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Risiko der Eskalation

Neue UN-Resolution verschärft die Konfrontation mit Iran: Reiseverbote und Kontrollen des Handelsverkehrs beschlossen

Von Knut Mellenthin *

Der UN-Sicherheitsrat in New York hat am Montag (3. März) neue Sanktionen gegen Iran beschlossen. Vorausgegangen waren Resolutionen am 23. Dezember 2006 und am 24. März 2007. Da dem Iran damals 60 Tage Frist gesetzt worden waren, alle Arbeiten an der Urananreicherung einzustellen, wäre schon Ende Mai vorigen Jahres eine dritte Resolution fällig gewesen. Rußland und China, die immer wieder Zweifel an der Konfrontationsstrategie des Westens gegen Iran geäußert haben, hatten monatelang eine erneute Ausweitung der Strafmaßnahmen blockiert.

Am 22. Januar war es zwischen den »5 plus 1«, den fünf ständigen Mitgliedern des Sicherheitsrates und Deutschland, schließlich doch zu einer Einigung auf einen gemeinsamen Resolutionsentwurf gekommen. Damit demonstrierten die beteiligten Staaten, daß die zu diesem Zeitpunkt noch laufenden Gespräche zwischen der Internationalen Atomenergiebehörde (IAEA) und Iran für ihre Entscheidung bedeutungslos waren. Der im Februar vorgelegte Bericht der IAEA bezeichnet sämtliche früher offenen Fragen, mit denen ursprünglich das Mißtrauen gegen Teheran begründet worden war, als abgeschlossen. Damit entfällt für die Forderung nach iranischen Vorleistungen jede Grundlage.

Das war eines der Argumente, mit denen sich im Sicherheitsrat Libyen, Südafrika, Indonesien und Vietnam einer neuen Sanktionsresolution widersetzten. Eine Beschlußfassung in dem 15köpfigen Gremium wäre auch gegen ihre Stimmen möglich gewesen. Die »5 plus 1« strebten aber, wie auch bisher schon, einen möglichst breiten Konsens an, auch wenn das mehr Zeit kostete. Frankreichs Präsident Nicolas Sarkozy übernahm es, Libyen und Südafrika zum Einlenken zu drängen. Am Ende stimmten 14 Ratsmitglieder der Resolution zu; nur Indonesien enthielt sich.

Die jetzt beschlossene Verschärfung der Sanktionen geht weiter, als bisher vermutet worden war. Erstmals fallen auch sogenannte Dual-Use-Produkte, also Handelsgüter, die sowohl zivil als auch militärisch genutzt werden können, unter die Embargomaßnahmen. Zur Überwachung der Sanktionen können künftig Warentransporte der Iran Air Cargo und der Iran Shipping Line »inspiziert« werden. Das eröffnet den USA und ihren Verbündeten Möglichkeiten einer militärisch abgestützten See- und Luftblockade gegen Iran. Wegen des hohen Eskalationsrisikos hatten sich Rußland und China bisher der Forderung nach »Inspektionen« widersetzt.

Darüber hinaus sieht die Resolution des Sicherheitsrats Reiseverbote und Reisebeschränkungen für einen erweiterten Personenkreis vor. Die Zahl der Unternehmen und Personen, deren Auslandsvermögen zu beschlagnahmen sind, wurde ausgeweitet. Alle Staaten werden zur »Zurückhaltung« bei Erleichterungen im Handel mit Iran, insbesondere bei der Vergabe von Exportbürgschaften und -krediten, aufgerufen. Das verpflichtet zwar formal zu nichts, wird es aber der US-Regierung erleichtern, ihre Verbündeten zur Ausweitung ihrer einseitigen, über die UN-Beschlüsse weit hinausgehenden Sanktionen zu drängen.

Nach drei Monaten will der Sicherheitsrat über neue Strafmaßnahmen beraten, falls Iran bis dahin nicht allen Forderungen nachgekommen ist. Damit rechnet jedoch ernsthaft niemand. Iran hat die Resolution in ersten Stellungnahmen bereits als »völlig unbegründet und illegal« zurückgewiesen und bekräftigt, daß man sich durch keine Erpressung zwingen lassen werde, auf die eigenen Rechte zu verzichten.

* Aus: junge Welt, 5. März 2008

Hier geht es zur Resolution 1803 (2008) vom 3. März 2008 (englisch; pdf-Datei)


In einer Erklärung stellte der Präsident des UN-Sicherheitsrats einen Tag nach Verabschiedung der Resolution klar, dass mit deren Verabschiedung keinerlei Optionen für einzelne Staaten auf Zwangsmaßnahmen gegen Iran ("the use of force against Tehran") verbunden seien. Wir dokumentieren die Erklärung des russischen UN-Botschafters Vitaly Churkin (er hat im März 2008 die Präsidentschaft inne) im Folgenden:

Security Council will not endorse use of force to deal with Iran – President (Amb. Vitaly Churkin)

4 March 2008 – The Security Council, which yesterday imposed additional sanctions against Iran for its nuclear activities, will not support the use of force to deal with that issue, the 15-member body’s President for March stated today.

On Monday the Council authorized the inspection of cargo suspected of carrying prohibited goods, the tighter monitoring of financial institutions and the extension of travel bans and asset freezes, after Iran failed to comply with requests to suspend uranium enrichment activities. The measures follow Council sanctions imposed in 2006 and 2007.

Russian Ambassador Vitaly Churkin called resolution 1803 “a very carefully drafted resolution,” focused exclusively on concerns associated with nuclear and missile proliferation activities.

Speaking to reporters in his capacity as Council President for March, he noted that the resolution was necessary because Iran had not complied with previous demands by the body and insisted on continuing with its enrichment activity.

At the same time, he stressed that all the resolutions make clear that “there is no indication at all of any willingness of the Security Council in any form to sanction or approve or condone the use of force against Tehran in order to deal with the Iranian nuclear issue.”

He noted that yesterday’s resolution is part of a package that included the joint statement issued by “the Six” – China, France, Germany, Russia, United Kingdom and United States – in which they stated their willingness to develop “all-round relations and wider cooperation with Iran,” starting with direct talks and negotiations, if it was willing to suspend all enrichment-related and reprocessing activities.

“Greater opportunities are there for Iran if it responds positively to the offers by the Six,” Mr. Churkin stated, including opportunities of “overcoming its problems with the United States of America.”

The joint statement indicates that the Six will be developing their proposals to provide benefits to Iran and the region in political, economic and security fields, and speaks about the need to have creative approaches regarding negotiations with Tehran.

It is dealing with Iran in a very respectful way, “oriented towards reaching a political and diplomatic solution to the Iranian nuclear issue,” said Mr. Churkin. “We hope that Iran is going to consider the opportunities very carefully.”

Quelle: www.un.org

Weitere Meldungen

Außenminister Steinmeier begrüßt neue Iran-Resolution

Bundesaußenminister Frank-Walter Steinmeier (SPD) hat die neue Resolution des UN-Sicherheitsrates gegen den Iran als "Zeichen der Geschlossenheit der internationalen Gemeinschaft" begrüßt. Die verschärften Strafmaßnahmen seien Ausdruck "unverminderter Sorge" über das iranische Atomprogramm, erklärte er in Berlin. "Iran muss beweisen, dass seine Aktivitäten nicht auf die Entwicklung eines nuklearen Waffenprogramms gerichtet sind", sagte Steinmeier weiter. Der UN-Sicherheitsrat hatte sich zuvor mit überwältigender Mehrheit für eine Verschärfung der Sanktionen gegen Teheran ausgesprochen.
Gleichzeitig signalisierte Steinmeier Verhandlungsbereitschaft: "Niemand bestreitet Irans Rechte bei der friedlichen Nutzung der Kernenergie." Deutschland habe dem Iran wiederholt zugesichert, dass er wie jeder andere Nicht-Kernwaffenstaat auch behandelt werde, sobald das Vertrauen in den rein friedlichen Charakter seines Atomprogramms wieder hergestellt sei. "Den entscheidenden Schritt hierzu muss aber Teheran gehen", sagte Steinmeier.
(AFP, 4. März 2008)

Keine weiteren Schritte gegen Iran bei der IAEA

Russland und China haben am Dienstag (4. März) bei der Internationalen Atomenergiebehörde (IAEA) eine weitere Resolution gegen den Iran und sein Atomprogramm verhindert, wie aus Diplomatenkreisen in Wien verlautete. Grund war wohl vor allem, dass beide Staaten darüber verärgert waren, dass sie von den westlichen Staaten vorab nicht über die Pläne für diese Resolution informiert wurden.
Die Entscheidung, die Resolution fallenzulassen, sei dann von allen sechs Staaten, die mit dem Iran über sein Atomprogramm verhandeln, gemeinsam getroffen worden, hieß es weiter. Neben den fünf ständigen Mitgliedern des Sicherheitsrats ist auch Deutschland an den Verhandlungen beteiligt. Die vom Sicherheitsrats der Vereinten Nationen am Montag (3. März) beschlossenen weiteren Sanktionen seien als ausreichend betrachtet worden.
(AP, 4. März 2008)

Ahmadinedschad weist UN-Resolution als "ungültig" zurück

Der iranische Präsident Mahmud Ahmadinedschad hat den jüngsten Sanktionsbeschluss des UN-Sicherheitsrats als ungültig zurückgewiesen. "In den Augen des Iran ist die Resolution des Sicherheitsrates ungültig und ohne Bedeutung", sagte Ahmadinedschad in Teheran. Außerdem schloss der Präsident Verhandlungen über das umstrittene iranische Atomprogramm außerhalb der Internationalen Atomenergiebehörde (IAEA) aus. Nach dem Willen der fünf ständigen Mitglieder des Sicherheitsrates und Deutschlands sollte sich der EU-Außenbeauftragte Javier Solana mit dem iranischen Atomunterhändler Said Dschalili treffen, um einen Ausweg aus der Krise zu suchen.
(AFP, 5. März 2008)

Teheran zu weiteren Atomverhandlungen mit Europa bereit

Der Iran ist im Atomstreit zu weiteren Gesprächen mit der Europäischen Union bereit. "Wir haben zielgerichtete Verhandlungen immer unterstützt", sagte Mottaki am Sonntag (9. März) auf die Frage, ob die Regierung neue Verhandlungen Gesprächen mit EU-Chefdiplomat Javier Solana aufnehmen wolle.

Erst kürzlich hatte Staatspräsident Mahmud Ahmadinedschad Verhandlungen mit der EU ausgeschlossen und erklärt, diese Frage sollte nur noch mit der Internationalen Atomenergiebehörde (IAEA) besprochen werden. Teheran hat Vorwürfe zurückgewiesen, es strebe nach Atomwaffen. Man wolle vielmehr die Atomkraft für zivile Zwecke nutzen. Trotz Sanktionen der Vereinten Nationen will der Iran die Urananreicherung nicht aufgeben.

Der israelische Präsident Schimon Peres bezeichnete den Iran als größtes Problem der Welt. "Der Iran ist eine Gefahr nicht nur für Israel, sondern auch für den Rest der Welt", sagte Peres. Das Land sei ein Zentrum des Terrorismus und entwickele Atomwaffen. Ein iranischer Atomreaktor würde die Welt nach Ansicht des Präsidenten unregierbar machen. Er fügte jedoch hinzu, Israel werde nicht im Alleingang gegen das Atomprogramm des iranischen Regimes vorgehen.

Der frühere kuwaitische Regierungsberater Sami al Faradsch erklärte, eine Zerstörung der iranischen Atomanlagen wäre im Interesse der Golfstaaten. Für die Region wäre es "weniger peinlich", wenn Israel dies übernehme und nicht die Vereinigten Staaten. In einem Interview mit der Zeitung "Al Sijassah" sagte Al Faradsch, das iranische Regime mische sich im Irak, im Libanon und in den palästinensischen Gebieten ein und treibe einen Keil zwischen Sunniten und Schiiten.

(AP, 9. März 2008)




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