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Schluß mit Diplomatie

US-Senat trotzt dem Präsidenten und beschließt einstimmig neue Iran-Sanktionen

Von Knut Mellenthin *

Der US-Senat hat am Freitag einstimmig eine Ergänzung zum Militärhaushalt angenommen, die eine erhebliche Ausweitung und Verschärfung der Strafmaßnahmen gegen die internationalen Handelspartner Irans vorsieht. Bis zuletzt hatte Präsident Barack Obama vergeblich an die einflußreichsten Vertreter der Demokraten im Senat appelliert, die Abstimmung auf das kommende Jahr zu verschieben und zuvor zahlreiche Einzelpunkte der Vorlage gründlich mit dem Weißen Haus zu diskutieren. Die Republikaner feiern die mit 94 zu null erfolgte Senatsentscheidung als Sieg der harten Konfrontationslinie über Obama, dem sie Schwäche und Zögern im Umgang mit Iran vorwerfen. Der Senat hat 100 Mitglieder; sechs von ihnen haben, möglicherweise aufgrund von Meinungsverschiedenheiten, nicht an der Abstimmung teilgenommen.

Die neuen Sanktionen in den Militärhaushalt zu packen, mit dem sie eigentlich höchstens indirekt zu tun haben, ist ein bewährter verfahrenstechnischer Trick: Wer am Ende gegen sie stimmen wollte, müßte den Haushalt insgesamt ablehnen und sich damit dem politisch tödlichen Vorwurf aussetzen, "unpatriotisch" zu sein. Die jetzt vom Senat beschlossenen Ergänzungen müssen zunächst noch im Vermittlungsausschuß des Kongresses mit einer ähnlichen, aber nicht identischen Vorlage des Abgeordnetenhauses zu einem gemeinsamen Text vereinheitlicht werden.

Das Amendment zum Militärhaushalt war gemeinsam von den Senatoren Robert Menendez (Demokrat), Mark Kirk (Republikaner) und Joe Lieberman (Unabhängiger) eingebracht worden. In ihrem gewichtigsten Teil definiert die Ergänzung mehrere Sektoren der iranischen Wirtschaft als "entities of proliferation concern", also praktisch als Teil der Teheran unterstellten Arbeiten an der Entwicklung von Atomwaffen. Es sind dies: Energie (hauptsächlich die Förderung von Öl und Erdgas), sowie die für den Ölexport existentiell wichtigen Bereiche Schiffahrt, Schiffbau und Häfen.

Alle ausländischen Unternehmen, die zu diesen Sektoren in irgendeiner geschäftlichen Beziehung stehen, müssen in den USA mit Strafmaßnahmen rechnen. Einzige Ausnahme: Für den Import von iranischem Erdöl soll es bei der bestehenden Sonderregelung bleiben. Diese befreit einzelne Länder von den Sanktionen, sofern das USA-Außenministerium ihnen bescheinigt, daß sie ihre Einfuhr "signifikant" reduziert haben. Das Zertifikat muß alle sechs Monate erneuert werden.

Ein anderer Punkt des Senats-Amendments schreibt Sanktionen gegen ausländische Unternehmen vor, die dem Iran Stahl, Aluminium, Gold - das in Teheran als Währungsreserve gilt - oder Software für die Integration industrieller Prozesse verkaufen. Von der US-Regierung verlangt der Senat die exakte Beobachtung und Auflistung aller ausländischen Schiffe, die iranische Häfen anlaufen, sowie der Landung iranischer Maschinen auf ausländischen Flughäfen.

In einer Stellungnahme des Weißen Hauses zur Senatsvorlage wird die Befürchtung geäußert, die geplanten neuen Strafmaßnahmen könnten zum gegenwärtigen Zeitpunkt die Zusammenarbeit mit den internationalen "Partnern" der USA - dieser Begriff schließt Rußland und China ein - im Streit um das iranische Atomprogramm und darüber hinaus auch die derzeit praktizierten Sanktionen gefährden. Dagegen ließen die Initiatoren des Amendments kaum Zweifel an ihren kriegerischen Absichten: "Das Fenster schließt sich, die Zeit des Wartespiels ist vorbei", verkündete Menendez. "Die Zeit für Diplomatie mit dem Iran läuft ab", sekundierte ihm Lieberman.

* Aus: junge Welt, Montag, 03. Dezember 2012


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