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Obama als Erpresser

Washington kündigt Strafmaßnahmen gegen die Handelspartner Irans an

Von Knut Mellenthin *

Barack Obama hat am Freitag (30. März) den Weg für neue Strafmaßnahmen gegen Staaten und Unternehmen, die iranisches Erdöl importieren, freigegeben. China, Irans wichtigster Kunde, verurteilte die Ankündigung des US-Präsidenten scharf. Dagegen gab die Türkei am Wochenende bekannt, daß sie ihre Erdöleinfuhr aus dem Iran um 20 Prozent reduzieren wird. Einen Tag zuvor hatte der US-Botschafter in Ankara in ungewöhnlich provozierender Weise öffentlich einen solchen Schritt verlangt, der in Wirklichkeit offenbar schon Anfang der Woche zwischen dem türkischen Regierungschef Recep Tayyip Erdogan und Obama vereinbart worden war. Die Türkei nahm bisher etwa sieben Prozent der iranischen Ölexporte ab. Die künftig fehlende Menge soll durch Einfuhren aus Libyen und vielleicht auch Saudi-Arabien ersetzt werden.

Die von Obama angekündigten neuen Sanktionen beruhen auf einem Zusatz zum Verteidigungshaushalt, den der US-Kongreß bereits im Dezember beschlossen hatte. Der Präsident hatte das Gesetz am Jahresende durch seine Unterschrift ratifiziert. Es verpflichtete ihn unter anderem, bis zum Freitag vergangener Woche verbindlich zu erklären, ob auf dem Weltmarkt genug alternatives Erdöl zur Verfügung steht, um die Kunden Irans zu einer Umorientierung zu zwingen, ohne dabei Verbündeten der USA Schaden zuzufügen. Diese Frage hat Obama jetzt bejaht, obwohl Experten darüber unterschiedlicher Meinung sind.

Die Strafmaßnahmen sollen erst Ende Juni in Kraft treten, um den Abnehmern iranischen Erdöls zeitlichen Spielraum für einen »freiwilligen« Ausstieg zu geben. Für zehn EU-Staaten und Japan hat Obama bereits befristete Ausnahmegenehmigungen erteilt. Voraussetzung dafür ist, daß diese Länder sich verpflichtet haben, ihren Handel mit dem Iran zurückzufahren und damit auch in der Praxis schon begonnen haben. Eine Reihe von Regierungen, darunter die chinesische, die indische und die pakistanische, haben von sich aus darauf verzichtet, solche Ausnahmegenehmigungen zu beantragen, da sie sich ihre Handelspolitik nicht von Washington vorschreiben lassen wollen.

Die Verschärfung der US-Sanktionen gegen Drittstaaten kommt wenige Tage vor dem nächsten Treffen zwischen der Sechsergruppe und dem Iran, das am 13. und 14. April im türkischen Istanbul stattfinden soll. Die Gruppe, die auch als »5 + 1« bezeichnet wird, besteht aus den fünf ständigen Mitgliedern des UN-Sicherheitsrats – China, Frankreich, Großbritannien, Rußland und USA – sowie Deutschland. Letztmals hatten Vertreter der sieben Staaten sich im Januar 2011 ebenfalls in Istanbul getroffen.

Die US-Regierung hat im Vorfeld deutlich gemacht, daß sie vom Iran weitgehende und schnelle Zugeständnisse verlangen wird. In einer Pressekonferenz, die sie am Sonnabend in der saudi-arabischen Hauptstadt Riad abhielt, sagte US-Außenministerin Hillary Clinton, Iran müsse »durch Taten beweisen, daß es ein bereitwilliger Partner ist«, und »an diesen Verhandlungen mit dem Bemühen teilnehmen, konkrete Ergebnisse zu erreichen«. Teheran müsse sich darüber klar sein, »daß das Fenster für eine »friedliche Lösung nicht ewig offen bleiben wird«. Die Sechsergruppe erwartet vom Iran die unbefristete und bedingungslose Einstellung der Anreicherung von Uran, zu der das Land im Rahmen seines zivilen Atomprogramms berechtigt ist.

* Aus: junge Welt, Dienstag, 3. April 2012


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