Dieser Internet-Auftritt kann nach dem Tod des Webmasters, Peter Strutynski, bis auf Weiteres nicht aktualisiert werden. Er steht jedoch weiterhin als Archiv mit Beiträgen aus den Jahren 1996 – 2015 zur Verfügung.

Solanas "Anreizpaket" für Teheran

USA und EU planen Verschärfung der Konfrontation mit Iran. Diskussionen über Militärblockade

Von Knut Mellenthin *

Im Streit um Irans ziviles Atomprogramm steht eine weitere Verschärfung des US-amerikanisch-europäischen Konfrontationskurses bevor. Unter den Maßnahmen, die jetzt diskutiert werden, steht eine internationale Seeblockade durch eine »Koalition der Willigen« ganz obenan. Ähnlich wie in der ersten Hälfte der 90er Jahre die Adria-Blockade gegen Jugoslawien könnte die Abriegelung der iranischen Küsten als kollektive Aktion der NATO-Kriegsmarinen durchgeführt werden. Dadurch würden »unsichere Kantonisten« wie Deutschland, anders als vor dem Irak-Krieg, frühzeitig in gemeinsame Militäroperationen gegen Iran eingebunden. Ein späterer Ausstieg aus der kriegerischen Eskalation wäre dann kaum noch möglich. Eine solche Blockade wird von der israelischen Regierung und von neokonservativen Medien der USA wie dem Wall Street Journal befürwortet.

Ebenfalls im Gespräch ist eine Vereinbarung, die iranische Öl- und Erdgasindustrie nicht mehr mit erforderlicher Technologie und mit Ersatzteilen zu beliefern. Dadurch sollen schwerwiegende Engpässe in der Produktion hervorgerufen werden.

Im Grundsatz haben sich USA und EU schon während des Europa-Besuchs von Präsident George W. Bush auf eigene Zwangsmaßnahmen jenseits der Sanktionen des UN-Sicherheitsrats verständigt. In einer am vergangenen Dienstag verabschiedeten Erklärung heißt es: »Wir sind bereit, diese Sanktionen (der UNO) durch zusätzliche Maßnahmen zu ergänzen. Wir werden weiter zusammenarbeiten, um Schritte zu unternehmen, die sicherstellen, daß iranische Banken das internationale Finanzsystem nicht mißbrauchen können, um die Weiterverbreitung von Atomwaffen und den Terrorismus zu unterstützen.«

Der Begriff »Terrorismus« bezieht sich auf Hamas, Hisbollah sowie alle nicht US-konformen Organisationen und Strömungen Iraks. Mit ihrer Zustimmung zu dieser Erklärung haben die EU-Staaten erstmals die von der US-Regierung schon lange praktizierte Koppelung von Teherans Atomprogramm und der iranischen Außenpolitik akzeptiert. Damit steht nun auch offiziell fest, daß es keineswegs nur um das Atomprogramm, sondern um eine umfassende Unterwerfung des Iran unter ein US-EU-Diktat geht.

Vor diesem Hintergrund ist der künstlich hochgespielte Iran-Besuch von Javier Solana am Wochenende nur ein Propagandatrick. Der EU-Außenverantwortliche übergab in Teheran ein »Anreizpaket«, auf das sich die »Iran-Sechs« -- China, BRD, Frankreich, Großbritannien, Rußland und USA --Mitte Mai geeinigt hatten. Verlangt wird von Iran die Einstellung aller Arbeiten zur Urananreicherung. Angeboten wird im Gegenzug nichts -- außer der vorgeblichen Bereitschaft, über einige Fragen künftig zu sprechen. Der iranische Regierungssprecher Gholam Hossein Elham teilte erwartungsgemäß mit: »Falls das Paket die Einstellung (der Urananreicherung) enthält, ist es indiskutabel. Irans Standpunkt ist klar: Wir akzeptieren keine Vorbedingung.«

* Aus: junge Welt, 16. Juni 2008


Zurück zur Iran-Seite

Zur Atomwaffen-Seite

Zurück zur Homepage