch nicht angegebene Zahl installieren will, ist – gemessen an internationalen Standards – keineswegs »High-Tech«, wie in aufgeregten westlichen Kommentaren immer wieder behauptet wird. Iran produziert auch diese Zentrifugen selbst und testet sie seit Juni 2011 in einem anderen Teil der Anlage von Natanz. Ebenfalls erprobt wird dort ein weiterer Zentrifugentyp, der als IR-4 bezeichnet wird. Die Testgeräte stehen, ebenso wie insgesamt die Anlagen in Natanz und Fordo, unter ständiger Kontrolle der Internationalen Atomenergiebehörde (IAEA) in Wien. Drei noch modernere Typen, über deren beabsichtigte Erprobung Teheran die IAEA schon vor längerer Zeit in Kenntnis gesetzt hat – IR-5, IR-6 und IR-6s –, wurden bisher nicht installiert.

Westliche Medien erklärten, die Zentrifuge IR-2m sei vier- bis fünfmal so effektiv wie das nunmehr bald 40 Jahre alte Modell IR-1. Diese Behauptung stützt sich hauptsächlich auf einen Artikel, den David Albright, Leiter des offiziell nicht der Regierung unterstehenden US-amerikanischen Instituts ISIS, im Oktober 2011, also wenige Monate nach der Installation der IR-2m zu Testzwecken, veröffentlicht hatte. Der Physiker Albright kann als Fachmann auf diesem Gebiet gelten. Seine Aussagen über die Effektivität der IR-1 beruhen jedoch lediglich auf Vermutungen, da die Zentrifuge noch nicht im echten Produktionsbetrieb gelaufen ist.

Nach noch nicht offiziell bestätigten Angaben aus der IAEA hat Teheran der Behörde am 23. Januar schriftlich seine Absicht mitgeteilt, im Produktionsbereich von Natanz künftig eine nicht genannte Zahl von IR-2m zu verwenden. Im November 2012 waren in der Testanlage laut IAEA-Bericht nur 176 Zentrifugen dieses Typs installiert. Ob der Iran wesentlich mehr davon besitzt oder in kurzer Zeit produzieren könnte, ist nicht bekannt.

Der Sprecher des Weißen Hauses, Jay Carney, verurteilte das iranische Vorhaben, einige der Uraltzentrifugen zu ersetzen, als »neuerliche Eskalation« und als »provokatorischen Schritt«, der »nur zur weiteren Isolierung des Iran führen wird«. Der russische Außenminister Sergej Lawrow wies dagegen darauf hin, daß das iranische Vorgehen juristisch nicht zu beanstanden sei. Allerdings sei die von Rußland mitgetragene politische Position des UN-Sicherheitsrats, daß der Iran für die Dauer der Verhandlungen die Urananreicherung gleich welchen Grades einstellen müsse.

* Aus: junge Welt, Samstag, 02. Februar 2013


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