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US-Raketen sollen Iran einschüchtern

Stationierung von "Patriots" am Persisch-Arabischen Golf bereitet neue Sanktionen vor

Von Karin Leukefeld *

Um einer weiteren Runde von Sanktionen gegen Iran mehr Nachdruck zu verleihen, haben die USA in aller Eile mindestens acht Patriot-Flugabwehrsysteme in vier Staaten am Persisch-Arabischen Golf stationiert.

Abwehrsysteme seien auch auf »speziellen Kriegsschiffen« im Golf stationiert, bestätigte General David Petraeus, Oberkommandierender des Südöstlichen US-Kommandos, das vom Golf bis nach Zentralasien reicht.

Die Stationierung soll mögliche Vergeltungsschläge Irans wegen verschärfter Sanktionen unterbinden, heißt es. Betroffen von solchen Schlägen wären möglicherweise die US-Stützpunkte in den arabischen Golfstaaten Bahrain, Kuwait und Katar.

Zudem soll Israel durch die Raketenstationierung beruhigt und gleichzeitig abgehalten werden, Iran eigenständig anzugreifen. Die israelische Regierung hat Iran wiederholt als »größte Gefahr« bezeichnet, die nicht nur Israel sondern »die ganze Welt bedroht«. So formulierte es zuletzt auch der israelische Präsident Schimon Peres bei seiner Ansprache im Deutschen Bundestag.

Drittens sollen, wie es weiter heißt, mit der Aufstellung die Golfstaaten beruhigt und beschützt werden, damit sie nicht ihrerseits Nukleartechnologie entwickeln, um sich - so die Darstellung im Westen - gegen eine mögliche Atommacht Iran zu schützen.

Der einzige Staat mit Atomwaffen in der Region ist bisher Israel. Versuche der Vereinten Nationen und der Internationalen Atomenergiebehörde (IAEA), mit einer regionalen Abrüstungskonferenz die Region frei von allen Massenvernichtungswaffen zu machen, wurden bisher von Israel hartnäckig ignoriert.

Die Namen der Staaten, wo die Patriot-Raketenabwehrsysteme mit entsprechender Bedienungsmannschaft stationiert wurden, blieben offiziell geheim. Beobachter gehen allerdings davon aus, dass es sich um Kuwait, die Vereinigten Arabischen Emirate (VAE), Katar und Bahrain handeln dürfte. Außer in den VAE, wo erst kürzlich Frankreich eine Militärbasis eröffnete, haben diese Golfstaaten US-Militärstützpunkte. Saudi-Arabien und Israel verfügen selber über Abwehrraketen.

Bekannt wurde die Aufrüstungsmaßnahme kurz nach der Entscheidung, dass die USA zukünftig Firmen sanktionieren werden, die weiter Benzin nach Iran liefern. Die USA wollen auch den UNO-Sicherheitsrat und Deutschland zu einer neuen Runde von Sanktionen drängen. Bundeskanzlerin Angela Merkel hat bereits ihre Zustimmung signalisiert. Es wäre bereits die vierte Sanktionsrunde gegen Teheran.

Erst am Freitag (29. Jan.) hatte US-Außenministerin Hillary Clinton die Volksrepublik China aufgefordert, neuen Sanktionen gegen Teheran zuzustimmen. Iran hatte den IAEA-Vorschlag zurückgewiesen, Uran zur Anreicherung ins Ausland abzugeben. Damit sollte verhindert werden, dass Iran das Uran selbst anreichert und somit waffenfähiges Material herstellt.

Der iranische Parlamentspräsident Ali Laridschani, der gerade erst einen dreitägigen Besuch in Kuwait abgeschlossen hatte, forderte die Golfstaaten mit US-Militärbasen auf, keine Angriffe von diesen Basen gegen Iran zuzulassen. »Die Region darf nicht zu einer Abschussrampe für Angriffe gegen Iran werden«, appellierte Laridschani auf einer Pressekonferenz. Die Nachbarn am Golf könnten sicher sein, dass Iran »kein Leid über die Staaten des Golfkooperationsrates bringen will«.

Wenige Tage zuvor hatte der iranische Verteidigungsminister Ahmad Vahidi die westlichen Kriegsschiffe im Golf und die US-Basen in der Region als »bestes Ziel« bezeichnet, falls die iranischen Atomanlagen angegriffen werden sollten.

Jahrelang hatte sich die US-Administration unter George W. Bush geweigert, die Dialogangebote des früheren iranischen Präsidenten Mohammed Chatami anzunehmen. Präsident Barack Obama, der zunächst auf Dialog mit Iran gesetzt hatte, steht nun offenbar wegen mangelnder Erfolge seiner Politik dermaßen unter Druck, dass Israel und die Militärs sich ein weiteres Mal behauptet haben.

* Aus: Neues Deutschland, 1. Februar 2010


Aufrüstung gegen Iran

Von Knut Mellenthin **

In einem ungewohnten Gleichklang haben Washington Post und New York Times am Wochenende die Stationierung US-amerikanischer Waffensysteme in mehreren Staaten der arabischen Halbinsel gemeldet. Angeblich sollen sie der Abschreckung und Abwehr iranischer Reaktionen auf Militärschläge der USA oder Israels dienen. Da die Berichte beider großen Tageszeitungen neben bekannten älteren Informationen ausschließlich Aussagen von anonym bleibenden »Regierungsbeamten« enthielten, ist von einer konzertierten Propagandaaktion auszugehen, die von staatlichen Stellen ausgelöst wurde. Was die New York Times am Sonntag über die amerikanischen Aufrüstungsmaßnahmen am Golf schrieb, gilt auch für die Artikel der beiden Blätter: »Sie scheinen Teil einer koordinierten Regierungsstrategie zur Steigerung des Drucks auf Iran zu sein.«

Der New York Times zufolge sind die USA dabei, Raketenabwehrsysteme in Katar, den Vereinigten Arabischen Emiraten, Bahrain und Kuwait zu stationieren. Oman, wo eine starke schiitische Minderheit lebt und das sich um gute Beziehungen zum Iran bemüht, sei bisher vergeblich von der US-Regierung bedrängt worden, ebenfalls solche Waffen anzunehmen. Saudi-Arabien schließlich verfüge bereits über ein eigenes Abwehrsystem.

Die Meldungen vom Wochenende ergänzen eine Mitteilung von David H. Petraeus, dem Chef des für die Region zuständigen US Central Command. Der General hatte bei einem Vortrag am 22. Januar erwähnt, daß in vier Staaten der arabischen Halbinsel jeweils zwei »Patriot«-Batterien stationiert werden sollen. Sie dienen in erster Linie zur Abwehr von Kurzstreckenraketen. Um welche Staaten es sich handelt, hatte Petraeus nicht gesagt. Der General berichtete darüber hinaus, daß die USA jetzt ständig Patrouillen im Persischen Golf fahren, bei denen Kreuzer eingesetzt werden, die mit dem »Aegis«-Kampfsystem ausgerüstet sind. Mit solchen Raketen schoß ein amerikanisches Kriegsschiff am 3.Juli 1988 während des Golfkriegs eine iranische Linienmaschine ab; alle 290 Menschen an Bord wurden dabei getötet. Angeblich handelte es sich um ein Versehen.

Zeitgleich mit dem Aufbau einer militärischen Drohkulisse gegen den Iran verschärft die US-Regierung auch die Polemik gegen China. Hintergrund: Peking blockiert noch immer die Verabschiedung neuer Sanktionen durch den UN-Sicherheitsrat. Während eines Auftritts in der Pariser École Militaire drohte US-Außenministerin Hillary Clinton am Freitag: »Jetzt, wo wir uns von der Verständigungsschiene wegbewegen, die nicht die von einigen erhofften Ergebnisse gebracht hat, und uns auf die Druck- und Sanktionenschiene zubewegen, wird China unter eine Menge Druck geraten, damit es die destabilisierenden Auswirkungen anerkennt, die ein atomar bewaffneter Iran am Golf haben würde.« - Es sei zwar verständlich, daß China wegen seiner engen Wirtschaftsverbindungen mit der Islamischen Republik Iran Sanktionen für kontraproduktiv halte, sagte Clinton. Die Volksrepublik müsse aber auch »die längerfristigen Auswirkungen« ihrer Haltung bedenken.

** Aus: junge Welt, 1. Februar 2010


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