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Wenn die USA Iran angreifen

Auf der "Achse des Bösen" - Ist ein transatlantischer "Krieg der Kulturen" nicht mehr fern?

Von Lutz Herden*

Die imperiale Doktrin der US-Administration verfügt längst über ihre eigene Logik, aber sie hat bei weitem noch nicht ihren Zenit erreicht. Wer glaubt, die von George Bush in Aussicht gestellten Militärschläge gegen Iran könnten mit Blick auf den Irak als Entlastung gedacht sein, täuscht sich. Bush arbeitet mit pedantischer Inbrunst die nach dem 11. September 2001 erfundene "Achse des Bösen" ab - die Systematik ist unstrittig. Es begann mit dem Krieg gegen Afghanistan Ende 2001, als dank des dortigen islamistischen Taliban-Regimes eine Verbindung zu den Terror-Anschlägen auf New York plausibel schien. Danach war im Sinne der erstrebten Neuordnung des Mittleren Ostens der Irak als regionaler Machtfaktor auszuschalten. Dass dieser "Schurkenstaat" von einem Diktator wie Saddam Hussein regiert wurde, traf sich gut: Die "Inkarnation des Bösen" auf der "Achse des Bösen", das verlangte nach der prompten Befreiungstat. Es bleibt Iran - für die USA eine ideologische wie strategische Herausforderung seit dem Sturz des Schah-Regimes 1979. Die Arbeit im Irak wäre nur halb getan, bliebe Iran verschont.

Alles spricht dafür, dass Präsident Bush während seines Europa-Besuchs im Februar bei der NATO wie den wichtigsten Verbündeten nicht erscheint, um den aus temporärer Verirrung heimgekehrten Partner zu geben. Er will das Terrain sondieren und seine Gastgeber darüber ins Bild setzen, womit der Iran zu rechnen hat. Er wird aus erster Hand wissen wollen, ob mögliche Vorbehalte in der Allianz bei irakischen Dimensionen bleiben oder darüber hinausgehen. Militärischer Beistand und eine "Koalition der Willigen" werden kaum benötigt, logistische Hilfe innerhalb der NATO sowie propagandistischer Flankenschutz schon.

Man wird daher in den kommenden Wochen auch hierzulande viel über die Gefahren lesen und hören, die vom iranischen Atomprogramm ausgehen. Mancher wird sich erinnern, wie viel es vor zwei Jahren über die irakischen Massenvernichtungswaffen zu sagen gab, an die zu glauben als Gebot von Political Corretness galt. Dass es sich um eine gezielte Verführung handelte, konnte von der Glaubensgemeinschaft hinterher in gewohnter Weise kulturkritisch aufgearbeitet werden. Da tat die politische Korrektheit erst recht niemandem mehr weh.

Gewiss werden die USA eine Gnadenfrist einräumen, in der es Großbritannien, Frankreich und Deutschland in Sachen iranisches Atomprogramm noch einmal versuchen dürfen. Weitere Verhandlungen der EU-3 dürften den Amerikanern nicht unlieb sein. Besser lassen sich die beteiligten Europäer nicht vorführen und ob ihrer Tauglichkeit für imperiale Ziele testen. Die EU-3 werden für die "Inspektoren-Phase" aufkommen, wie sie als Vorspiel des Irak-Krieges schon einmal nützlich war, als die Vereinten Nationen den Part übernahmen, mit ihren Teams nach Waffen zu suchen, die es nicht gab. Und wie die UN-Inspektoren im Irak werden vermutlich auch die EU-Unterhändler in Ira! n mit ihrer Mission scheitern.

Seit Präsident Bush am 17. Januar Teheran mit Krieg gedroht hat, wird es dort unter gar keinen Umständen einen Verzicht auf das eigene Nuklearprogramm geben - das aber gilt als Minimalforderung der Amerikaner. Die Islamische Republik gründet sich seit ihrer Entstehung auf die Gegnerschaft zu den USA - es käme einer nationalen Selbstaufgabe gleich, in diesem kritischen Augenblick auf die Knie zu fallen.

Wenn Bush in Europa war, dürften allenfalls noch Wochen bleiben bis zum neuerlichen "God bless the troops". Die Operation Iraqi Freedom begann im März 2003, der Kosovo-Krieg der NATO im März 1999. Im März 2005 werden keine US-Truppen nach Teheran vorstoßen, aber gezielte Luftschläge sind denkbar, um die militärische Infrastruktur Irans soweit zu schwächen, dass kein Potenzial mehr bleibt, um der Atommacht Israel das Atommonopol im Nahen Osten streitig zu machen.

Die Verbündeten der USA in Europa können ein weiteres Mal besichtigen, wie konsequent der American Way of War beschritten wird. Und sie können sich erneut fragen, inwieweit die eigene politische Kultur dabei Schaden nimmt. Kommt es zu einem Feldzug der USA gegen Iran, ist dann auch ein transatlantischer "Krieg der Kulturen" nicht mehr aufzuhalten?

*Aus: Freitag 04, 28. Januar 2005
Im Internet: www.freitag.de


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